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Mittwoch, 15. Juli 2015

InsO § 133 Abs. 1; SchVG §§ 5, 24 Abs. 2 Zur Widerlegung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes durch ein Sanierungskonzept („Q-Cells“) LG Frankfurt/M., Urt. v. 7. 5. 2015 – 2-32 O 102/13 (nicht rechtskräftig) Leitsätze des Einsenders: 1. Einem anwaltlichen Sanierungskonzept, dessen Umsetzung von rechtlichen und tatsächlichen Unwägbarkeiten abhängt, kann die notwendige Erfolgsaussicht fehlen, um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auszuschließen. 2. Bei einer höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage (hier: Möglichkeit der Anwendung des SchVG 2009 auf vor dem 5.8.2009 emittierte Wandelanleihen durch mehrheitlichen Opt-in-Beschluss der Gläubigerversammlung) kann ein abweichendes, erstinstanzliches Urteil der Erfolgsaussicht des Sanierungskonzepts selbst dann entgegenstehen, wenn sich der BGH später der Auffassung der Rechtsberater anschließt. Tatbestand:

ZIP 2015, 1358

InsO § 133 Abs. 1; SchVG §§ 5, 24 Abs. 2

Zur Widerlegung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes durch ein Sanierungskonzept („Q-Cells“)

LG Frankfurt/M., Urt. v. 7. 5. 2015 – 2-32 O 102/13 (nicht rechtskräftig)

Leitsätze des Einsenders:

1. Einem anwaltlichen Sanierungskonzept, dessen Umsetzung von rechtlichen und tatsächlichen Unwägbarkeiten abhängt, kann die notwendige Erfolgsaussicht fehlen, um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auszuschließen.
2. Bei einer höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage (hier: Möglichkeit der Anwendung des SchVG 2009 auf vor dem 5.8.2009 emittierte Wandelanleihen durch mehrheitlichen Opt-in-Beschluss der Gläubigerversammlung) kann ein abweichendes, erstinstanzliches Urteil der Erfolgsaussicht des Sanierungskonzepts selbst dann entgegenstehen, wenn sich der BGH später der Auffassung der Rechtsberater anschließt.

Tatbestand:

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin insolvenzanfechtungsrechtliche Rückgewähransprüche und einen Anspruch auf ordnungsgemäße Rechnungslegung für anwaltliche Dienstleistung geltend.
Die Schuldnerin war die börsennotierte Holding des ehemals größten deutschen, weltweit agierenden Photovoltaikkonzerns. Sie geriet im Jahr 2011 in eine finanzielle Krise. Zwischen ihr und der Beklagten bestand eine Mandatsvereinbarung vom 19.2.2010. Diese Vereinbarung wurde durch die Mandatsvereinbarung vom 31.8.2011 ersetzt. Jedenfalls ab dem letzten Quartal des Jahres 2011 beriet die Beklagte die Schuldnerin im Zusammenhang mit Sanierungsbemühungen.
Für die Sanierungsberatung zahlte die Schuldnerin an die Beklagte in dem Zeitraum vom 15.11.2011 bis zum 2.4.2012 Honorar i. H. v. insgesamt 4.530.807,16 €, das der Kläger im Wege der Insolvenzanfechtung zurückverlangt. Dabei handelte es sich bei der letzten Rechnung um eine Vorschussrechnung. Die Beklagte zahlte am 2.5.2012 unverbrauchten Vorschuss zurück.
Zu den finanziellen Schwierigkeiten der Schuldnerin kam es wie folgt:
Der genannte Photovoltaikkonzern finanzierte sich maßgeblich durch die Emittierung dreier Wandelschuldverschreibungen (WSV). Zwei dieser Wandelschuldverschreibungen begab die 100 %ige Tochtergesellschaft der Schuldnerin, die als reines Finanzvehikel gegründete ABC B.V. mit Sitz in den Niederlanden.
So emittierte die ABC B.V. am 28.2.2007 eine Wandelschuldverschreibung mit fünfjähriger Laufzeit zu einem Gesamtnennbetrag i. H. v. 492,5 Mio. € (WSV 2012), die am 28.2.2012 zur Rückzahlung fällig war, und am 26.5.2009, ebenfalls mit fünfjähriger Laufzeit, zu einem Gesamtbetrag i. H. v. 250 Mio. €, die am 26.5.2014 zur Rückzahlung fällig werden sollte (WSV 2014). Die dritte Wandelschuldverschreibung mit einem Gesamtnennbetrag i. H. v. 129 Mio. € emittierte die Schuldnerin selbst am 21.10.2010 mit ebenfalls fünfjähriger Laufzeit (WSV 2015).
Über die Emissionserlöse aus den beiden erstgenannten Wandelschuldverschreibungen schloss die ABC B.V. einen Darlehensvertrag mit der Schuldnerin, die im Gegenzug gegenüber den Anleihegläubigern eine unmittelbare, unbedingte und unwiderrufliche Garantie für den Rückzahlungsanspruch übernahm. Die Anleihebedingungen der WSV 2014 und WSV 2015 sahen im Falle eines Ausfalls der Gläubiger der WSV 2012 ein sofortiges Kündigungsrecht vor, so dass bei Ausübung dieser Kündigungsrechte mit Ablauf des 28.2.2012 Forderungen i. H. v. insgesamt 580 Mio. € hätten fällig gestellt werden können („cross default“).
Die Schuldnerin setzte den Emissionserlös aus der WSV 2015 dazu ein, die WSV 2012 teilweise zurückzukaufen. Bis Ende 2010 reduzierte die Schuldnerin die Forderungen aus der WSV 2012 hierdurch auf insgesamt 204,5 Mio. €.
Im letzten Quartal des Jahres 2011 zeichnete sich ab, dass die Schuldnerin zum Ausgleich ihrer im Februar 2012 fälligen Verbindlichkeiten aus der WSV 2012 aufgrund des stetigen Preisverfalls in der Solarbranche, Überproduktionen und der asiatischen Konkurrenz voraussichtlich nicht fähig sein würde. In dem Konzernzwischenlagebericht der Schuldnerin zum 30.9.2011 wird ausgeführt, dass sich das „bereits im Halbjahresbericht 2011 erläuterte Risiko, dass die Rückzahlung bzw. Refinanzierung der im Februar 2012 fälligen Wandelanleihen aus freien, liquiden Mitteln nicht möglich sein könnte, weiter erhöht“ hat.
Am 14.11.2011 gab die Schuldnerin eine Ad-hoc-Mitteilung gem. § 15 WpHG heraus: „In Anbetracht der für das operative Geschäft notwendigen Liquidität kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass das Unternehmen die im Februar 2012 fällig werdenden Wandelschuldverschreibungen nicht vollständig wird zurückzahlen können.“ Die Umsetzung des aktualisierten Business-Plans war mit erheblichem Liquiditätsbedarf verbunden, der im Fall einer planmäßigen Tilgung der Anleihen bei gleichzeitig gebotener „Gewährleistung einer nachhaltigen Überlebensfähigkeit“ nicht hätte gedeckt werden können.
Im Geschäftsjahr 2011 verzeichnete die Schuldnerin einen Verlust i. H. v. 717,4 Mio. €. Der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag in der Einzelbilanz der Schuldnerin betrug zum 31.12.2011 192,8 Mio. €. Die mit der Prüfung des Jahresabschlusses 2011 beauftragte X. AG weigerte sich, den Jahresabschluss zum 31.1.2011 zu testieren.
Die Schuldnerin beauftragte im letzten Quartal des Jahres 2011 verschiedene externe Restrukturierungsberater. Die rechtliche Betreuung des Restrukturierungskonzepts übernahm die Beklagte im Rahmen des genannten Mandatsverhältnisses.
Das erarbeitete Restrukturierungskonzept sah u.a. vor, die Gläubiger der WSV zur Stundung der zum 28.2.2012 fälligen Forderungen aus der WSV 2012 zu bewegen und anschließend – vor der Fälligkeit – die Forderungen aller WSV-Gläubiger (WSV 2012, 2014, 2015) in Eigenkapital umzuwandeln (Debt-to-Equity-Swap). Dies setzte die Änderung der Anleihebedingungen voraus, die grundsätzlich nicht durch Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch die Zustimmung jedes einzelnen Anleihegläubigers möglich war, sofern die Anleihe nicht dem am 5.8.2009 in Kraft getretenen „neuen“ SchVG unterlag („SchVG 2009“). Dies war aufgrund des Emissionszeitpunkts nur hinsichtlich der WSV 2015 der Fall. Zudem bedurfte es der Zustimmung der Aktionäre der Schuldnerin zum Kapitalschnitt und der anschließenden Kapitalerhöhung.
Im Rahmen ihrer Beratung vertrat die Beklagte die Auffassung, es sei möglich, durch einen mehrheitlichen sog. Opt-in-Beschluss der Anleihegläubiger nach § 24 Abs. 2 SchVG 2009 auch die WSV 2012 und 2014 dem SchVG 2009 zu unterwerfen.
Am 25.10.2011 beschloss die Gläubigerversammlung der WSV 2012 mit dem nach SchVG 2009 erforderlichen Quorum (= 75 %), dass das SchVG 2009 auf die WSV 2012 Anwendung finden solle und dass die Gläubiger berechtigt sein sollten, durch Mehrheits-ZIP 2015, 1359

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