Kündigung bei Staatenimmunität des Arbeitgebers
Vor kurzem hatte ich der libyschen Botschaft wegen nicht bezahlten Werklohns meines Mandanten mit Klage gedroht, was ich nach Abschluss des Falls gesondert kommentieren werde. Wenn man gegen eine Botschaft vorgehen will, ist das Problem hierbei, so wie auch im nachfolgenden Fall, die Staatenimmunität.
Ein Arbeitnehmer mit algerischer und deutscher Staatsangehörigkeit verklagte den Staat Algerien, vertreten durch ihre Berliner Botschaft. Er ist auf der Grundlage eines in französischer Sprache verfassten Arbeitsvertrags als Kraftfahrer in der algerischen Botschaft in Berlin angestellt. Der Vertrag sieht für Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten die Zuständigkeit der algerischen Gerichte vor und weist den Kläger der deutschen Sozialversicherung zu.
Mit der Klage wendet sich der Kläger insbesondere gegen eine ordentlichen Kündigung und begehrt Weiterbeschäftigung. Die beklagte Botschaft hält dagegen, dass sie nach den Grundsätzen der Staatenimmunität von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen sei, weil der Kläger hoheitliche Aufgaben erfüllt habe.
Das Bundesarbeitsgericht weist auf § 20 Abs. 2 GVG hin, wonach sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf Personen erstreckt, die gemäß den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Nach dem aus Art. 25 GG folgenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten nicht unterworfen, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Ihre diplomatischen und konsularischen Beziehungen dürfen nicht behindert werden.
Die Abgrenzung die das BAG im einschlägigen Fall zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Staatstätigkeit vorzunehmen hatte, richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck. Maßgebend ist nach der Rechtsprechung die Art der umstrittenen staatlichen Handlung oder des streitigen Rechtsverhältnisses. Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen.
Soweit es -wie hier- um arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten zwischen Botschaftsangestellten und dem betreffendem Staat geht, unterliegen die Parteien der deutschen Gerichtsbarkeit nicht, wenn der Arbeitnehmer für den anderen Staat hoheitlich tätig war. Es kommt dabei nicht auf die rechtliche Form der Rechtsbeziehung (privatrechtlicher Vertrag oder öffentlich-rechtliches Verhältnis), sondern auf den Inhalt der ausgeübten Tätigkeit an. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung der funktionale Zusammenhang zwischen den diplomatischen Aufgaben und der zu beurteilenden Tätigkeit (BAG, Urteil vom 1. Juli 2010 – 2 AZR 270/09).
Das Landesarbeitsgericht habe nach Ansicht des BAG nur im Ansatz zutreffend angenommen, dass die Tätigkeit eines Fahrers, der nicht in den diplomatischen Funktionszusammenhang eingebunden ist, keine hoheitliche Tätigkeit darstellt.
Außer Acht gelassen habe das LAG den Vortrag der Beklagten, der Kläger sei nicht nur als Fahrer, sondern auch als Dolmetscher eingesetzt worden.Trifft die entsprechende Behauptung in einem nennenswerten Umfang zu, so kann der Tätigkeit des Klägers eine andere Funktionalität zukommen als die einer reinen Hilfstätigkeit nichthoheitlicher Prägung.
Auf die Revision des Staates Algerien war das Urteil des LAG aufzuheben und zur weiteren Festellung an das LAG zurückzuverweisen.
Sollte das LAG nach einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis kommen, die Beklagte sei nach den Grundsätzen der Staatenimmunität nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen, wird es auch die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte und, falls es diese bejaht, die Anwendbarkeit deutschen oder algerischen Rechts erneut prüfen müssen.
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kann sich nach Art. 19 Nr. 1, Art. 18 Abs. 2 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) ergeben. Im Fall der Anwendbarkeit, hat das LAG dann zu beachten, dass nach Art. 18 Abs. 2 EuGVVO ein Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer einen individuellen Arbeitsvertrag geschlossen hat und der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz hat (Arbeitgeber mit Wohnsitz in einem Drittstaat), so behandelt wird, als habe er einen Wohnsitz, vorausgesetzt, er unterhält in einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung.
Das BAG merkt an, dasss vom EuGH bislang nicht entschieden wurde, ob als sonstige Niederlassung auch die Botschaft eines Drittstaates -eben wie Algerien- angesehen werden kann. Das BAG jedenfalls hält das für zweifelhaft.
Außerhalb des Geltungsbereichs der EuGVVO richtet sich die internationale Zuständigkeit nach den Regeln über die örtliche Zuständigkeit. Da die Beklagte keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, kann die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung der Zuständigkeit der algerischen Gerichte nach § 38 Abs. 2 ZPO wirksam sein.
Sollte es auf die Frage ankommen, ob hier deutsches oder algerisches Recht anzuwenden ist, sind dem LAG auch für diesen Fall vom BAG Maßgaben zur Beachtung aufgegeben worden.
Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Voraussetzungen einer stillschweigenden Rechtswahl bestimmen sich nicht nach dem gewählten Recht. Vielmehr bestimmt Art. 27 Abs. 1 EGBGB selbst, unter welchen Voraussetzungen von einer stillschweigenden Rechtswahl auszugehen ist. Die Parteien haben keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen, lediglich die Zuständigkeit der algerischen Gerichtsbarkeit. Dies könne ein gewichtiger Hinweis darauf sein, dass auch das materielle Recht Algeriens angewendet werden sollte.
Wenn dem so ist, habe das LAG zu beachten, ob die Wahl des algerischen Rechts den in Art. 30 EGBGB niedergelegten Anforderungen entspricht. Hier müsste nach Maßgabe des BAG in Betracht zu ziehen sein, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht engere Verbindungen zum algerischen Staat als zu Deutschland aufweist.
Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 1. Juli 2010 – 2 AZR 270/09
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