Macri gewinnt Stichwahl
Argentinien wechselt die Richtung
Der Oppositionelle Mauricio Macri setzt sich in der Stichwahl durch und wird Argentiniens nächster Präsident. Macri hat Stimmen bis weit in den Peronismus hinein geholt.
Die Argentinier haben nach zwölf Jahren unter den Regierungen des Ehepaars Kirchner genug. Am Sonntag haben sie sich für einen Richtungswechsel entschieden und den 56-jährigen Mauricio Macri vom Oppositionsbündnis Cambiemos zu ihrem nächsten Präsidenten gewählt. Die offiziellen Resultatebestätigten die Hochrechnungen des Wahlsonntags und die Umfragen der letzten Wochen. Bei 91 Prozent der ausgezählten Stimmen kam Macri auf 52,1 Prozent der gültigen Stimmen und distanzierte seinen Kontrahenten Daniel Scioli, den Kandidaten der abtretenden Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und deren Frente para la Victoria (FPV), um mehr als vier Prozentpunkte. Rasch waren die Medien sich im Laufe des Abends einig: Macri wird die Wahl gewinnen. Und die anfängliche Zurückhaltung der Anhänger Macris wich zusehends der Euphorie.
Öffnung notwendig
Macri ist Gründer der liberal-konservativen Partei Propuesta Republicana (PRO) und seit 2007 Bürgermeister der Hauptstadt Buenos Aires, was dem Amt eines Gouverneurs entspricht. Der Erfolg in Buenos Aires, seine Unverbrauchtheit sowie seine Fähigkeit, effiziente Equipen zu bilden und zu führen, hatten aus Macri einen kompetitiven Präsidentschaftskandidaten gemacht. Entscheidend für die erfolgreiche Kandidatur war eine Allianz zwischen dem PRO und der traditionellen Oppositionspartei Unión Cívica Radical (UCR), die im Gegensatz zu Macris jungen Partei über eine breite Basis in den Provinzen verfügt.
Macri steht für eine wirtschaftliche Öffnung ein. Er will die Devisenkontrollen möglichst rasch lockern, um der Privatwirtschaft wieder mehr Luft zu verschaffen. Einen Abbau der Sozialprogramme hat Macri ausgeschlossen, jedoch einen Umbau angeregt. Schon vor einigen Tagen gab Macri zu bedenken, dass er im Falle einer Wahl eine enorme wirtschaftliche Unordnung antreffen werde. Scioli und die argentinische Linke warnten vor einem Schock und einem Einbruch der Reallöhne im Falle einer Wahl Macris. Die Angstkampagne hat jedoch nichts genützt.
Kirchners Kontrollwahn
Dass Macri Kirchners Kandidaten derart klar übertrumpfen würde, hätte bis vor kurzem allerdings kaum jemand gedacht in Argentinien. Die Gründe für den Sieg des Oppositionellen sind zahlreich. Argentinien befindet sich zwar nicht in einer dramatischen wirtschaftlichen Krise , doch wächst das Land seit vier Jahren nicht mehr. Die Inflation ist hoch und der Staatshaushalt aus dem Lot. Hinzu kommt der Schuldenstreit mit den amerikanischen Hedge-Funds, der die Wirtschaft vom internationalen Kapitalmarkt praktisch abgeschnitten hat. Die Argentinier scheinen die Notwendigkeit einer Öffnung eingesehen zu haben. Gleichzeitig hat die Administration Kirchner den Staat und seine Institutionen immer weiter aufgebläht und politisiert.
Der Kontrollwahn von Kirchner spiegelte sich gar in der Kandidatur ihres Kandidaten Daniel Scioli. Dieser galt als einigermassen unabhängig von Kirchner, doch die Präsidentin hatte ihm mit Carlos Zannini einen ihrer engsten Vertrauten als Vize ins Boot gesetzt. Scioli schaffte es nicht, sich von Kirchner und damit vom radikalen Flügel des Peronismus so weit zu lösen, dass er breitere Kreise anzusprechen vermochte – insbesondere die kritischen Stimmen innerhalb des Peronismus. Scioli verlor sich irgendwo zwischen der Treue zur Kirchner und einer eigenen Linie.
Auf Peronisten angewiesen
Das klare Resultat zugunsten Macris offenbart, dass der Oppositionelle Stimmen bis weit hinein in den Peronismus geholt hat. Sie kamen im Wesentlichen von den Wählern des oppositionellen Peronisten Sergio Massa, der im ersten Wahlgang mit mehr als 20 Prozent der Stimmen ausgeschieden war. Massa, der einst Kirchners Kabinettschef war und sich später mit der Präsidentin zerstritt, hat mit dem Frente Renovador (FR) einen neuen Flügel innerhalb des Peronismus gebildet. Massas steht Macri politisch ebenso nah wie Scioli, fordert aber Wandel und Alternanz sowie weniger Korruption und Vetternwirtschaft. Der grösste Teil von Massas Wählern taten es ihm gleich und zogen den frischen Nicht-Peronisten einem eingefleischten Peronisten vor.
Tendenzen des Auseinanderdriftens innerhalb des Partido Justicialista, der peronistischen Mutterpartei, hatte es immer wieder gegeben. Massa nicht ernst zu nehmen und sich ihm nicht anzunähern, hat sich nun aus der Sicht Kirchners als fataler Fehler erwiesen. Macri darf diesen nicht begehen. Er ist als neuer Präsident auf die peronistischen Stimmen des FR angewiesen, will er irgendetwas bewegen. Im Parlament hat der FPV zwar die Mehrheit verloren, für Macris PRO und die alliierte UCR reicht es ohne Massas FR jedoch nicht zu Mehrheiten. So betrachtet hat die Stichwahl in Argentinien neben dem künftigen Präsidenten Mauricio Macri mit Sergio Massa auch einen geheimen Sieger innerhalb des Peronismus hervorgebracht. Ob und wie diese Allianz funktioniert, davon wird der Erfolg von Macris Präsidentschaft und die Normalisierung der argentinischen Wirtschaft abhängen.
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