Griechenlands KriseAnleger setzen auf eine Lösung im Schuldenstreit
An den Finanzmärkten steigt die Zuversicht, dass sich Griechenland mit den Geldgebern einig wird. Experten verhandeln das ganze Wochenende in Brüssel. Eurogruppenchef Dijsselbloem macht Druck.
01.05.2015
Die neue Verhandlungsrunde zwischen der griechischen Regierung und den Geldgebern macht Anleger an den Kapitalmärkten wieder optimistischer, dass beide Seiten zeitnah wenigstens eine grundsätzliche Lösung im Schuldenstreit hinbekommen könnten. Seit seinem Zweijahrestief vor knapp zwei Wochen hat sich der ASE-Leitindex an der Athener Börse deutlich erholt - der griechische Aktienmarkt schnitt im vergangenen Monat schließlich sogar besser ab als die übrigen westeuropäischen Börsen. Auch an den Staatsanleihemärkten sind - wenngleich dort nahezu kein Handel stattfindet und jede Bewegung mit großer Vorsicht zu interpretieren ist - die Kurse gestiegen und die Renditen merklich zurückgegangen.
„Die Tatsache, dass die politischen Neuigkeiten besser aussehen, ist der Grund für den Anstieg der Aktienkurse“, sagte Michael Michaelides, Anlagestratege der Royal Bank of Scotland in London. „Wir denken, es wird eine Einigung geben.“
Vertreter der griechischen Linksregierung verhandeln derzeit in Brüssel wieder mit Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds. Diese Gespräche sollen bis zum Sonntag andauern und zumindest aus der Spitze der griechischen Regierung wurde die Erwartung verbreitet, dass dann vielleicht eine erste Übereinkunft erzielt ist.
Tsipras zieht Verhandlungen an sich
Positiv zu den Gesprächen äußerten sich Vertreter der Geldgeber wie der österreichische Finanzminister Hans-Jörg Schelling und der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. „Ich bin zuversichtlich, dass es einen gemeinsamen Willen gibt und dass insbesondere die griechische Regierung willens ist, zu einer Lösung zu kommen“, sagte Macron in Rom. Der Chef der Eurogruppe, der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, mahnte indes die Athener Führung zur Eile. Sie solle weniger Zeit mit Interviews verbringen und mehr tun, um das hoch verschuldete Land vor dem Abgrund zu bewahren, sagte er nach einem Gespräch mit niederländischen Abgeordneten. Er räumte dabei auch ein, dass die Eurogruppe nicht nur auf ein Verhandlungsergebnis vorbereitet ist. „Ist die Eurozone auf verschiedene Möglichkeiten vorbereitet? Die Antwort darauf heißt ja“, wird er zitiert. Ob darunter auch ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion (“Grexit“) ist, sagte er nicht.
In Verhandlungskreisen hieß es an diesem Freitag, angesichts des technischen Charakters der Gespräche lasse sich wenig zu deren Erfolgsaussichten sagen. Als positiv wurde gewertet, dass die knapp 20 Personen umfassende griechische Delegation personell neu aufgestellt sei und inhaltlich kompetent sein dürfte. Erstmals habe die griechische Seite auch nicht nur unverbindliche Listen, sondern belastbare Zahlen vorgelegt. Außerdem werde erstmals über konkrete Inhalte, etwa über die Privatisierungsvorhaben und über Renten- und Arbeitsmarktreformen verhandelt.
Der griechische Regierungschef Tsipras, dessen Rückhalt in der Bevölkerung inzwischen bröckelt auch weil mehr als 70 Prozent der Griechen den Euro auf jeden Fall behalten wollen, hatte zu Beginn der Woche wichtige Posten neu besetzt. Der neue griechische Verhandlungsführer Giorgos Houliarakis genießt unter den Gläubigervertretern aufgrund seiner Erfahrung aus früheren Gesprächen mit der Troika Vertrauen. Zugleich bedeuten die Personalien, dass Tispras die Verhandlungen stärker an sich zieht - und der umstrittene Finanzminister Giannis Varoufakis entgegen seiner eigenen Auffassung an Einfluss eingebüßt hat.
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Ebenfalls eher positiv aufgenommen wurde im Ausland und an den Finanzmärkten die von Tsipras in den Raum gestellte Möglichkeit einer Volksabstimmung über den künftigen Kurs. Dies scheint ein Mittel zu sein, mittels dessen er den linksradikalen Teil seiner eigenen Partei auf Kurs bringen könnte - nach neuen Umfragen wollen die Griechen nämlich nicht nur den Euro behalten, sondern haben auch langsam die Nase voll vom Konfrontationskurs gegenüber den Gläubigern; sie sind durchaus zu Zugeständnissen bereit.
Derweil muss Griechenland angeblich nicht fürchten, von wichtigen Rating-Agenturen als „zahlungsunfähig“ eingestuft zu werden selbst wenn es Schulden gegenüber dem IWF von einer Milliarde Euro im Mai und gegenüber der EZB von fast sieben Milliarden Euro im Juli und August nicht fristgerecht tilgen sollte. Das will die Nachrichtenagentur Reuters von Standard & Poor’s (S&P), Fitch und DBRS erfahren haben.
Der Grund: Griechenland schulde das Geld dem öffentlichen Sektor und somit würden weder IWF noch EZB als Standard-Gläubiger gelten. Für Griechenland ist das womöglich wichtig, um weiter an Notkredite für die heimischen Banken zu kommen. Sogenannte ELA-Notkredite sind derzeit eine wichtige Stütze für die griechischen Banken. Sollte Griechenland von den Agenturen jedoch als zahlungsunfähig eingestuft werden, wäre auch dieser Weg versperrt.
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