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Mittwoch, 1. Juli 2015

Zahlungsverzug Athens gegenüber dem IMF In schlechter Gesellschaft Athen hat die am Dienstag fällig gewordene Rückzahlung von 1,5 Mrd. Euro nicht überwiesen. Für den Umgang mit säumigen Schuldnern gibt es beim Währungsfonds etablierte Prozeduren.

Zahlungsverzug Athens gegenüber dem IMF
In schlechter Gesellschaft

Athen hat die am Dienstag fällig gewordene Rückzahlung von 1,5 Mrd. Euro nicht überwiesen. Für den Umgang mit säumigen Schuldnern gibt es beim Währungsfonds etablierte Prozeduren.
  • von Martin Lanz, Washington
Griechenland vor dem Zahlungsverzug gegenüber dem IMF.
Griechenland vor dem Zahlungsverzug gegenüber dem IMF. (Bild: Alkis Konstantinidis / Reuters)
Der Internationale Währungsfonds (IMF) hat am Dienstag die Bewegungen auf seinen Finanztransaktionskonten aufmerksamer als sonst verfolgt. Nach den Entwicklungen vom Wochenende, dem Auslaufen des europäischen Teils des griechischen Kreditprogramms und unmissverständlichen Äusserungen aus Athen überwog die Erwartung, dass Griechenland die fällig gewordene Rückzahlung von 1,232 Mrd. Sonderziehungsrechten (SZR; Währungs- und Recheneinheit des IMF) oder umgerechnet 1,55 Mrd. € nicht leisten würde. Am Abend kam dann die Bestätigung: Die Zahlung sei nicht eingegangen, hiess es vom Währungsfonds. Der IMF-Exekutivrat sei entsprechend informiert worden.

IMF als bevorzugter Gläubiger

Am Mittwoch dürfte das Gremium zusammenkommen, um über den Umgang mit dem Zahlungsverzug Griechenlands zu beraten. Allerdings hat der IMF ein bewährtes Dispositiv für solche Fälle, und säumige Schuldner sind in der Geschichte des Fonds keine Seltenheit. Die unmittelbaren finanziellen Folgen für die Institution bleiben vorerst überschaubar. Laut der Mitteilung des Fonds von Dienstagabend ist am Dienstag auch noch ein Antrag Athens auf Erstreckung der Frist für die Rückzahlung der 1,5 Mrd. € eingegangen. Der Exekutivrat dürfte dieses Gesuch ebenfalls am Mittwoch behandeln.
Tatsache ist, dass sich Griechenland ab Mittwoch 1. Juli gegenüber dem IMF «in arrears» befindet. Das kommt nicht einer offiziellen Erklärung des Bankrotts oder der Insolvenz des griechischen Staats gleich, sondern heisst eigentlich nur, dass das Land mit seinen Zahlungen an den IMF im Verzug ist.
Weil der Währungsfonds im internationalen Finanzsystem aber als bevorzugter Gläubiger («preferred creditor status») behandelt wird und Schuldnerländer in der Regel unter allen Umständen versuchen, ihren Verpflichtungen gegenüber dem IMF nachzukommen, wird ein solcher Verzug als allgemeine Zahlungsunfähigkeit eines Staates interpretiert. Im Prinzip steht aber allen anderen Gläubigern frei, wie sie griechische Schulden behandeln wollen, auch wenn nun der Zahlungsverzug gegenüber dem IMF feststeht.

Schrittweise Eskalation

Befindet sich ein IMF-Mitglied «in arrears», verliert es das Recht, Finanzhilfen des IMF zu beanspruchen bzw. zu beantragen, solange es seine aufgelaufenen Schulden nicht bezahlt und keinen Reformwillen demonstriert. Anders als der europäische Teil der Finanzhilfe an Griechenland läuft die Kreditvereinbarung mit dem IMF noch bis Frühling 2016. Weil Athen seinen Reformverpflichtungen seit längerem nicht mehr nachgekommen war, hat Griechenland aber schon seit mehr als einem Jahr kein neues Geld mehr vom IMF bekommen. Mit dem Zahlungsverzug ist das Programm nun definitiv sistiert.
Der Anspruch auf andere Dienstleistungen des IMF wie technische Hilfe und wirtschaftspolitische Beratung bleibt vorerst bestehen. Ziel ist ja, die Zahlungsfähigkeit des Landes wiederherzustellen, wozu beispielsweise technische Hilfe zur Verbesserung der Steuerverwaltung einen wichtigen Beitrag leisten kann. Zu diesem Zweck wird der IMF auch seine Vertretung in Athen aufrechterhalten, wie Griechenland auch weiterhin Einsitz im Exekutivrat nimmt und seine Stimmrechte behält.
Erst allmählich und wenn der IMF-Exekutivrat feststellt, dass das Mitglied nicht kooperiert, würden die Rechte eingeschränkt. Hier besteht grosser Ermessensspielraum. Am Ende des Prozesses für den Umgang mit säumigen Staaten kann dann aber gar der Ausschluss des Landes aus dem IMF stehen. Dazu ist es offenbar erst einmal gekommen, als die damalige Tschechoslowakei 1954 ihren Verpflichtungen gegenüber dem IMF nicht nachkam.
Selbst «Schurkenstaaten» oder kriegsversehrte Länder, die über viele Jahre ihre IMF-Schulden nicht bedienten, haben bis jetzt kein solches Schicksal erlitten. Im Zweifelsfall soll ein Minimum an Dialog aufrechterhalten werden, um dem Land wieder auf die Beine zu helfen, lautet die Devise.
Ein Zahlungsverzug ist aber mit Kosten verbunden. Dem IMF entsteht ein Einnahmenausfall, der zu decken ist. Und für den Fall des Zahlungsausfalls müssen Reserven gebildet werden. Beides wird über einen Lastenteilungsmechanismus, wobei Gläubiger- wie Schuldner-Mitglieder des IMF gleichmässig belangt werden, erfolgen. Ein Zahlungsverzug Griechenlands schadet also nicht dem IMF per se, sondern allen seinen Mitgliedstaaten.

Weitere Fälligkeiten

Auch wenn der IMF Erfahrung hat mit säumigen Kreditnehmern: Der Zahlungsverzug eines Landes wie Griechenland ist ungewöhnlich. Per Ende Mai bestanden vonseiten Somalias, des Sudans und Simbabwes «arrears» von 1,3 Mrd. SZR. Dieser Betrag wird nun mit einem Schlag verdoppelt. Und schon am 13. Juli wird die nächste Rückzahlung Griechenlands von 360 Mio. SZR fällig; bis zum Jahresende sind es weitere 2,8 Mrd. SZR. Griechenland schuldet dem IMF insgesamt 16,9 Mrd. SZR.
Ein Metzger im zentralen Athener Fleischmarkt informiert sich über den Stand der Dinge (30. Juni).
An einem Stand des Athener Fischmarkts warten die Angestellten auf Kundschaft (30. Juni).
Auf dem Syntagma-Platz verschaffen sich am Dienstagabend die Gegner des Reformpakets Gehör (29. Juni).
Nach einem turbulenten Wochenende, das die überraschende Ankündigung eines Referendums und den anschliessenden Abbruch der Gespräche mit den internationalen «Institutionen» brachte, geht das Leben in Griechenland trotz grosser Unsicherheit weiter. Alle Bilder anzeigen

http://www.nzz.ch/wirtschaft/in-schlechter-gesellschaft-1.18571996?extcid=Newsletter_01072015_Top-News_am_Morgen

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