Vorsatzanfechtung möglich, wenn Schuldner im Wissen um seine Zahlungsunfähigkeit eine Geldstrafe begleicht
Begleicht der Schuldner im Wissen um seine Zahlungsunfähigkeit eine Geldstrafe, kann die Vorsatzanfechtung durchgreifen, wenn die Strafvollstreckungsbehörde über die ungünstige Vermögenslage des Schuldners unterrichtet ist. Der Benachteiligungswille wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass es dem Schuldner allein darauf angekommen sein mag, mit der Zahlung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zu entgehen.
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Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 19.05.2009 über das Vermögen des Schuldners am 29.05.2009 eröffneten Insolvenzverfahren. Der Schuldner wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom 24.10.2006 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10,- Euro verurteilt. Vor dem Amtsgericht gab der Schuldner an, mit Verbindlichkeiten in Höhe von rund 15.000,- Euro belastet zu sein und Sozialhilfe zu beziehen. Aufgrund der Verurteilung hat der Schuldner einschließlich der Verfahrenskosten 1.682,83 Euro an den beklagten Freistaat zu zahlen. Vereinbarungsgemäß überwies der Schuldner im Zeitraum vom 17.08.2007 bis 17.04.2009 in monatlichen Raten von jeweils 50 Euro einen Betrag von insgesamt 1.050 Euro an den Beklagten. Während dieses Zeitraums bezog der seiner Ehefrau und einem gemeinsamen Kind unterhaltspflichtige Schuldner als Arbeitnehmer einen monatlichen Nettolohn zwischen 1.217,80 Euro und 1.933,37 Euro. Gegen den Schuldner, der bis zum Jahr 2004 selbständig einen Imbissbetrieb führte, erging am 14.03.2005 ein Vollstreckungsbescheid über 2.303,82 Euro und am 14.12.2008 ein Vollstreckungsbescheid über 4.911,68 Euro. Ferner wurde gegen ihn am 14.03.2005 ein Vollstreckungsbescheid über 8.375,38 Euro erwirkt, aus dem nach Verfahrenseröffnung ein Restbetrag von 2.141,01 Euro zur Tabelle angemeldet wurde. Die Betriebskrankenkasse meldete für den Zeitraum vom 01.11.2003 bis 09.01.2004 rückständige Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschlägen und Kosten über 2.632,82 Euro zur Tabelle an. Der Kläger verlangt unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung Erstattung der von dem Schuldner an den Beklagten erbrachten Zahlungen über 1.050,- Euro. Die Vorinstanzen haben dem Begehren stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsanalyse:
Der BGH hat entschieden, dass die Bezahlung einer Geldstrafe der Insolvenzanfechtung unterliegt, wenn - wie hier im Fall - deren tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Der Strafcharakter führe insofern zu keiner Sonderbehandlung. Bezogen auf den konkreten Fall weist der IX. Zivilsenat darauf hin, dass infolge der Zahlungen des Schuldners von insgesamt 1.050,- Euro eine Gläubigerbenachteiligung gem. § 129 Abs. 1 InsO eingetreten ist. Eine Gläubigerbenachteiligung sei eingetreten, weil der Schuldner die angefochtenen Zahlungen aus seinem pfändbaren Arbeitseinkommen erbracht hat. Der Schuldner habe außerdem die Zahlungen mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen (§ 133 Abs. 1 S. 1 InsO). Dies begründet der Senat damit, dass gegen den Schuldner im Zeitpunkt seiner strafgerichtlichen Verurteilung fällige, außerdem teils titulierte Forderungen in Höhe von mindestens 12.139,52 Euro bestanden, die er bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ausgeglichen hat. Aufgrund dieser erheblichen Verbindlichkeiten, die der Schuldner ungeachtet etwaiger Zahlungen zugunsten anderer Gläubiger nicht abzulösen vermochte, habe eine Zahlungseinstellung vorgelegen. Diese Forderungen waren zudem - wie der Schuldner wusste - weiterhin offen, als er die angefochtenen monatlichen Zahlungen an den Beklagten erbrachte, so der BGH weiter. Die in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gewährten Zahlungen waren daher nach Worten des Senats von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners getragen. Ein Benachteiligungsvorsatz scheide auch nicht deshalb aus, weil der Schuldner mit den Zahlungen die Verbüßung der ansonsten unausweichlichen Freiheitsstrafe abzuwenden suchte. Ebenfalls der der Wunsch des Schuldners, durch die Zahlungen seinen bei Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gefährdeten Arbeitsplatz zu erhalten, lasse den Benachteiligungsvorsatz nicht entfallen. Der Senat stellt außerdem klar, dass hier der Beklagte den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners erkannt hat. Denn der zuständige Vollstreckungsrechtspfleger habe infolge der Lektüre des Strafurteils gewusst, dass gegen den als Inhaber eines Imbissbetriebs selbständig tätig gewesenen Schuldner Verbindlichkeiten in Höhe von rund 15.000,- Euro bestanden. Auch habe der Schuldner, weil er zur Zahlung der Geldstrafe in Höhe von 1.000,- Euro außerstande war, um die Gewährung von Ratenzahlung gebeten. Eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, deuten nämlich nach Auffassung des Senats auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind. Der BGH ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Revision des Beklagten keinen Erfolg hat.
Praxishinweis:
Der IX. Zivilsenat des BGH bestätigt mit der vorliegenden Entscheidung seine Rechtsprechung, dass die Zahlung einer Geldstrafe der Insolvenzanfechtung unterliegen kann. Der Strafcharakter rechtfertige insofern keine Sonderbehandlung (BGH, Urteil vom 05.06.2008, IX ZR 17/07; BGH, Urteil vom 14.10.2010, IX ZR 16/10). Daher kann nach Worten des Senats die Vorsatzanfechtung gem. § 133 InsO durchgreifen, wenn der Schuldner im Wissen um seine Zahlungsunfähigkeit eine Geldstrafe begleicht und wenn die Strafvollstreckungsbehörde über die ungünstige Vermögenslage des Schuldners unterrichtet ist.
Urteil des BGH vom 10.07.2014, Az.: IX ZR 280/13
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