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Donnerstag, 8. März 2018

Anleger und Anwälte hoffen auch auf die Hilfe der Bundesregierung: Anwalt Liebscher sagt: „Es gäbe Möglichkeiten, zum Beispiel über das Auswärtige Amt oder das Wirtschaftsministerium


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FrankfurtDie Dinosaurier-Skelette stehen dicht an dicht im Rosenheimer Lokschuppen. Zuschauermassen drängen sich um sie herum und drücken sich an Vitrinen mit Saurierknochen die Nasen platt. In der Mitte des halbrunden Backsteingebäudes ragt das Skelett des „Argentinosaurus“ empor, eine 38 Meter lange Urzeitechse. Genau darauf hat es der Gerichtsvollzieher abgesehen. Er soll auf Geheiß des Anleger-Anwalts bb die Exponate der Wanderausstellung „Dinosaurier – Giganten Argentiniens“ pfänden, die an jenem Apriltag im Jahr 2009 Station im oberbayerischen Rosenheim macht.

nn vertritt 100 deutsche Privatanleger, die bis heute argentinische Staatsanleihen aus den 1990er-Jahren mit einem Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro halten. Nach der Staatspleite im Jahr 2001 stellte das lateinamerikanische Land Zins- und Rückzahlung ein. 2005 folgte eine harte Umschuldung, bei der Investoren auf zwei Drittel ihrer Forderung verzichteten. Doch einige Anleiheinhaber, wie die Mandanten von Anwalt nn, ließen sich auf die Umschuldung nicht ein. Da die Wertpapiere nach deutschem Recht ausgegeben wurden, klagten sie erfolgreich auf Auszahlung. Lange Zeit fühlte sich Argentinien nicht an die Urteile gebunden. nn versuchte immer wieder erfolglos, Staatseigentum zu pfänden. So verhinderte etwa die bayerische Landesregierung in letzter Minute, dass die argentinischen Dinosaurierskelette in die Hände des Gerichtsvollziehers fielen.

Erst mit dem Sieg des konservativen Mauricio Macri bei der argentinischen Präsidentschaftswahl im Jahr 2015 änderte sich die Zahlungsmoral des Landes. Die Regierung einigte sich mit ausländischen Gläubigern, die sich der Umschuldung verweigert hatten, ihnen zwischen 150 und 170 Prozent des Nennwertes der Anleihen zurückzuzahlen. Bei der Einigung wurden auch die jahrelang ausgefallenen Zinszahlungen berücksichtigt. Die meisten Bonds wurden mit über zehn Prozent verzinst. Und so überwies das Land zwischen 2015 und 2016 Milliarden an Gläubiger wie den US-Hedgefonds-Manager Paul Singer, die Anleihen zu Spottpreisen aufgekauft hatten und die Auszahlung gerichtlich erzwingen wollten. Auch viele deutsche Anleger haben inzwischen Geld aus Argentiniens Staatskasse erhalten. Seither feiern die Märkte den Aufschwung im Land: Der Leitindex Merval stieg in den vergangenen zwölf Monaten um über 70 Prozent. Im April stufte die Ratingagentur Standard & Poor‘s Argentiniens Bonität herauf.
Hunderte Millionen in „effektiven Stücken“

Nur nn Mandanten und einige Hundert weitere Anleger haben davon nichts: Sie halten die argentinischen Staatsanleihen noch physisch als sogenannte „effektive Stücke“. Für sie gilt zwar auch das 150-Prozent-Rückzahlungsangebot. Doch Argentinien hat noch keinen Prozess in Aussicht gestellt, wie Anleger dieses Angebot annehmen können. Anleihen mit einem Volumen von 500 Millionen bis zu einer Milliarde Euro sollen nach Schätzungen von Gläubigeranwälten noch ausstehen. Die Anleger stecken in einer juristischen Zwickmühle aus Kapitalmarkt- und Völkerrecht. Von Argentinien fühlen sie sich hingehalten.
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Für Rüdiger Böhm, einen von nn Mandanten, ist es zur lästigen Routine geworden: Er betritt das Arbeitszimmer seines Einfamilienhauses in einem kleinen Ort nahe Braunschweig, nimmt das Telefon in die Hand und tippt die Vorwahl Argentiniens in die Tasten. Dann die Nummer des Finanzministeriums und schließlich die Durchwahl des zuständigen Sachbearbeiters. Alle zwei Wochen ruft Böhm, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, in Argentinien an. Böhm kann kein Spanisch, der argentinische Finanzbeamte spricht nur gebrochen Englisch. Trotzdem klappt die Verständigung, denn Böhm stellt immer dieselbe Frage: „Wann ist es endlich so weit“, fragt er. „Wann bekomme ich mein Geld?“ Der Finanzbeamte antwortete zunächst freundlich, mittlerweile immer ungehaltener: „Ich kann Ihnen keinen konkreten Zeitpunkt nennen.“

Im Jahr 1996 hatte Böhm 440.000 D-Mark (umgerechnet rund 220.000 Euro) in argentinische Staatsanleihen gesteckt und nach der Staatspleite geklagt, auch um die Verjährung seiner Ansprüche zu verhindern. Nun würde er gerne Argentiniens Rückzahlungsangebot annehmen. Dafür müsste er seine Anleihen zu einem Vertreter Argentiniens bringen, der ihm den Empfang quittieren und 150 Prozent des Nennwerts überweisen müsste – etwa 330.000 Euro. Im Gegensatz dazu müsste Böhm auf die Vollstreckung seines Gerichtsurteils verzichten, das ihm 577.000 Euro zusprach. „Aus meiner Sicht wäre das problemlos umsetzbar“, sagt nn. Argentinien müsste nur einige Notare und Treuhänder verpflichten, die den Umtausch abwickeln – Anleihe gegen Vollstreckungstitel, also gegen das Recht zu pfänden. „Aber es heißt: Wir brauchen noch Zeit – wir werden immer wieder vertröstet“, klagt nn. „Die Argentinier bekommen es einfach nicht auf die Reihe“, bestätigt der Berliner Anwalt Marc Liebscher, der ebenfalls Anleger vertritt. Böhm vermutet dahinter jedoch eine Hinhaltetaktik der argentinischen Behörde. „Die lassen uns am ausgestreckten Arm verhungern“, sagt er. Die Wirtschaftsabteilung der argentinischen Botschaft in Berlin ließ eine Handelsblatt-Anfrage unbeantwortet.
Ratlose Anlegerschützer

Betroffen sind ausschließlich Gläubiger mit effektiven Stücken, mit Anleihen in Papierform. „Alle anderen haben ihr Geld bekommen“, sagt nn. Ein Großteil des Ärgers hat auch mit der Klage gegen Argentinien zu tun: Denn um zu beweisen, dass er Gläubiger ist, musste Böhm die wertvollen Papiere im Original im Gerichtssaal vorlegen. Dafür beantragte seine Hausbank die Auslieferung der Anleihe bei der Wertpapier-Verwahranstalt Clearstream, einem Tochterunternehmen der Deutschen Börse. Zurücknehmen will Clearstream die Wertpapiere jedoch nicht mehr, da sie nun mit einem Vollstreckungstitel belegt sind.

Damit tauchen sie nicht mehr im Depot von Böhm auf. „Wenn Clearstream die Anleihen nicht zurücknimmt, sind sie praktisch nicht mehr handelbar“, sagt nn. Selbst Anlegerschützer sind ratlos: „Wir können die Argumentation von Clearstream nicht nachvollziehen“, sagt Thomas Hechtfischer, Chef der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. „Aber wir haben den Versuch aufgegeben, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.“ Clearstream wollte sich auf Anfrage nicht öffentlich äußern.

Anleger und Anwälte hoffen auch auf die Hilfe der Bundesregierung: Anwalt Liebscher sagt: „Es gäbe Möglichkeiten, zum Beispiel über das Auswärtige Amt oder das Wirtschaftsministerium

1 Kommentar:

  1. Ziemlich schlecht informiert , dieser Liebscher.

    Ich zitiere mal aus einem von mehr als 100 Standardantwortschreiben an geschädigte Anleger, die sich seit vielen Jahren mit der bitte um Hilfe in dieser Sache an die deutsche Bundesregierung gewandt haben und dies auch aktuell immer wieder machen:

    "Bei den fraglichen Wertpapieren handelt es sich um ausschliesslich privatrechtliche Beziehungen zwischen den jeweiligen Anlegern und der Rep. Argentinien. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat keine Möglichkeit auf diplomatisch-politischer Ebene in diese privatrechtlichen Beziehungen auf Seiten der Anleger Einfluss zu nehmen."

    Fazit: Dummes Geschwätz eines Anwalts, der hier ganz am Ende der Sache als Trittbrettfahrer mit falschen Versprechungen und Falschinformationen noch ein paar Mandate abgreifen will.

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