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Freitag, 7. August 2015

Steuerstreit mit Deutschland «Druck auf Schweizer Banken ist gesetzeswidrig» Deutsche Staatsanwälte fordern von Dutzenden Schweizer Banken Informationen zum grenzüberschreitenden Geschäft mit deutschen Kunden. Die gewählte Art der direkten Kontaktaufnahme ist nicht rechtens.

Steuerstreit mit Deutschland
«Druck auf Schweizer Banken ist gesetzeswidrig»

Deutsche Staatsanwälte fordern von Dutzenden Schweizer Banken Informationen zum grenzüberschreitenden Geschäft mit deutschen Kunden. Die gewählte Art der direkten Kontaktaufnahme ist nicht rechtens.
Der Druck deutscher Staatsanwälte auf Schweizer Banken seien unbewilligte Amtshandlungen.
Der Druck deutscher Staatsanwälte auf Schweizer Banken seien unbewilligte Amtshandlungen. (Bild: Alessandro Della Bella / Keystone)
Wie in der NZZ zu lesen war, setzen Exponenten der deutschen Steuerfahndung seit Wochen Schweizer Banken mit Telefonanrufen unter Druck. LautPresseberichten wird dabei versucht, die Institute mit der Drohkulisse einer Eröffnung von Steuerstrafverfahren in Deutschland zur Herausgabe von Datenmaterial rund um das grenzüberschreitende Bankgeschäft mit deutschen Kunden zu bewegen. Zudem sollen einige Schweizer Bankangestellte schriftlich darüber informiert worden sein, dass sie in Deutschland Gegenstand von Untersuchungen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung sind.

Klare Amtshandlungen

Die geschilderten Handlungen sind ihrer Natur und Bestimmung nach eindeutig als Amtshandlungen zu qualifizieren. Denn es geht hier um das Beschaffen von Informationen und Unterlagen mit dem Zweck, sie in einem laufenden Steuerstrafverfahren in Deutschland zu verwenden.
Um welche Informationen es im Einzelnen geht und welcher Detaillierungsgrad der Informationen gewünscht wird, ist dabei nebensächlich. Nicht von Belang ist zudem, dass offenbar keine direkten Auskünfte über Tatsachen gewünscht werden, die dem Bankgeheimnis unterstellt sind, wie etwa Kundennamen. Amtshandlungen sind solche, die ganz allgemein einen amtlichen Charakter aufweisen, indem sie von einer Behörde ausgehen und ihr Zweck in der Förderung eines staatlichen Verfahrens besteht. Dies ist vorliegend eindeutig der Fall. Es gehört zum juristischen Handwerkszeug jeder Behörde, dass sie sich in den von ihr geführten Verfahren die Frage stellt, ob sie neben der sachlichen auch über eine örtliche Zuständigkeit verfügt, um von einem Bürger eine Auskunft überhaupt erfragen zu dürfen.
Im vorliegenden Fall handelt es sich nun um einen Personenkreis, der sich im Ausland befindet und somit nicht dem deutschen Recht unterstellt ist. Dabei ist es egal, ob es sich um natürliche oder juristische Personen handelt. Es darf als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass es jedem Staat untersagt ist, auf dem Gebiet eines anderen Staates ohne völkerrechtliche Einwilligung des sogenannt ersuchten Staates hoheitlich tätig zu werden. Die deutschen Steuerbehörden wissen genau, dass sich die Schweiz in ständiger Praxis, sei es auf dem Gebiet der Strafrechtshilfe oder der Amtshilfe in Fiskalangelegenheiten, gegen jede unmittelbare Sammlung von Beweismitteln bei in der Schweiz domizilierten Personen und Gesellschaften zur Wehr setzt.

Souveränität wird verletzt

Je nach Art der Prozedur kommen in einem gemeinrechtlichen Strafverfahren die Regeln der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen zum Zug. Hat das Verfahren aber in erster Linie einen fiskalischen Hintergrund, gilt es dagegen die Regeln der internationalen Amtshilfe in Steuersachen zu beachten.
Schriftliche Auskunftsersuchen sind auf der Rechtshilfe- oder auf der Amtshilfeschiene an die dafür zuständigen Schweizer Behörden zu richten. Als vorrangige Anlaufstellen für Rechtshilfefragen ist das Bundesamt für Justiz und für Auskünfte zur Steuerkooperation die Eidgenössische Steuerverwaltung zu nennen. Diese werden dann entscheiden, ob dem Ersuchen stattgegeben werden kann oder nicht oder allenfalls unter welchen Auflagen.
Was die Frage der direkten Zustellung von Verfahrensdokumenten an Parteien in der Schweiz betrifft, ist festzuhalten, dass diese sowohl im Rechtshilfe- als auch im Amtshilfebereich wegen ihres fiskalischen Hintergrundes und wegen Fehlens einer staatsvertraglichen Grundlage ausgeschlossen sind. In der gemeinrechtlichen Rechtshilfe gibt es eine rechtliche Grundlage, dass man jemanden direkt ein Verfahrensdokument zustellen kann, nicht aber im fiskalischen Bereich.

Bern muss handeln

Wird gegen diese Grundsätze verstossen, ist es nun die Pflicht der Schweizer Regierung, den grossen Nachbarn auf die Einhaltung der sich aus dem völkerrechtlichen Souveränitätsrecht ergebenden Rechtslage hinzuweisen. Ob sich der Bundesrat dafür einer Demarche über die schweizerische Botschaft in Berlin bedient oder den deutschen Botschafter in das EDA zitiert, ist ihm zu überlassen.
Was hingegen sicher nicht geht, ist, einfach zur Tagesordnung überzugehen und verschämt zu schweigen oder, wie die Untätigkeit im Amtsdeutsch so schön umschrieben wird, «die Problematik aufmerksam zu verfolgen». Wenn die Schweiz in der Causa mit Deutschland nicht reagiert, werden andere Staaten dem gleichen Muster folgen und sich ebenfalls nicht um die hiesige Rechtslage kümmern. Sie haben ja ein aktuelles Präjudiz. Schliesslich muss die Schweiz auch nicht gleich mit der Türe ins Haus fallen und mit einem Strafverfahren wegen Verletzung von Artikel 271 StGB, der ohne Bewilligung erfolgte Handlungen für einen fremden Staat unter Strafe stellt, aufwarten. Dafür wäre dann noch genügend Raum, wenn die Erklärung der Rechtslage keine Wirkung zeigen würde.
Rudolf Wyss, Rechtsanwalt in Olten, war bis Ende 2011 stv. Direktor des Bundesamtes für Justiz und leitete viele Jahre den Direktionsbereich internationale Rechtshilfe.

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