Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Dienstag, 25. März 2014

Sollte es Argentinien indes gelingen, den Rechtsstreit bis zum Ende des Jahres 2014 hinauszuziehen, würde sich seine Verhandlungsposition deutlich verbessern. Denn dann läuft eine Klausel der Umschuldungsverträge aus, die Argentinien verpflichtet, bei einer Nachbesserung seines Angebots gegenüber einem Gläubiger auch alle anderen Gläubiger entsprechend besserzustellen. Nach Verfall dieser Klausel könnte Argentinien Einzelverhandlungen mit den Umschuldungsverweigerern führen, ohne Rückwirkungen auf die bereits umgeschuldeten Anleihen befürchten zu müssen.

SüdamerikaArgentinische Anleihen zwischen Panik und Gier

  ·  Weil Devisenreserven knapp werden, versucht die argentinische Regierung, sich dem internationalen Kapitalmarkt zu nähern. Gegenüber klagenden Gläubigern wie Hedgefonds spielt sie jedoch auf Zeit.
© APVergrößernDie Devisenreserven der argentinischen Nationalbank schmelzen dahin
Die Besitzer argentinischer Staatsanleihen haben in den vergangenen Monaten ein Wechselbad der Gefühle durchlebt. Auf hohe Devisenabflüsse und die drastische Abwertung des Pesos um 23 Prozent im Januar hatten die Kurse mit starken Verlusten reagiert. Ebenso kräftig erholten sich die Notierungen in den vergangenen Wochen, als es der Zentralbank gelang, die Währung zu stabilisieren, während die Regierung positive Signale an ausländische Gläubiger sandte.
Der Kurs der im Jahr 2038 fällig werdenden Euroanleihe Argentiniens erholte sich seit Anfang Februar um 19 Prozent, nachdem er von Mitte Dezember bis Ende Januar ebenso stark eingebrochen war. Der Markt bewege sich „zwischen Panik und Gier“, kommentierte die argentinische Zeitung „Clarín“. Derzeit habe die Gier die Oberhand. Immerhin liegen die Renditen argentinischer Dollar- und Euroanleihen bei 11 Prozent.
Neuer Held der City von Buenos Aires ist der seit November amtierende Zentralbankchef Juan Carlos Fábrega. Dem erfahrenen Bankfachmann ohne Universitätsstudium ist es gelungen, den Verfall des Pesokurses zu stoppen. Mit einer Verdoppelung der Zinsen auf etwa 30 Prozent schöpfte die Zentralbank signifikant Liquidität ab. Gleichzeitig erließ sie Vorschriften, die Geschäftsbanken dazu zwingen, ihre Devisenpositionen abzubauen. Während die Banken Dollar auf den Markt werfen mussten, wurden Pesos knapp. Der Wechselkurs stabilisierte sich zwischen 7,8 und 8 Pesos je Dollar.

Finanziell dünnes Eis

Die grundlegenden Probleme der argentinischen Wirtschaft sind damit freilich nicht gelöst. Ökonomen sehen nun Wirtschaftsminister Axel Kicillof in der Pflicht, für eine Eindämmung der Staatsausgaben zu sorgen. Argentiniens Staatsdefizit erreichte 2013 mit 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts den höchsten Stand seit dem Staatsbankrott im Jahr 2002. In anderen Ländern wäre es kein Problem, einen Fehlbetrag dieser Größenordnung durch Kreditaufnahme zu finanzieren. Doch Argentinien hat nach der Pleite vor zwölf Jahren den Zugang zum internationalen Kapitalmarkt bis heute nicht zurückerlangt. Das laufende Defizit wird darum überwiegend durch die Notenpresse finanziert. Fällig werdende Fremdwährungsschulden begleicht die Regierung aus den Devisenreserven der Zentralbank. Und die sind in letzter Zeit knapp geworden. Allein in den vergangenen zwei Jahren hat die Notenbank die Hälfte ihrer Reserven verloren.
Wie unterschiedlich die Einschätzungen der Perspektiven für argentinische Anleihen derzeit sind, zeigte sich in der vergangenen Woche. Da stufte die Ratingagentur Moody’s die Bonität von argentinischen Staatsanleihen noch tiefer auf Ramschniveau herab. Gleichzeitig empfahl die Bank of America, argentinische Anleihen zu kaufen. Moody’s begründete die Herabstufung Argentiniens von „B3“ auf „Caa1“ mit dem rapiden Schwund der Devisenreserven sowie mit einer „inkonsistenten“ und „nicht nachhaltigen“ Wirtschaftspolitik der Regierung.
Bis zum Ende der Amtszeit von Staatspräsidentin Cristina Kirchner im Dezember des Jahres 2015 müsse die argentinische Regierung Fremdwährungszahlungen in Höhe von 20 Milliarden Dollar aufbringen. Dem stünden Reserven von nur noch 27,5 Milliarden gegenüber. Die Monetarisierung des Staatsdefizits treibe die in den Vorjahren bei 25 Prozent eingenistete Inflation zusätzlich an, während die restriktive Zinspolitik der Zentralbank das Wirtschaftswachstum belaste. „Es gibt wenig Spielraum, und das Risiko einer Krise ist groß“, sagte Moody’s-Analyst Gabriel Torres.

Annäherung an frühere Feinde

Die Bank of America sieht dagegen Unterstützung für Argentiniens Anleihekurse durch die gerade angelaufene Sojaernte, für die ein Rekordvolumen mit entsprechend hohen Exporteinnahmen erwartet wird. Zudem habe Argentiniens Regierung in jüngster Zeit eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um sich der internationalen Gemeinschaft wieder anzunähern, schreibt die Bank. So beglich die Regierung Zahlungsrückstände aus Urteilen eines Weltbankschiedsgerichts. Dem spanischen Ölkonzern Repsol sagte sie eine Entschädigung von 5 Milliarden Dollar für die im Jahr 2012 erfolgte Verstaatlichung der Ölgesellschaft YPF zu.
Überdies kommen Verhandlungen mit Deutschland und anderen Ländern des Pariser Clubs in Gang, bei denen Argentinien seit dem Jahr 2002 mit unbezahlten Schulden von inzwischen rund 9,5 Milliarden Dollar in der Kreide steht. Auch die Beziehungen zum Internationalen Währungsfonds (IWF) haben den Gefrierpunkt überwunden. Zwar verweigert Argentinien bisher weiterhin jegliche Beaufsichtigung durch den Internationalen Währungsfonds, dessen Auflagen die Regierung für frühere Krisen des Landes verantwortlich macht. Mit der jüngsten Veröffentlichung eines neuen Preisindex, der die bislang als zu niedrig geltenden amtlichen Inflationsdaten bereinigen soll, hat Argentinien indes eine Kernforderung des IWF bereits erfüllt.
Die größte Hürde für eine Rückkehr Argentiniens an den internationalen Kapitalmarkt ist nach Einschätzung der Bank Goldman Sachs allerdings der Rechtsstreit mit jenen Altgläubigern, die bei den Umschuldungen argentinischer Staatsanleihen in den Jahren 2005 und 2010 einen Schuldenschnitt um mehr als zwei Drittel der Forderungen abgelehnt hatten. Ein Gericht in New York hatte Argentinien im Jahr 2012 dazu verurteilt, zwei Hedgefonds den vollen Nominalwert zuzüglich aufgelaufener Zinsen in Gesamthöhe von 1,3 Milliarden Dollar zu zahlen.
Gleichzeitig verpflichtete Richter Thomas Griesa die mit der Abwicklung von Argentiniens Schuldenzahlungen beauftragten Banken, zunächst die Ansprüche der Umschuldungsverweigerer zu begleichen, bevor sie Zahlungen an andere Gläubiger leisten. Argentinien lehnt dies ab und hat nach einer Niederlage bei einem Berufungsgericht in dieser Sache nun den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten angerufen. Sofern Argentinien den Rechtsstreit definitiv verliert und bei seiner Zahlungsverweigerung gegenüber den Hedgefonds bleibt, droht zumindest ein „technischer“ Zahlungsausfall, selbst wenn Argentinien versuchen sollte, die umgeschuldeten Anleihen durch Zahlungen in Buenos Aires zu bedienen.
Vor allem diese Gefahr sei dafür verantwortlich, dass Argentiniens Kreditausfallrisiko am Markt heute höher eingeschätzt wird als das von Venezuela oder der Ukraine, meint Mauro Roca von Goldman Sachs. Sollte es Argentinien indes gelingen, den Rechtsstreit bis zum Ende des Jahres 2014 hinauszuziehen, würde sich seine Verhandlungsposition deutlich verbessern. Denn dann läuft eine Klausel der Umschuldungsverträge aus, die Argentinien verpflichtet, bei einer Nachbesserung seines Angebots gegenüber einem Gläubiger auch alle anderen Gläubiger entsprechend besserzustellen. Nach Verfall dieser Klausel könnte Argentinien Einzelverhandlungen mit den Umschuldungsverweigerern führen, ohne Rückwirkungen auf die bereits umgeschuldeten Anleihen befürchten zu müssen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen