Grexit-Fantasie lässt Gelddrucker-Aktie explodieren
Die Aktie einer kleinen Papierfabrik aus Kanada macht plötzlich einen Sprung um 40 Prozent – und die halbe Finanzwelt spielt verrückt. Das Gerücht: Dahinter könnte ein Großauftrag aus Athen stecken.
Die Spekulationen um einen Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone treiben immer seltsamere Blüten. Da reicht es, wenn der Kurs einer kleinen kanadischen Papierfabrik in Bewegung gerät, und schon spielt die halbe Finanzwelt verrückt. Dahinter könne ein Großauftrag aus Athen stehen, Papier für neue Geldscheine, wurde getuschelt, Athen bereite heimlich eine Parallelwährung oder die Rückkehr zur Drachme vor. Dementi? Die müssen doch alles abstreiten!
Die Firma heißt Fortress Paper und ist eine relativ kleine Papiermühle mit Sitz in Vancouver. Anfang Mai wurde die Aktie plötzlich aus ihrer jahrelangen Agonie gerissen. Ohne erkennbaren Grund machte der Kurs an der Börse Torontos einen Sprung um 40 Prozent.
Am 7. Mai hatte die Firma zwar ihre Quartalsergebnisse veröffentlicht, doch die waren alles andere als gut und keineswegs dazu angetan, die Notierungen vor Freude hüpfen zu lassen. Statt eines kleinen Gewinns, wie von Analysten erwartet, hatte Fortress Paper zwischen Januar und März 2,5 Millionen Kanada-Dollar Verlust gemacht.
Letzter Ausweg Parallelwährung?
Als die Notierungen trotzdem stiegen, wurde schnell ein Großauftrag aus Hellas als Grund gemutmaßt. Genaues wusste zwar niemand, doch das änderte nichts. Bei der Einführung einer neuen Währung ist Geheimhaltung das A und O. Geschürt wurde die Rallye durch den einflussreichen US-Finanzblogger Zerohedge: Am 12. Mai erinnerte der auf seiner viel besuchten Seite daran, dass Grexit-Erwägungen Fortress Paper schon einmal zum Fliegen gebracht hätten, nämlich 2012 auf dem Höhepunkt der großen Euro-Verunsicherung.
Bei Twitter und Facebook verbreiteten sich die Mutmaßungen in Windeseile. Der Kursaufschwung setzte sich selbst dann fort, als das Unternehmen ausdrücklich dementierte, einen Auftrag aus Athen erhalten zu haben.
Der Grund für die neuerlichen Spekulationen ist die überaus prekäre Finanzlage des Euro-Landes. Finanziell steht Griechenland mit dem Rücken zur Wand, schon in zwei Wochen könnten der Regierung die Mittel ausgehen.
Als letzten Ausweg sehen viele Ökonomen daher die Einführung einer Parallelwährung, mit der Athen die Staatsbediensteten bezahlt. Zu den Befürwortern eines solchen Konzepts gehört zum Beispiel Thomas Mayer, der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Mayer war Ende April in die griechische Hauptstadt gereist, um Premier Alexis Tsipras eine solche Lösung vorzuschlagen.
Fortress ist hoch verschuldet
Athen hat jedoch stets bestritten, einen Austritt aus dem Euro auch nur in Erwägung zu ziehen. Auch von Plänen für eine Parallelwährung könne keine Rede sein. Dabei könnte Fortress Paper neue Kundschaft augenscheinlich gut gebrauchen. Die Geschäftsentwicklung lässt schon seit einiger Zeit zu wünschen übrig. Die Aktie wurde in den vergangenen Jahren meist zwischen zwei und drei Kanada-Dollar gehandelt, stand 2011 allerdings auch schon mal bei 60 Dollar.
Griechenland und Fortress Paper haben auch sonst einiges gemeinsam: Beide sind im Verhältnis zu ihren Einnahmen hoch verschuldet. Die kanadische Papierfabrik weist eine Nettoverschuldung von 202 Millionen Kanada-Dollar aus, das entspricht 148 Millionen Euro, und das bei einem Börsenwert von nur 55 Millionen Kanada-Dollar (40 Millionen Euro). Beim kleinen Handelsvolumen der Aktie können kleine Gerüchte große Kursausschläge nach sich ziehen.
Doch auch hier gilt: Wenn Athen nicht liefert – in dem Fall den Auftrag für Spezialpapier – kommt über kurz oder lang das böse Erwachen.
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