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Freitag, 22. Mai 2015

Griechenlands Krise Eine saubere Lösung im Schuldenstreit ist nun undenkbar Wie geht der Streit zwischen Griechenland und seinen Geldgebern aus? Eine zentrale Frage kreist um die Rolle des Internationalen Währungsfonds. Zugleich wächst der Druck auf den größten Euro-Retter.

Griechenlands KriseEine saubere Lösung im Schuldenstreit ist nun undenkbar

Wie geht der Streit zwischen Griechenland und seinen Geldgebern aus? Eine zentrale Frage kreist um die Rolle des Internationalen Währungsfonds. Zugleich wächst der Druck auf den größten Euro-Retter.

© AFPVergrößernOptimismus in Riga: Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras (links) und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
In Riga bot sich nach dem „Dreiergipfel“ in der Nacht zum Freitag ein gewohntes Bild. Nach seinem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten François Hollande verbreitete Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras wieder einmal Optimismus. Eine baldige Einigung mit den Gläubigern „binnen zehn Tagen“ sei nun möglich, ließ er mitteilen. Wesentlich schmallippiger war die deutsche Kanzlerin. Vor einer Einigung müsse noch „sehr, sehr viel gearbeitet“ werden, sagte sie.
In deutschen Verhandlungskreisen wurde erläutert, was das bedeutet: Immer noch sei Athen allenfalls zu einem Bruchteil der von den Gläubigern geforderten Reformen und Sparschritten bereit. In Brüssel, wo gleichzeitig die „technischen“ Gespräche zwischen EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) fortgesetzt wurden, ist Ähnliches zu hören: Auch wenn die griechische Seite mittlerweile nicht nur zu einer Mehrwertsteuerreform bereit sei, sondern auch ein paar „Minireformen“ in der Renten- und Arbeitsmarktpolitik anbiete, sei das längst nicht genug, hieß es in der Eurogruppe.
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Unstreitig ist indes auch in Brüssel, dass die Zeit mittlerweile sehr drängt. Dem griechischen Staat geht das Geld aus, und offenbar ist schon die Rückzahlung eines IWF-Kredits von 300 Millionen Euro Anfang Juni stark gefährdet. Ein baldiges Treffen der Euro-Finanzminister, vielleicht schon in der kommenden Woche, ist daher wahrscheinlich. In der Eurogruppe heißt es indes unverändert, das ergebe nur Sinn, wenn sich die griechische Seite erheblich bewege und sich zu sehr konkreten Reformschritten bereiterkläre. Und daran mangelt es weiterhin. „Wir wissen ja nicht einmal, ob unsere Gesprächspartner aus Athen mit Tsipras oder Finanzminister Varoufakis reden dürfen“, sagt ein Gläubigervertreter.

Deutschland pocht auf den IWF

Zweifel an griechischem Erkenntnisfortschritt sind weiterhin mehr als angebracht. In Riga hat Athen offenbar noch einmal ins Spiel gebracht, den IWF als Teil der Gläubiger-Institutionen aus dem Spiel zu nehmen. Das wäre nicht nur deshalb schwer möglich, weil Athen dem Fonds nun einmal Geld schuldet. Merkel will den IWF unbedingt an Bord halten, weil sie ihn immer noch als besten Garant für die Durchsetzung von Reformen in Griechenland sieht. Ungeachtet dessen wächst im Fonds selbst die Ungeduld. Dort heißt es mittlerweile, der ungelöste Dauerkonflikt mit Athen gefährde die Glaubwürdigkeit des IWF.
Selbst wenn sich Athen doch noch grundlegend bewegte, gerieten beide Seiten in höchste Zeitnot. Ein weit reichendes griechisches Reformgesetz ließe sich kaum über Nacht durchs Athener Parlament peitschen. Nach den normalen Regeln können die Eurogruppe und das IWF-Exekutivdirektorium die noch vorhandenen 7,2 Milliarden Euro Kredite erst danach freigeben – was für den griechischen Staat wohl zu spät käme. „Wenn nicht schnell etwas passiert, sind Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland nicht mehr weit“, sagt ein EU-Diplomat. Von einem Grexit wäre man nicht mehr weit entfernt. Dass nach Agenturmeldungen mittlerweile auch im Bundesfinanzministerium über die Einführung einer Parallelwährung in Griechenland nachgedacht wird, passt da ins Bild.
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Offiziell sind solche Überlegungen aber immer noch tabu. Deshalb wird auf europäischer Seite darüber gebrütet, wie Athen noch einmal ein paar Wochen Zeit gekauft werden könnte, auch über das Ende des jetzigen Hilfsprogramms am 30. Juni hinaus. Als oberster Problemlöser kommt da schnell die EZB ins Spiel. Vor allem die EU-Kommission denkt daran, dass die Zentralbank einige Wochen lang noch einmal als Zwischenfinanzier des griechischen Staates auftreten könnte – indem sie der Regierung erlaubte, sich für kurze Zeit durch mehr kurzfristige Staatsanleihen (T-Bills) zu finanzieren, die der Staat den Banken verkaufen könnte. Eine solche Zusage setzte freilich voraus, dass Athen weit reichende Reformzusagen machte. Die EZB hat eine solche T-Bills-Lösung bisher immer an die Bedingung geknüpft, dass das Land schnell weitere Kredite erhält. Wenn die Auszahlung der Kredite im Juni also absehbar wäre, könnte die Zentralbank also kurzfristig tatsächlich einspringen.

Noch eine kurzfristige Lösung?

Freilich hat Bundesbankpräsident Jens Weidmann am Freitag schon einmal klargemacht, dass sich Athen noch sehr weit bewegen muss: „Es kann nicht darum gehen, Griechenland bloß immer mehr Zeit zu kaufen“, sagte Weidmann der Nachrichtenagentur Reuters. Entscheidend sei die Aussicht auf eine nachhaltige Stabilisierung des Landes, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, solide Staatsfinanzen und bessere Verwaltungsstrukturen. „Damit liegt der Ball eindeutig im Feld der griechischen Regierung.“ So oder so wären die grundlegenden griechischen Probleme auch mit der Kurzfristfinanzierung durch die EZB nicht gelöst. Im Juli und August steht für Athen die Ablösung der sogenannten SMP-Anleihen an, welche die EZB vor einiger Zeit aufgekauft hatte. Einen von Varoufakis ins Spiel gebrachten Zahlungsaufschub dieser Kredite von rund 11 Milliarden Euro kann sich die Zentralbank unter keinen Umständen leisten – zu offensichtlich handelt es sich da um monetäre Staatsfinanzierung.
In der Diskussion stehen deshalb auch wieder jene 10,9 Milliarden Euro aus dem bisherigen Programm, die derzeit beim Krisenfonds EFSF geparkt und zweckgebunden für eine eventuell notwendige Rekapitalisierung der taumelnden griechischen Banken vorgesehen sind. Einige Staaten haben eine Umwidmung dieses Betrags zu Gunsten des griechischen Staats ins Spiel gebracht. Der politische „Vorteil“ dieser Option bestünde darin, dass nicht schon Anfang Juli ein neues Hilfsprogramm für Athen notwendig würde. Nicht zuletzt in Deutschland gilt dieses dritte Programm noch als Tabu, weil eine Billigung durch den Bundestag schwierig würde. Mit einer Umwidmung der Mittel für die Banken wäre jedenfalls die Verlängerung des Programms um einige weitere Monate möglich.
Aber auch gegen diese Lösung spricht einiges. Zum einen ist gar nicht sicher, ob nicht auch eine Umwidmung von den nationalen Parlamenten gebilligt werden müsste. Dies wird derzeit in Brüssel geprüft. Jedenfalls müssten die Euro-Finanzminister zustimmen, und es ist ungewiss, ob sie dazu bereit wären. Denn die unterkapitalisierten griechischen Banken stehen so schlecht da, dass sie auf die 10,9 Milliarden Euro sehr schnell angewiesen sein könnten. Dieses Geld kann nur einmal verwendet werden. Zum anderen warnen EU-Diplomaten davor, dass ein halbherziges Durchschleppen des griechischen Staates über den Sommer hinweg die Lage weiter verschlimmern würde. Dann werde die Verschuldung weiter steigen und die Wirtschaftslage noch schlechter. Gelöst wäre dann nichts - und ein drittes Programm müsste dennoch aufgelegt werden. Es hätte dann nur einen größeren Umfang als die bisher geschätzten 20 bis 30 Milliarden Euro.

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