ZEW-Studie zur Staatsverschuldung: Schuldenschnitt senkt Risiko von Folgeumschuldungen erheblich
21.05.2015, 11:20 | Wissenschaft | Autor: idw | Jetzt kommentieren
Im Zuge der Staatsschuldenkrise in Europa werden immer wieder Rufe nach einer Umschuldung für Staaten wie etwa Griechenland laut, bei denen bezweifelt werden muss, dass sie ihren Schuldenberg jemals aus eigener Kraft werden tilgen können. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten, die Schuldenlast hoch verschuldeter Staaten zu reduzieren: zum einen den direkten Schuldenschnitt, also den Verzicht der Gläubiger auf einen beachtlichen Teil ihres in Anleihen dieser Staaten investierten Geldes; zum anderen die indirekte Entlastung verschuldeter Staaten durch die Verlängerung der Kreditlaufzeiten oder die Senkung der Kreditzinsen. Beide Varianten der Umschuldung führen zu einer Entlastung - allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Entlastung beim Schuldenschnitt sofort für die Anleger sichtbar ist.
Um herauszufinden, ob und wie sich die beiden Formen der Umschuldung auf die Wahrscheinlichkeit von Folgeumschuldungen bei überschuldeten Staaten auswirken, haben die ZEW-Wissenschaftler die Historie aller Umschuldungen souveräner Staaten zwischen 1970 und 2010 betrachtet. Dabei wird deutlich, dass Umschuldungsserien kein außergewöhnliches Phänomen sondern für viele Länder die Regel sind: 41 Prozent aller untersuchten Umschuldungsverfahren ziehen in den folgenden drei Jahren eine weitere Umschuldung nach sich.
Bei der ZEW-Untersuchung der Umschuldungsverfahren zeigte sich, dass die direkte Reduktion des Nennwerts der Schulden durch einen unverblümten Schuldenschnitt die Wahrscheinlichkeit für eine Nachfolgeumschuldung ungefähr doppelt so stark mindert, wie eine identische Reduktion des Gegenwartwerts der Schulden durch die Gewährung niedrigerer Zinsen oder längerer Laufzeiten. Warum der direkte Schuldenschnitt das Risiko für Nachfolgeumschuldungen halbiert, erklärt ZEW-Wissenschaftler und Autor der Studie, Christoph Schröder: "Eine Herabsetzung der Verzinsung von Staatsanleihen und insbesondere eine Verlängerung ihrer Laufzeit kann akute Liquiditätsprobleme hochverschuldeter Staaten kurzfristig lösen, allerdings bleibt die absolute Höhe des Schuldenstands gleich. Dagegen führt die Reduktion des Nennwerts der Staatsschuld eines Landes zu einer für die Marktteilnehmer direkt sichtbaren langfristigen Entlastung, was die Schuldentragfähigkeit des Landes wiederherzustellen hilft."
Ratingagenturen beispielsweise berücksichtigen den Schuldenstand. Sinkt dieser relativ zum Bruttoinlandsprodukt durch einen Schuldenschnitt, könnte sich das Rating eines Landes wieder verbessern. Außerdem verringert eine Nennwertreduktion auch die fälligen Zinsen, was den Staatshaushalt beim Schuldendienst entlastet.
Neben der Art des Schuldenschnitts ist auch die Höhe der Umschuldung mitentscheidend dafür, ob es weitere Umschuldungen in den Folgejahren gibt. Je höher die Entlastung durch die erste Umschuldung ausfällt, desto niedriger ist die Wahrscheinlichkeit weiterer Umschuldungen in der Zukunft.
Die vollständige Studie in englischer Sprache finden Sie unter:
http://www.zew.de/de/publikationen/7760
Für Rückfragen zum Inhalt:
Christoph Schröder, Telefon 0621/1235-390, E-Mail christoph.schroeder@zew.de
Quelle: idw
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