ZinswendeDer Eurokurs wird auffallend schwach
Zum Dollar ist die europäische Währung immer weniger wert. Die Zinswende in Amerika wirft schon jetzt ihre Schatten voraus.
05.08.2015, von CHRISTIAN SIEDENBIEDEL UND MARKUS FRÜHAUF
Die Aussicht auf eine Zinserhöhung in den Vereinigten Staaten schwächt zunehmend den Wechselkurs des Euros gegenüber dem Dollar. Am Mittwoch knüpfte die Kursentwicklung zunächst an die Verluste des Vorabends an, bevor es eine leichte Gegenbewegung gab. In der Nacht zum Mittwoch war der Eurokurs auf ein Zweiwochentief von 1,0851 Dollar gefallen. Analysten rechnen damit, dass in absehbarer Zeit neue Tiefstände erreicht werden könnten. „Der Euro wird seinen letzten Tiefstand von 1,05 Dollar wieder testen“, sagte Thomas Flury, Devisenmarktexperte der Schweizer Großbank UBS. Zwischenzeitlich könne die Parität erreicht werden, also ein Wechselkurs von eins zu eins. „Über die nächsten Jahre sehen wir den Wechselkurs des Euro zum Dollar allerdings eher bei 1,20.“ Der schwache Euro sei dabei im Augenblick in erster Linie eine Folge der Stärke des Dollar, meinte Thu Lan Nguyen, Devisenexpertin der Commerzbank. „Die Stimmung gegenüber dem Euro ist nicht so schlecht.“
Autor: Christian Siedenbiedel, Redakteur in der Wirtschaft. Autor: Markus Frühauf, Redakteur in der Wirtschaft.
Erstaunlicherweise konnte der Euro von der Entspannung der Krise in Griechenland in den vergangenen Wochen kaum profitieren - im Gegenteil. Griechenland habe die Märkte ohnehin „weitgehend kalt gelassen“, deutet das Christian Apelt, Devisenmarktexperte der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). UBS-Experte Flury geht sogar noch einen Schritt weiter: Er meint, die Entspannung in Griechenland habe dem Dollar genützt. Und zwar, weil es Ängste gegeben habe, die Weltwirtschaft und damit auch die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten könnte leiden, wenn die Griechenland-krise eskaliert und das Land womöglich den Euro verlassen muss.
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In dem Fall hätte die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) womöglich die Zinserhöhung verschoben. Je ruhiger es um Griechenland werde, desto unwahrscheinlicher sei die Verschiebung der Zinserhöhung. Fed-ChefinJanet Yellen hatte zuletzt bekräftigt, es werde einen ersten Zinsschritt noch in diesem Jahr geben. „Die Entschärfung der Griechenlandkrise hat also dem Dollar genützt, nicht dem Euro“, sagte Devisenmarktexperte Flury.
Ob die erste Leitzinserhöhung der Fed seit der Finanzkrise schon im September kommt, darüber Aufschluss erwarten die Marktteilnehmer vom Arbeitsmarktbericht für Juli, den die amerikanische Regierung am Freitag veröffentlichen wird. Doch die Erwartung einer baldigen Zinswende erhielt am Mittwoch einen Dämpfer. Nach einem Bericht der privaten amerikanischen Arbeitsagentur ADP wurden im zurückliegenden Monat 185 000 neue Jobs geschaffen. Analysten hatten aber mit einem Plus von 215 000 gerechnet. Den jüngsten Kursrutsch des Euros am Mittwoch führen die Devisenfachleute in den Banken auf Aussagen des amerikanischen Notenbankers Dennis Lockhart zurück. Der Präsident der Atlanta-Fed hatte sich am Dienstag für eine Zinserhöhung schon im September ausgesprochen, sollte sich die Wirtschaft nicht deutlich verschlechtern. Dies belastete auch die Aktienkurse an der Wall Street, die am Dienstag leichter den Handel beendet hatten. Doch am Mittwoch betonte Fed-Gouverneur Jerome Powell, dass die Fed zunächst die Wirtschaftsdaten prüfen werde, bevor eine Zinsanhebung im September in Frage komme.
Britisches Pfund entwickelte sich stark
Sollte sich die Beschäftigung aber gebessert haben, dürfte der Zinswende nichts mehr im Wege stehen. Jedoch wird die Fed-Präsidentin Janet Yellen auch auf die jüngste Entwicklung in China achten müssen. Denn die dramatischen Kursverluste an den dortigen Aktienmärkten können sich auch auf die Konjunktur niederschlagen, was auch das Wachstum in Amerika bremsen kann. Der Preisverfall bei den Rohstoffen kann ein erstes Indiz für eine nun wieder aufflammende Konjunkturskepsis sein.
Unter den übrigen großen Währungen hat sich vor allem das britische Pfund in letzter Zeit stark entwickelt. Ein Euro kostete am Mittwoch 0,70 britische Pfund. Hintergrund sind Spekulationen, wann die Bank of England die Zinsen anheben wird. „Im Augenblick sieht es so aus, als ob der erste Zinsschritt Anfang nächsten Jahres erfolgen könnte“, sagt Apelt von der Helaba. Zwar hatte es zwischenzeitlich Spekulationen gegeben, die Briten könnten womöglich die Ersten in der Reihe der großen Notenbanken sein, die von der lockeren zu einer restriktiven Geldpolitik übergehen. „Im Moment scheint es allerdings äußerst unwahrscheinlich dass die Bank of England noch vor der Fed die Zinsen anheben wird“, sagte Apelt.
Umstritten ist unter Ökonomen, ob die Zinserhöhung in Amerika, wenn sie denn kommt, noch einmal zu einer Stärkung des Dollar führen wird - oder ob das bereits eingepreist ist und man vielmehr mit einer Gegenbewegung zu rechnen hat, wenn es tatsächlich soweit ist. Bei der Helaba glaubt man an die Regel „buy the rumor, sell the fact“ - „kauf das Gerücht, verkauf’ die Fakten“. Das würde dafür sprechen, dass es mit der Zinswende, wenn sie kommt, Gewinnmitnahmen von Dollar-Investoren gibt und der Dollar dann zumindest nicht weiter gewinnt.
Tendenziell schwächer hatten zuletzt die sogenannten Rohstoff-Währungen tendiert
Bei der UBS sieht man hingegen noch Spielraum für einen kurzfristigen weiteren Anstieg des Dollarkurses. „Derzeit ist eine Zinserhöhung der Fed irgendwann in diesem Jahr eingepreist, da bleibt eine gewisse Unsicherheit“, sagte Devisenmarktexperte Flury. „Wenn die Zinserhöhung schon im September kommt, dürfte der Dollarkurs nochmal steigen - und auch, wenn die Fed Andeutungen über die Folgeschritte der künftigen Geldpolitik macht: Wo werden die Zinsen Ende 2016 stehen?“
Tendenziell schwächer hatten zuletzt die sogenannten Rohstoff-Währungen tendiert. „Die norwegische Krone, der kanadische Dollar und der australische Dollar haben unter dem Verfall der Rohstoffpreise gelitten“, sagte Devisenexperte Apelt.
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