Aufrüstung in AsienWettrennen unter Wasser
In den vergangenen Jahren hat China eine beachtliche U-Boot-Flotte aufgebaut. Aus Furcht ziehen nun viele südostasiatische Länder nach und rüsten ihre Seestreitkräfte ebenfalls auf.
03.12.2014, von TILL FÄHNDERS, SINGAPUR
Es sei lediglich eine Hypothese, sagte jüngst ein ehemaliger französischer General. Unrealistisch ist seine Theorie zu Chinas Territorialansprüchen im Südchinesischen Meer indessen nicht. Ein Grund, weshalb China ein paar unscheinbare Eilande so wichtig seien, dass es ihretwegen sogar einen befreundeten Nachbarn wie Vietnam düpiere, könne sein, dass es aus strategischen Gründen eine freie Passage für seine Schiffe und insbesondere seine U-Boote benötige, sagte der pensionierte General.
Ein chinesisches Staatsunternehmen hatte da gerade eine Bohrinsel in das Gewässer nahe der Paracel-Inselgruppe verfrachtet, die auch von Vietnam beansprucht wird, und es war zu Zwischenfällen zwischen chinesischen und vietnamesischen Schiffen gekommen.
Die Hypothese klingt plausibel. Denn ein Teil der 56 Unterseeboote der chinesischen Volksbefreiungsarmee ist in einer Marinebasis bei Sanya am südlichen Zipfel der chinesischen Tropeninsel Hainan untergebracht. Richtung Süden führt der Wasserweg nahe an den Paracel-Inseln vorbei.
Auch Vietnam rüstet auf
China hat in dieses Projekt viel Arbeit gesteckt. Aufgrund von Satellitenbildern vermuten Beobachter, dass die Unterseeboote von dort durch einen Unterwassertunnel, unbemerkt von den Augen der Welt, in das Meeresgebiet und wieder zurück gelangen können.
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Vieles bleibt geheim, und doch wissen die südostasiatischen Länder, von denen mehrere mit China überlappende maritime Gebietsansprüche haben, welche Fähigkeiten sich der Nachbar angeeignet hat. Immer mehr von ihnen schaffen sich daher eigene U-Boote an.
Vietnam erwartet in diesen Wochen die HQ-184 Hai Phong; es ist sein drittes U-Boot der russischen „Kilo“-Klasse. Das Land hat sechs davon bestellt. Malaysia hat vor Jahren zwei französische Scorpène-U-Boote gekauft, die in Kota Kinabalu auf der Insel Borneo mit Zugang zum Südchinesischen Meer untergebracht sind. Nun erklärte Thailands Verteidigungsminister, der Kauf von U-Booten werde geprüft.
Indonesien renoviert seine Seemacht
Die U-Boot-Hersteller weltweit profitieren von dieser Aufrüstung, auch das deutsche Unternehmen Thyssen-Krupp Marine Systems. Bei ihm hat Singapur vor einem Jahr zwei U-Boote der HDW-Klasse 218SG bestellt, die nun auf der Werft in Kiel gebaut werden. Der reiche Stadtstaat besitzt zudem sechs ältere Modelle aus schwedischer Herstellung.
Als einziges Land in Südostasien hat Indonesien bereits zwei deutsche U-Boote des Typs 209 in Betrieb. Sie waren Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre angeschafft worden. Indonesien war damit ein Vorreiter in Südostasien, hinkt bei der Entwicklung seiner Seestreitmacht heute aber hinter den anderen her.
Angesichts der Neuanschaffungen der Nachbarn hat nun auch Indonesien beschlossen, seine Seestreitkräfte zu erweitern. Jakarta hat drei U-Boote der südkoreanischen Chang-Bogo-Klasse bestellt, bei denen es sich um von Deutschland lizenzierte Nachbauten handelt; bis zum Jahr 2020 sollen sie ausgeliefert werden.
Indonesien will deutsche U-Boote kaufen
Indonesien hat weitere Käufe ins Auge gefasst und sich zum Ziel gesetzt, bis 2018 selbst ein U-Boot herzustellen. Zudem wird die „Maritime Agenda“ des neuen Präsidenten Joko Widodo zu höheren Ausgaben für die Seestreitkräfte führen. „Die Doktrin wird bloß Papier bleiben, wenn wir keine weiteren U-Boote, Patrouillen- und Kriegsschiffe kaufen“, sagte Widodo kürzlich.
Während in der Vergangenheit vor allem U-Boote aus Südkorea oder Russland im Gespräch waren, könnte sich nun wieder eine Chance für den führenden deutschen Hersteller ergeben. Immerhin hat Indonesien vor zwei Jahren 103 deutsche Leopard-2-Panzer und mehr als 50 weitere Militärfahrzeuge bei Rheinmetall bestellt.
Seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten bemüht sich die Bundesregierung, mehr über dessen Pläne zu erfahren, aus Indonesien eine regionale Seemacht zu machen. Als Außenminister Steinmeier Ende Oktober das Land besuchte, begleiteten ihn ein Manager von Thyssen-Krupp sowie Vertreter deutscher Werften und Hafenbetreiber. Und als Bundeskanzlerin Angela Merkel beim G-20-Gipfeltreffen im australischen Brisbane erstmals den neuen indonesischen Präsidenten traf, soll es nach Auskunft von dessen Kabinettssekretär vor allem um mögliche Kooperationen in der Verteidigung auf See gegangen sein. Der Präsident habe insbesondere U-Boote im Sinn.
„Was schwimmt, geht immer“
Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Die Zurückhaltung dürfte einen Grund auch darin haben, dass in Deutschland manche Kreise Waffengeschäfte mit Indonesien ablehnen, vor allem wegen der Menschenrechtslage in der Provinz Westpapua. Rüstungsgegner in Deutschland hatten auch die Lieferung von deutschen Panzern kritisiert. Allerdings dürfte sich im Fall der U-Boote der Hans-Dietrich Genscher zugesprochene Ausspruch durchsetzen: „Was schwimmt, geht immer.“ Schließlich sei nicht damit zu rechnen, dass Indonesien die U-Boote gegen die eigene Bevölkerung einsetzen werde.
Dagegen gilt Australien als unverfänglicher Adressat für Militärexporte. So soll sich Angela Merkel in Brisbane im Gespräch mit Premierminister Tony Abbott für ein milliardenschweres U-Boot-Geschäft eingesetzt haben. Auch das Land „Down Under“ macht sich Sorgen über die wachsende chinesische Militärmacht.
Es will daher bis zu zwölf U-Boote anschaffen. Das Auftragsvolumen beträgt rund 14 Milliarden Euro. Zwar hat Australien einen eigenen Hersteller. Der Verteidigungsminister traut diesem aber nicht einmal zu, ein Kanu zu bauen. Der Minister musste diese Aussage zwar mittlerweile zurücknehmen. Es scheint aber klar, dass sich Canberra vor allem im Ausland nach neuen Booten umschauen wird.
Eine mögliche Lieferung deutscher U-Boote in die Region könnte jedoch die Frage aufwerfen, ob die U-Boote, selbst wenn sie an „unverfängliche“ Partner verkauft werden, in der Region nicht einen Rüstungswettlauf befeuern würden. Einen solchen wie im Kalten Krieg sieht in Asien zwar noch niemand.
Mit der Zahl der U-Boote in der Region wächst aber die Gefahr versehentlicher Zusammenstöße und kalkulierter Provokationen. Zudem will niemand außerhalb Chinas in der Region ein militärisches Ungleichgewicht zugunsten Chinas sehen. Das wiederum würde für den Verkauf von U-Booten an die Nachbarländer Chinas sprechen.
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