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Dienstag, 23. Dezember 2014

Der deutsche Außenminister warnt vor einem russischen Staatsbankrott. Offenbar sind Europas Politiker davon überrascht, dass ihre Strafaktionen Wirkung zeigen.

Krise in Russland: Auf dem Weg in die Staatspleite

Eine Kolumne von Wolfgang Münchau
Der deutsche Außenminister warnt vor einem russischen Staatsbankrott. Offenbar sind Europas Politiker davon überrascht, dass ihre Strafaktionen Wirkung zeigen.
Ein russischer Staatsbankrott sei im Interesse von niemandem, so sagen es unisono Frank-Walter Steinmeier im SPIEGEL und auch Federica Mogherini, die Hohe Repräsentantin der Europäischen Union für Außenpolitik.
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Ist das wirklich so?
Für die Aussage der beiden Politiker gibt es zwei mögliche Erklärungen, keine von ihnen weckt Vertrauen. Entweder die Europäer meinten es mit denRussland-Sanktionen nicht ernst, als sie sie beschlossen. Oder man unterschätzte die Auswirkungen. Ich vermute, dass hier eine Kombination von beidem vorliegt.
Nicht alle europäischen Außenpolitiker haben die Bedeutung von Finanzsanktionen als Instrument der Außenpolitik vorab so richtig durchdrungen - ein Lernprozess, der gerade vor unseren Augen nachgeholt wird. In Amerika freut man sich, dass die Sanktionen endlich wirken. Bei uns ist man darüber entsetzt.
Mit dem fallenden Ölpreis erreichte Russlands Finanzkrise Mitte Dezember ihren vorläufigen Höhepunkt, als die Zentralbank zur Verteidigung des Wechselkurses die Zinsen von 10,5 auf schwindelerregende 17 Prozent anhob. Der Wechselkurs des Rubels hat sich seitdem etwas stabilisiert und liegt jetzt wieder bei knapp 60 Rubel zum Dollar. Aber die Zinsaktion macht mittelfristig alles nur schlimmer.
Mich erinnerte das an einen ähnlichen Fall im Jahre 1992, als die englische Notenbank die Zinsen von 10 auf 15 Prozent hinaufjagte, um das Pfund im europäischen Wechselkurssystem zu stabilisieren. Das ging daneben. Auch in Russland wird diese Politik nicht funktionieren. Mit einem halbierten Ölpreis und einem derart hohen Zinssatz steuert die russische Wirtschaft in eine tiefe und langanhaltende Rezession. Vor der Währungskrise war die russische Wirtschaft ungefähr so groß wie die von Frankreich. Jetzt spielt sie in der Liga der Niederlande. Und sie bewegt sich in Richtung Griechenland.
Harte Sanktionen der USA
Die Finanzsanktionen des Westens sind für die jetzige Krise nicht direkt verantwortlich, aber sie spielen eine wichtige, indirekte Rolle, die erst in ein oder zwei Jahren offensichtlich werden wird. Präsident Barack Obamahat in der vergangenen Woche ein Gesetz unterzeichnet. Es erlaubt ihm, die US-Sanktionen gegenüber Russland auch gegenüber Dritten geltend zu machen. Das heißt, wenn eine deutsche Firma an Russland etwas liefern würde, was unter die US-Sanktionen fällt, würde die amerikanische Filiale dieser deutschen Firma bestraft.
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Die Banken sind seitdem vorsichtiger geworden. Ich höre von einer Großbank, dass sie mittlerweile jeden Großkreditnehmer daraufhin untersucht, ob er irgendwelche direkten oder indirekten Beziehungen zu Russland unterhält. Selbst wenn es den Steinmeiers und Mogherinis dieser Welt gelingen sollte, die europäischen Sanktionen nächstes Jahr auszuhebeln, hätte das keinen allzu großen Effekt - solange die amerikanischen Sanktionen in Kraft bleiben.
Russland wird im Jahre 2015 nicht bankrottgehen. Aber wenn der Ölpreis auf dem jetzigen geringen Niveau verharrt, dann ist eine Staatspleite in ein paar Jahren wahrscheinlich. Noch hat das Land 400 Milliarden Euro an ausländischen Reserven. Russland hat sich in den guten Jahren einen Puffer zugelegt, der jetzt sehr langsam aber sehr stetig dünner wird.
Russland kann den Sanktionen widerstehen oder dem Verfall des Ölpreises, aber nicht beidem. Die Panik unserer Außenpolitiker zeigt mir: Langsam begreifen sie, was sie taten, als sie die Sanktionen beschlossen.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/rubel-krise-in-russland-wolfgang-muenchau-ueber-drohende-staatspleite-a-1009886.html

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