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Montag, 17. März 2014

Was ne Klatsche für einen Prof. aus Halle......Herr Tietje, im Abitur hätte das u.U. zu einem Totalausfall geführt....

Das von der Beklagten nunmehr vorgelegte Rechtsgutachten vom 20. August 2013 führt
nicht dazu, dass von der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
abzuweichen ist. Eine völker(gewohnheits)rechtliche Regelung, die der Stattgabe der
Klage entgegensteht, existiert weiterhin nicht. Weder besteht eine entsprechende
Staatenpraxis noch eine opinio iuris, was Voraussetzung für die Entstehung von
Völkergewohnheitsrecht wäre, noch ein entsprechender völkerrechtlicher Vertrag. Etwas
anderes haben auch die Gutachter nicht aufgezeigt. Vielmehr gilt: „Der Gang der Staaten
auf die globalen Finanzmärkte zur Finanzierung ihrer Staatshaushalte hat ... zur Folge,
dass sie sich rechtlich so behandeln lassen müssen wie auch jeder private Schuldner.
Eine schrankenlose einseitige Änderung von Kreditbedingungen durch einen Schuldner ist
ausgeschlossen; dies gilt für Staaten ebenso wie für private Schuldner“ (Tietje, Schnitt mit
Schaden, FAZ. v. 9.2.2012, zitiert nach www.faz.net).
Eine anderweitige völkerrechtliche Regelung folgt zunächst nicht aus einem multilateralen
Übereinkommen über ein Insolvenzrecht für Staaten. Ein solches Übereinkommen unter
Einschluss Argentiniens wurde bislang nicht abgeschlossen. Dies scheiterte am fehlenden
Konsens in der Staatengemeinschaft (ebenso Tietje, Die Argentinien-Krise aus rechtlicher
Tt, 2005, S. 20). Dieser nac£? me vor fehlende Konsens in der Staatengemeinschaft
symbolisiert zugleich, dass es auch m einer opinio iuris fehlt, wie sie Voraussetzung für
die Entstehung von Vö&ergewohnheftsrecht wäre.
Eine entsprechende Regefcffig lässt sich auch nicht dem völkerrechtlichen zwingenden
Recht (ius cogens) entnehmen (vgl. S. 15 des Gutachtens). Zwar hat die
Staatengemeinschaft einschließlich der Bundesrepublik Deutschland ggf. die
VerpfSchfejng, Verstöße gegen das völkerrechtliche ius cogens zu verhindern. Art. 53 der
Wiener Vertragsrechtskonvention enthält hierzu folgende Definition: „Im Sinne dieses
Obefeinkommens ist eine zwingende Norm des allgemeinen Völkerrechts eine Norm, die
von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und
anerkannt wird als eine Norm, von der nicht abgewichen werden darf und die nur durch
eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechte derselben Rechtenatur geändert werden
kann.“ Das ius cogens umfasst namentlich das Vertrat des Völkermordes und des
Sklavenhandels, das Verbot der willkürlichen Tötung sowie das Verbot von Folter und
unmenschlicher Behandlung (vgl. grundlegend zum ius cogens Kadelbach, Zwingendes
Völkerrecht, Berlin 1992).
Die Beklagte hat indes nicht aufgezeigt, dass im Falle einer Stattgabe der Klage ein
Verstoß gegen völkerrechtliches ius cogens droht. Im Übrigen träfen etwaige
Verpflichtungen in erster Linie Argentinien. Selbst wenn ein Verstoß gegen ius cogens in
Betracht käme, hätte die Bundesrepublik einen Handlungsspielraum bei der Frage, in
welcher Weise sie Verstößen gegen das ius cogens begegnen möchte. So könnte die
Bundesrepublik einer etwaigen humanitären Katastrophe in Argentinien (welche von der
Beklagte nicht aufgezeigt wurde) im Wege der Entwicklungshilfe Vorbeugen. Es besteht
keine rechtliche Veranlassung, den Inhabern von Argentinien-Anleihen insoweit ein
Sonderopfer aufzuerlegen.
Soweit sich die Gutachter zur Stützung ihrer Ansicht auf das Konzept der „responsibility to
protect“ berufen, vermag sich der erkennende Richter diesem Argument ebenfalls nicht
anzuschließen. Der Begriff der responsibility to protect (vgl. hierzu grundlegend Verlage,
Responsibility to Protect, Tübingen 2009) erlebte insbesondere dadurch einen
Aufschwung, dass nicht alle Staaten das Rechtsinstitut der sog. humanitären Intervention
(ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats) anerkennen, auf das die militärische Intervention
im Kosovo (1999) gestützt war. Vor diesem Hintergrund wurde nach anderen
völkerrechtlichen Wegen gesucftt um schwerwiegenden humanitären Missständen
abzuhelfen. Beim K o n z il der responsibility to protect geht es vor allem darum,
Völkermord, Kriegsverbrechern ethnische Säuberung und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit zu unterbinden. Eine Übertragung auf die Verpflichtung Argentiniens, seine
Staatsanleihen zuröckzuzahlen, würde das Konzept der responsibility to protect
überdehnen.
Soweit die Gutachter zur Begründung ihrer Ansicht auf Investitionsschutzverträge
abstellen, überzeugt dies ebenfalls nicht. Der Zweck von Investitionsschutzverträgen liegt
vor allem darin, Investoren zu schützen, indem man ihnen das Recht einräumt, im Falle
einer Enteignung ihres Eigentums den verantwortlichen Staat vor einem internationalen
Schiedsgericht zu verklagen. Die Rechte der Investoren werden durch
Investitionsschutzverträge gestärkt (ebenso TieQe, Die Argentinien-Krise aus rechtlicher
Seht, 2005, S. 15). Würde man annehmen, dass sich daraus eine Verpflichtung von
Anleihegläubigern herieiten fieße, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten, würden
die Rechte der Investoren nicht gestärkt, sondern geschwächt. Der Zweck eines
Investitionsschutzvertrages würde in sein Gegenteil verkehrt.
Soweit das Gutachten darauf verweist, in der EU seien gemäß Art. 12 Abs. 3 des
Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus „collective action clauses“
vorgesehen, fährt dies ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Da Argentinien nicht
Mitglied der EU ist, ist Argentinien durch diese Regelungen rechtlich nicht betroffen (vgl.
die Wiener Vertragsrechtskonvention). Aus der zunehmenden Verbreitung von collective
action clauses lässt sich ebenfalls kein Rückschluss auf eine völkerrechtliche
Verpflichtung zur Verwendung solcher Klauseln herleiten. Zunächst erscheint es fraglich,
ob die Verbreitung der entsprechenden Klauseln wirklich so umfassend ist wie von den
Gutachtern angenommen wird (a.A. jedenfalls Tietje, FAZ. vom 9.2.2012: „nur an
vereinzelten Börsenplätzen“). Ungeachtet dessen kann aus der zunehmenden
Verwendung allenfalls ein Schluss darauf gezogen werden, dass die Verwendung
völkerrechtlich zulässig ist, nicht aber darauf, dass sie völkerrechtlich verpflichtend ist. Es
hätte Argentinien freigestanden, ebenfalls solche Klauseln zu verwenden, wovon es
jedoch Abstand genommen hatte.
Auch die weiteren Ausführungen im Gutachten überzeugen nicht. So verweist das
Gutachten zur Begründung des angenommenen Völkergewohnheitsrechts auf beigefügte
isolidated Principies an Pwmoür»g Responsible Sovereign Lending and Borrowing“. 
Doch stellt dieses Dokument in der Einleitung klar, dass die im Dokument erwähnten 
Prinzipien lediglich zur Diskussion gestellt werden sollen („these principies are still open 
for discussion“). Es handelt sich um ein Dokument ohne rechtskonstituierende Bedeutung.
Das Rechtsgutachten ist dadurch gekennzeichnet, dass es ohne Berücksichtigung 
völkerrechtlicher Gegenargumente darauf ausgerichtet ist, ein bestimmtes Ergebnis zu 
begründen. Zu diesem Zweck werden völkerrechtliche Argumente aus anders gelagerten 
Zusammenhängen entnommen, in ihrer Aussagekraft teilweise in das Gegenteil verkehrt 
und zur vermeintlichen Stützung des postulierten Ergebnisses herangezogen. Auch die 
weiteren Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 17.12.2013 ändern daran 
nichts. Zugleich sind damit die Voraussetzungen für eine Vorlage an das 
Bundesverfassungsgericht nicht gegeben.

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