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RUSSLAND-SANKTIONEN"Schmuggelware muss vernichtet werden"

Der Deutsche Stefan Dürr führt Russlands größten Milchkonzern. Vor einem Jahr riet er Wladimir Putin, sich gegen die Sanktionen der EU zu wehren. Und heute? Ein Gespräch VON FELIX ROHRBECK
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Wirtschaft, Russland-Sanktionen, Russland, Sanktion, Lebensmittel, Europäische Union, Unternehmen
Ein Wochenmarkt in der südrussischen Stadt Stavropol  |  © Reuters
DIE ZEIT: Herr Dürr, vor etwas mehr als einem Jahr hat die EU weitreichende Sanktionen gegen Russland beschlossen. Kurz darauf haben Sie mir erzählt, dass Sie Präsident Wladimir Putin in einem persönlichen Gespräch zu Gegensanktionen geraten haben. Bereuen Sie das?
Stefan Dürr: Nein. Ich würde ihm auch rückblickend noch denselben Ratschlag geben.
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Dürr: Aber das liegt doch nicht an den Gegensanktionen! Im Gegenteil: Das Importverbot für westliche Lebensmittel hilft der russischen Agrarwirtschaft. Vor Kurzem hatte ich Besuch von einem der Chefeinkäufer der Metro für Russland. Früher war es für heimische Hersteller extrem schwierig, in das Sortiment der Metro aufgenommen zu werden. Es gab Einstiegsgebühren, und die Ware wurde oft erst nach acht oder zwölf Wochen bezahlt. Inzwischen aber sucht die Metro händeringend nach russischen Lieferanten. Sie ist sogar bereit, die Entwicklung von neuen Produkten vorzufinanzieren.
ZEIT: In der vergangenen Woche hat Putin angeordnet, beschlagnahmte Lebensmittel aus dem Westen zu vernichten. Das Fernsehen hat Bilder von Krematorien gezeigt, in denen Schweinefleisch verbrannt wurde. Macht das Sinn?
STEFAN DÜRR
Stefan Dürr
ist Chef von Ekoniva, dem größten Milchproduzenten Russlands mit 200.000 Hektar Land und 50.000 Kühen
Dürr: Solche Bilder wirken natürlich martialisch. Und mir als Landwirt tut es immer weh, wenn Nahrungsmittel vernichtet werden. Aber bisher war es doch so: Die Schmuggler westlicher Lebensmittel nach Russland haben es erst an einer Grenze versucht; wenn das nicht geklappt hat, sind sie mit der Ware zurückgefahren und haben es dann an einer anderen Grenze wieder probiert. Insofern finde ich die Entscheidung nachvollziehbar. Schmuggelware muss vernichtet werden. Wenn man ein Importverbot hat, muss es auch eingehalten werden.
ZEIT: Die Lebensmittelpreise sind im vergangenen Jahr durch das Importverbot deutlich gestiegen.
Dürr: Ja, zum Teil, aber das renkt sich gerade wieder ein. Durch den Wegfall der Importkonkurrenz verdienen die russischen Bauern gut und investieren in neue Technik und neue Strukturen. Dadurch werden sie effizienter und können günstiger produzieren.
ZEIT: Das klingt, als gäbe es keine Probleme.
Dürr: Doch, die gibt es. Gerade bei Käse oder Quark greifen zunehmend Produzenten zu billigen Zutaten wie Palmöl, um teures Milchfett zu ersetzen – ohne das immer zu kennzeichnen. Insgesamt aber geht es voran. Was sich innerhalb eines Jahres in der russischen Landwirtschaft getan hat, hätte ich vorher nicht für möglich gehalten. Früher waren die russischen Bauern meist reine Rohstofflieferanten. Mittlerweile produzieren sie nicht nur mehr, sie verarbeiten die Produkte auch weiter. Mein eigenes Unternehmen Ekoniva etwa verkauft nicht mehr nur Rohmilch, sondern auch Produkte wie Joghurt, Quark oder Butter. Wir erschließen also ganz neue Bereiche der Wertschöpfung.
ZEIT: Ihr Unternehmen Ekoniva, der größte Milchproduzent Russlands, hat also von dem Importverbot profitiert?
Dürr: Ja, auch weil die Milchpreise dadurch weniger stark gesunken sind als anderswo auf der Welt. Aber die Vorteile durch die Gegensanktionen wiegen in meinem Fall die Nachteile der Sanktionen nicht auf. Die Finanzierungskosten sind stark gestiegen. Für einen meiner Kredite bei der staatlichen Sberbank bezahle ich 29 Prozent Zinsen. Das ist vor allem eine Folge der Finanzsanktionen. Durch sie haben die russischen Staatsbanken keinen Zugang mehr zu westlichen Kapitalmärkten. Das treibt die Zinsen in die Höhe und trifft damit die gesamte russische Wirtschaft.
Dieser Artikel stammt aus der ZEIT Nr. 33 vom 13.08.2015.
Dieser Artikel stammt aus der ZEIT Nr. 33 vom 13.08.2015.  |  Die aktuelle ZEIT können Sie am Kiosk oder hier erwerben.
ZEIT: Hat Sie die Verlängerung der Sanktionen gegen Russland überrascht?
Dürr: Sie hat mich enttäuscht. Vor allem aber mache ich mir große Sorgen um die Folgen. Ich fürchte jeden Tag, dass die Russen ganz offiziell in die Ukraine einmarschieren.
ZEIT: Wieso das?
Dürr: Die Russen haben das Gefühl, dass sie dem Westen im Ukrainekonfliktweit entgegengekommen sind. Putin hat nicht nur das Friedensabkommen von Minsk unterschrieben. Er hat sich auch weitgehend daran gehalten, so sieht man es zumindest in Russland. Dafür haben die Menschen eine Belohnung erwartet: ein Ende der Sanktionen oder zumindest eine Abschwächung. Durch die Verlängerung hat der Westen die Hardliner in Russland gestärkt. Die sagen: Schaut her, der ganze Eiertanz mit dem Westen hat uns nichts genützt. Dann können wir auch einmarschieren und Fakten schaffen!