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Montag, 22. Dezember 2014

Debatte um Gestalt der quantitativen Lockerung Staatsanleihenkäufe nur eine Frage der Zeit

Debatte um Gestalt der quantitativen Lockerung

Staatsanleihenkäufe nur eine Frage der Zeit

Ankäufe von Staatsanleihen durch die EZB sehen die Märkte nur noch als eine Frage der Zeit. Offen ist aber deren Gestalt, da die Wirkungskanäle der quantitativen Lockerung unklar sind.
Der Fall des Rubels und die Krise der Wirtschaft Russlands in den vergangenen Wochen haben die Unklarheit über die weitere Entwicklung der Geldpolitik in der Euro-Zone ein wenig in den Hintergrund gerückt. Allerdings ist der Markt überzeugt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) schon bald ein Programm der Käufe von Staatsanleihen starten werde. Analytiker vermuten, dass diese quantitative Lockerung (QE) bereits in den Kursen eingepreist sei. Ein Verzicht auf umfangreiche Anleihenkäufe könnte deshalb zu Marktturbulenzen und zu einem Ausverkauf führen, der vor allem Obligationen peripherer Euro-Staaten treffen und zu deutlich höheren Kapitalmarktzinsen führen würde.

Widerstand der Bundesbank

Widerstand gegen Käufe von Staatsanleihen durch die EZB geht vor allem von Bundesbankpräsident Jens Weidmann aus. Er sieht keinen dringenden Handlungsbedarf, da die niedrige Inflation in der Euro-Zone, die sogar unter Null fallen könne, zu einem grossen Teil auf den Einbruch des Erdölpreises um mehr als 40% seit Jahresanfang zurückzuführen sei. Dies stelle keine gefährliche Deflation mit einer Abwärtsspirale durch Sekundareffekte dar. Die EZB dürfe sich nicht durch die Märkte unter Druck setzen lassen, die übersteigerte Erwartungen an die Wirkung von Anleihekäufen hätten. Selbst für eine bescheidene Wirkung auf die Inflationsraten müssten die Käufe erhebliche Volumina erreichen. Es bestehe auch die Gefahr, dass umfangreiche Käufe als Solvenzgarantie für hoch verschuldete Euro-Länder missverstanden werden. Dies würde den Druck von den Regierungen nehmen, Reformen durchzuführen, die Haushalte zu sanieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern sowie, so lässt sich ergänzen, die hohe Bewertung der Kapitalmärkte peripherer Euro-Staaten verschärfen und strauchelnde Banken über Wasser halten.
In Marktkreisen wird vielfach davon ausgegangen, dass Weidmann zwar gewichtige ökonomische Gründe einschliesslich der Gefahr einer unerlaubten Staatsfinanzierung für seinen Widerstand gegen Käufe von Staatsanleihen habe, er sich aber gegen politische Argumente nicht werde durchsetzen können. Selbst in Deutschland habe, auf der politischen Ebene, der bisher intensive Widerstand nachgelassen. Kommentatoren meinen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel den geringen Rückhalt erkannt habe, den der deutsche Standpunkt zu QE international geniesse. Sie sehe es als zunehmend kontraproduktiv und taktisch unklug an, eine Politik als falsch zu deklarieren und sich gegen sie zu lehnen, die auf Dauer nicht zu verhindern sei. Die bessere Taktik, die auch Finanzminister Wolfgang Schäuble vertrete, sei deshalb zu versuchen, die Parameter der Lockerung zu beeinflussen – durch Begrenzung ihres Ausmasses und Beschränkung auf Papiere mit hoher Bonität.
Das Ringen geht folglich nicht mehr um die Frage, ob Anleihenkäufe durchgeführt werden sollen, sondern um deren konkrete Gestalt. Geldpolitisch am einfachsten vertreten liessen sich die Käufe von Staatstiteln, wenn sie dem Verhältnis der Kapitalanteile der einzelnen Länder an der EZB entsprechen; allerdings könnte die EZB gerade bei Ländern mit geringer Verschuldung rasch zu einem führenden Gläubiger werden. Die Käufe anteilig an der Höhe der ausstehenden Schulden auszurichten, würde dieses Problem vermeiden, aber hochverschuldete Länder begünstigen und ein falsches Signal aussenden. Eine Begrenzung der Käufe auf hohe Bonität würde die Risiken für die EZB minimieren, aber den Druck auf Länder mit Anleihen mit geringer Bonität verschärfen – und damit auf deren Banken, die einen grossen Teil dieser Papiere halten. Sollen bei neuen Rettungsaktionen die im Portfolio der EZB liegenden Papiere geschützt bleiben – was diese Vorstösse umso wirkungsloser machen würde, je höher der Anteil der EZB geworden ist –, oder müssen auch die EZB oder die einzelnen Mitgliedländer und in welchem Schlüssel Verluste tragen?

Unklare Transmissionskanäle

Obwohl die Märkte Anleihenkäufe nur noch als eine Frage der Zeit ansehen, bestehen bei Marktanalytikern Zweifel an die ihrer Wirksamkeit. Sie weisen auf die grosse Ungewissheit über die Transmissionskanäle einer breiten quantitativen Lockerung hin. Stephen Lewis von ADM Investor Services ist vom Argument, der wirtschaftliche Aufschwung der USA und Grossbritanniens sei auf die durch QE bewirkte Senkung der langfristigen Zinsen zurückzuführen, nicht überzeugt; bisher sei die Existenz dieses Effekts nicht überzeugend nachgewiesen worden – und immerhin seien in der Euro-Zone die langfristigen Zinsen nominal und real niedriger als in den USA. Laut Jonathan Loynes von Capital Economics könne QE die Euro-Wirtschaft am ehesten über den Wechselkurs beeinflussen – bei Käufen von Aktiva in Fremdwährung (was Draghi ausschliesst), sondern auch, wenn Anleger das bei Verkäufen erhaltene Kapital in anderen Währungen reinvestieren. Und Cullen Roche von Orcam Financial sieht als Hauptproblem, dass QE letztlich nur ein Swap privat gehaltener Aktiva und somit wirkungslos sei – auch für die Kreditvergabe durch Banken.

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