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Freitag, 28. August 2015

Devisen-Anleger wollen klagen Der 15. Januar ist noch nicht verdaut Am 15. Januar haben Stop-Loss-Aufträge nicht gehalten, was sich manche erhofften. Der Handel sei über Stunden komplett «ausgetrocknet», lautet die Begründung der Banken. Das zweifeln Betroffene an.

Devisen-Anleger wollen klagen
Der 15. Januar ist noch nicht verdaut

Am 15. Januar haben Stop-Loss-Aufträge nicht gehalten, was sich manche erhofften. Der Handel sei über Stunden komplett «ausgetrocknet», lautet die Begründung der Banken. Das zweifeln Betroffene an.

Die Devisen-Investoren lecken ihre Wunden, einige wollen gegen die Banken prozessieren.
Die Devisen-Investoren lecken ihre Wunden, einige wollen gegen die Banken prozessieren. (Bild: Martin Ruetschi / Keystone)
Die Wunden sind nicht verheilt. Während der Franken die Folgen der Aufhebung der Euro-Untergrenze durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) teilweise überwunden hat und die Wirtschaft mit den Auswirkungen zu leben lernt, sitzen Devisen-Anleger auf ihren Verlusten. Ihre Nachschusspflicht beträgt oft ein Vielfaches der hinterlegten Sicherheit. Viele Geschädigte glauben den Begründungen der Banken (siehe Box) nicht. Mehrere Devisen-Anleger haben Klagen gegen Finanzinstitute eingereicht. Sauer aufgestossen ist einigen, dass die Institute bestätigte Abschlüsse rückwirkend noch revidierten.

Zwei Millionen Franken verloren

Seiner Firma seien am 15. Januar 12 Mio. € in Franken mit einem Stop-Loss bei 1.1998 erst nach zwei Stunden mit 1.005 abgerechnet worden, erzählt P. B. An diesem Tag wurde das Ende der Euro-Untergrenze um 10.30 Uhr per Communiqué bekanntgemacht. Nach einem Sturz auf Fr. 0.86 pro Euro pendelte sich der Kurs zwei Stunden später auf Fr. 1.03 ein. P. B. arbeitete früher selbst in einer Devisenabteilung. Etwas vom Ersten, was man in der Ausbildung lerne, sei: Wenn Transaktionen in Fr./€ nicht mehr ausgeführt werden können, kommt man mit einem Umweg über Fr./$ und $/€ auch ans Ziel. Er verlor über 2 Mio. Fr. Die Bank wolle nun Firmengebäude pfänden. P. B. will gegen das Institut Klage einreichen.
Seine eigenen Nachforschungen haben ihn zur Überzeugung gebracht, dass der Devisenhandel in Franken an diesem Tag nie ausgesetzt wurde. Gerade in den ersten Minuten nach Aufhebung der Untergrenze zeigt sich in den Handelsdaten beispielsweise von Reuters ein deutlich erhöhtes Handelsvolumen zu Kursen zwischen Fr. 1.20 und Fr. 1.16 pro Euro. In den ersten acht Minuten wurden gemäss den Daten 2,69 Mrd. € umgesetzt. Das Gleiche gelte auch für die Cross-Rates. An der Börse CME in Chicago wurden in diesem Zeitraum beispielsweise Euro-Franken-Transaktionen mit einem Volumen von 254 Mio. € getätigt. Ein Handel an der CME sei für jede Bank möglich.
Man könne sicher nicht sagen, dass im Franken-Devisenhandel nach dem Entscheid zur Aufhebung der Euro-Untergrenze zwei Stunden nichts gelaufen sei, sagt Thomas Suter von Quaesta Capital, einem Unternehmen, das institutionelle Anleger im Devisengeschäft unterstützt. Es sei aber so gewesen, dass sich aus einem Markt, der normalerweise sehr viele Teilnehmer aufweise, ein grosser Teil verabschiedet habe beziehungsweise für mehrere Stunden nicht mehr aktiv war. Der Dollar zum Franken und andere Währungen in Franken hätten in dieser Zeit die gleichen Bewegungen durchgemacht wie der Euro-Kurs.
Man müsse sich ebenfalls vor Augen führen, dass die Aufwertung einer G5-Währung um 20% bis 30% ein Ereignis sei, das der Markt wohl noch nie erlebt habe. Aussergewöhnliche Kursausschläge seien deshalb keine Überraschung. Er nehme an, sagt Suter, dass alle Banken Interesse daran gehabt hätten, in dieser schwierigen Handelsphase mit ihren Grosskunden in Verbindung zu bleiben, um das Geschäft aufrechtzuerhalten. Da der Währungsmarkt mehrheitlich ausserbörslich abläuft, bedeutet dies in einer solchen Marktsituation aber nicht, dass überall die gleichen Preise gelten. In einem Markt, in dem der Spread normalerweise erst auf der vierten Kommastelle sichtbar wird, wurde am 15. Januar die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufskurs rasch bis auf ein paar Prozentpunkte erhöht. Bei gewissen Anbietern war der Geldkurs höher als bei anderen der Briefkurs.
Der CEO des Devisenhändlers Gain Capital sagte Anfang Februar in einem Interview, an besagtem Tag sei ein Volumen im zweistelligen Millionenbereich oder sogar darüber zu einem Kurs zwischen Fr. 1.16 und Fr. 1.20 abgewickelt worden. Die Handelsstatistik des Konkurrenten FXCM zeigt, dass der Kurs erst 47 Sekunden nach der SNB-Ankündigung unter 1.20 Fr. gefallen ist. Und die Liquidität bei FXCM erst Sekunden später teilweise versiegte. Sekunden seien im Devisenhandel eine Ewigkeit, kommentiert ein Devisenhändler. FXCM gibt denn auch an, in der Kursspanne zwischen Fr. 1.20 und Fr. 1.17 nach der SNB-Ankündigung ein Volumen von 200 Mio. gehandelt zu haben.
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Reale oder kalkulierte Kurse?

Das sind zwei Beispiele von nichtschweizerischen Marktteilnehmern. Ob es sich bei den Kursen, die bei Anbietern wie Bloomberg noch einsehbar sind und der Argumentation der Banken widersprechen, wirklich um gehandelte Kurse oder um kalkulierte handelt, lässt sich nur schwer überprüfen. In gängigen Währungen – und das ist der Franken am Devisenmarkt – werden jedoch in der Regel Bid/Ask-Preise angezeigt, die direkt aus dem Handel von Banken und Brokern stammen, nur bei «Exoten» muss man bei deren Fehlen kalkulierte Kurse publizieren.
In internen Dokumenten einer Schweizer Bank heisst es denn auch über den 15. Januar, dass der Handel «zu keiner Zeit eingestellt war». Im Fachjournal für Risikomanagement «risk.net» berichteten in der März-Ausgabe mehrere Devisenhandels-Gesellschaften, wie sie in der «SNB-Krise» wegen technischer Probleme wieder auf den bewährten Telefonhandel umgestiegen seien. Verschiedene Marktteilnehmer geben in der gleichen Publikation an, dass Citigroup und Deutsche Bank über den gesamten Tag einen Telefonhandel angeboten und den Tag deshalb mit hohen Verlusten beendet hätten.

Nur Investmentbanken zählen

Es gebe im Devisenhandel viele Broker, die für sich in Anspruch nähmen, über Hunderte von Liquiditätsquellen zu verfügen, führt der CEO von Quaesta Capital aus. Am Ende werde die Liquidität jedoch von den grossen Marktteilnehmern, den Investmentbanken, gestellt. Führend im Devisenhandel sind u. a. die amerikanische Citigroup und Deutsche Bank, aber auch UBS und Credit Suisse gehören zu den Top Ten.
Für Kläger dürfte es schwer werden, ihre Behauptungen zu beweisen, denn der Devisenmarkt ist nicht nur der grösste Markt im Finanzsystem, er ist auch am wenigsten reguliert. Der Kassahandel hat ein Tagesvolumen von 2000 Mrd. $, das Gesamtvolumen liegt bei täglich 5300 Mrd. $. Trotz dieser Grösse gilt die Aufsicht als lasch. Es gibt zwar Regeln, diese sind aber kaum durchzusetzen, auch weil die Transaktionen nicht systematisch, geschweige denn zentral, aufgezeichnet werden. Ein Marktteilnehmer vergleicht den Devisenhandel mit einem Eisberg, von dem man den grössten Teil nicht zu Gesicht bekomme.
Der Verdacht, dass es am Devisenmarkt nicht immer mit rechten Dingen zugeht, kommt in regelmässigen Abständen immer wieder auf. So gab die Schweizer Wettbewerbskommission im Frühling bekannt, ihr lägen Hinweise auf Wettbewerbsabsprachen zwecks Manipulation der Wechselkurse durch grosse Marktteilnehmer vor – man darf auf die Untersuchung gespannt sein.

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