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Freitag, 22. Mai 2015

Die Bankrotterklärung der griechischen SteuerpolitikBlamage für Griechenlands Regierung: Seit 2010 besitzt Athen eine Liste aus der Schweiz, auf der Daten vieler griechischer Steuersünder stehen. Doch von 2062 Namen wurden erst 49 geprüft.

Die Bankrotterklärung der griechischen Steuerpolitik

Blamage für Griechenlands Regierung: Seit 2010 besitzt Athen eine Liste aus der Schweiz, auf der Daten vieler griechischer Steuersünder stehen. Doch von 2062 Namen wurden erst 49 geprüft.
Von Redakteur Innenpolitik
Martin Greive
2009 rutscht Steuerhinterziehern auf der ganzen Welt das Herz in die Hose. Aus der Schweizer Niederlassung der internationalen Großbank HSBC sickern Dokumente durch, die Hinweise auf mögliche Steuerverstecke reicher Kunden geben. Die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde gibt 2010 die Unterlagen an internationale Amtskollegen weiter – unter anderem an ihren griechischen Kollegen.
Die sogenannte Lagarde-Liste ist gerade für das klamme Griechenland Gold wert, stehen doch auf den Dokumenten auch viele griechische Steuersünder. Doch fünf Jahre nach Übergabe der Liste ist immer noch so gut wie nichts passiert. Von 2062 Fällen auf der "Lagarde-Liste" seien bislang lediglich 49 geprüft und eine Steuerschuld von gerade einmal 31,3 Millionen Euro festgestellt worden, räumt der griechische Finanzminister Janis Varoufakis in einem Brief an den SPD-Finanzpolitiker Joachim Poß nun ein.
Auch wenn sie nicht allein dafür verantwortlich ist, sind die Zahlen gerade für die neue griechische Regierung eine Blamage. Denn Griechenlands Premier Alexis Tsipras hatte bei Amtsübernahme zu Jahresbeginn großspurig eine Offensive gegen Steuerhinterziehung versprochen.
"Wir sind die Ersten, die Steuerflucht und Steuerhinterziehung in großem Stil stoppen wollen", erklärte er. Schätzungen zufolge entgehen dem griechischen Fiskus durch Steuerhinterziehung 30 bis 40 Milliarden Euro im Jahr – das wären rund 55 bis 70 Prozent der jährlichen Steuereinnahmen.

Griechenlands Steuerverwaltung scheitert auf ganzer Linie

Würde es der griechischen Regierung gelingen, zumindest einen Teil dieses Geldes einzutreiben, wären viele Probleme des Landes mit einem Schlag gelöst. Doch den ambitionierten Ankündigungen der griechischen Regierung sind bislang kaum Taten gefolgt. Das Schreiben von Varoufakis sei ein "Dokument des Scheiterns der griechischen Politik", erklärt SPD-Politiker Poß.
Poß hält die bisherige Steuerpolitik der linken Syriza-Regierung für "skandalös". So hat Tsipras Steuersündern eine Steuerstundungsmöglichkeit eingeräumt. Im Gegensatz zum Vorschlag der konservativen Samaras-Regierung hat das Linksbündnis Syriza dabei keine Obergrenze bei der Steuerstundungsregelung vorgesehen.
Dadurch werden Superreiche und Oligarchen unvertretbar geschont, findet Poß. "Das ist die Fortsetzung der jahrzehntelangen Vetternwirtschaft, des Klientelismus und der Korruption, durch die Griechenland erst in diese Situation gekommen ist", schimpft Poß. "Das ist auch ein Schlag ins Gesicht der Syriza-Wähler, denen eine gerechte Besteuerung versprochen wurde."

Nicht mehr als eine Willensbekundung

Varoufakis versucht in dem Schreiben, die schlechte Bilanz mit zahlreichen Versprechen zu verschleiern. Die zuständige Dienststelle setze "die gründlichen Prüfungen auf die intensivste Art und Weise fort, die unter Berücksichtigung des Mangels an Prüfungspersonal möglich ist", schreibt Griechenlands Finanzminister.
Allerdings hat die Bundesregierung bereits mehrfach Griechenland angeboten, deutsche Steuerbeamte zur Unterstützung nach Athen zu schicken. Von der Möglichkeit hat die griechische Regierung aber bisher kaum Gebrauch gemacht.
Zudem habe die griechische Regierung deutlich gemacht, "dass sie über den politischen Willen verfügt, die Steuerhinterziehung auf allen Ebenen und insbesondere die Steuerhinterziehung seitens der Vermögenden zu bekämpfen", schreibt Varoufakis weiter. Allerdings agiert die neue griechische Regierung auch hier zaghaft, wie das geplante Steuerabkommen mit Schweiz zeigt.

80 Milliarden Euro griechisches Vermögen in der Schweiz

Viele Griechen mögen die Schweiz nicht nur wegen der Berge, sondern auch wegen der anonymen Bankschließfächer. Der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider von der Universität Linz schätzt, dass rund 10.000 griechische Steuersünder in den vergangenen Jahren ihr Geld in die Schweiz gebracht hätten.
Schätzungen zufolge sollen in der Schweiz bis zu 80 Milliarden Euro an griechischem Vermögen lagern. Rund zwei Drittel davon sollen Schwarzgeld sein. Ein Steuerabkommen mit der Schweiz könnte Griechenland rund zehn bis 15 Milliarden Euro bringen, sagt der Ökonom.
Der Abschluss eines Steuerabkommens wäre also die schnellste und effizienteste Maßnahme, an Geld zu kommen. Bereits 2012 sollte es eine Steuerabkommen zwischen Griechenland und der Schweiz geben. Doch obwohl die Schweiz Anfang 2014 nochmals der damaligen griechischen Regierung ihre Gesprächsbereitschaft signalisierte, ist bis heute kein Abkommen zustande gekommen.

Athen zögerlich bei Steuerabkommen mit der Schweiz

Erst ging die Samaras-Regierung lange nicht auf das Angebot ein. Und auch die Syriza-Regierung nahm erst zwei Monate nach Amtsübernahme Gespräche mit der Schweiz auf. Die dauern bis heute an, teilte ein Sprecher des Schweizer Finanzministeriums der "Welt" mit.
Derzeit prüfe die griechische Regierung die Einrichtung einer Selbstanzeige, wie es sie auch in Deutschland oder Frankreich gibt. Wenn die Prüfung abgeschlossen sei, sei ein schneller Abschluss der Gespräche möglich, hieß es aus dem Schweizer Finanzministerium.
In Deutschland hat es in den vergangenen Jahren eine Flut von Selbstanzeigen gegeben, nachdem Finanzverwaltungen Steuer-CDs mit Steuersündern gekauft hatten und seitdem klar ist, dass künftig automatisch Steuerdaten zwischen Ländern ausgetauscht werden sollen. Die Selbstanzeigen spülten dem deutschen Fiskus Milliarden in die Kasse. Geld, das Griechenland auch gut gebrauchen könnte.

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