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Mittwoch, 3. Dezember 2014

III. Free Rider Problematik (Rationale Apathie) // Sacha Lürken in Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, 2. Auflage 2013 Autor: Lürken

  • Parteien:
    Neben dem Emittenten und den Sicherungsgebern sind i.d.R. folgende Parteien involviert:
    Emissionsbanken (Initial Purchaser oder Underwriting Banks):
    Gemeinsamer Vertreter bzw. Indenture Trustee
    Sicherheitentreuhänder (Security Agent oder Collateral Agent)
    Zahlstelle (Paying Agent)
    Verwahrstelle (Custodian) bzw. gemeinsam benannter Verwahrer (Common Safekeeper)
  • Struktur einer Anleiheemission
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Unternehmensanleihen werden oftmals börsennotiert; in aller Regel im nicht-regulierten Markt. Bei diesen Anleihen sind dann auch die entsprechenden börsenrechtlichen Zulassungsvorschriften und wertpapierhandelsrechtlichen Vorschriften – vor allem das Insider-Handelsverbot – zu beachten, was in Restrukturierungen die Kommunikation mit Anleihegläubigern oft erschwert (dazu Rdn. 14 – 16).
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Besondere Probleme stellen sich oft bei der Restrukturierung von börsennotierten Anleihen, da sich hier eine sehr heterogene Gläubigergemeinschaft bildet und der Anleiheemittent mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Gläubigern mit verschiedenen Motivationen (unterschiedlicher Einkaufspreis bei »par investors« und »distressed investors«, institutionelle und private Investoren, nationale und internationale Investoren etc.) eine Lösung finden muss.

III. Free Rider Problematik (Rationale Apathie)

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Es ist allgemein anerkannt, dass es außerhalb eines staatlich überwachten Restrukturierungsverfahrens jedem Gläubiger freisteht, seine Zustimmung zu einem außergerichtlichen Vergleich zu verweigern.21Bei einer hohen sonstigen Zustimmungsquote macht es für opponierende Gläubiger sogar Sinn, sich einem solchen außergerichtlichen Vergleich zu verweigern. Wenn die zustimmenden Gläubiger durch ihre Verzichte die Gesellschaft nachhaltig entschulden, ist die Gesellschaft dann in der Lage, die Forderung des verweigernden Gläubigers vollständig zu befriedigen, und die nicht zustimmenden Gläubiger bekommen als sog. »Free Rider« ihren vollen Forderungsbetrag zurückbezahlt.22
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Dieses sog. »Rationale Apathie«23 Problem stellt sich insb. bei Anleiherestrukturierungen im demateralisierten Anleihemarkt, da bei einer Vielzahl von Anleihegläubigern die effiziente Kommunikation mit einzelnen Anleihegläubigern erschwert wird24 und dadurch dem Emittenten und anderen Gläubigern die Möglichkeit erschwert wird, durch sog. »moral persuasion« auf den einzelnen Anleihegläubiger einzuwirken. Bei einer Anleiherestrukturierung muss es daher stets das Ziel sein, dieser rationalen Apathie entgegenzuwirken und die Zustimmung zu einem Restrukturierungsvorschlag entweder zu erzwingen (z.B. durch staatlich sanktionierte Reorganisationsverfahren) oder so attraktiv zu gestalten, dass eine sehr hohe Zustimmungsquote erreicht werden kann.
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Eine elegante Möglichkeit, die Free Rider Problematik zu umgehen, bieten sog. »collective action« Klauseln, die es einer (qualifizieren) Mehrheit der Anleihegläubiger ermöglichen, die Anleihebedingungen (einschließlich Zinsen und Nominalbetrag) mit Wirkung für alle Anleihegläubiger zu ändern. Während dies bei nach englischem Recht ausgegebenen Anleihen meist gut funktioniert (die Trust Deeds sehen typischerweise ein Quorum von 66 2/3 % oder 75 % für die »collective action« Klausel vor),25 stellt sich bei nach New Yorker Recht ausgegebenen Anleihen oft das Problem, dass nach den Vorschriften des »Trust Indenture Act« von 1939 eine Zustimmung jedes betroffenen Gläubigers notwendig ist, um den Nominalwert einer Anleihe herabzusetzen.26 Die für eine nachhaltige finanzielle Restrukturierung erforderlichen Mehrheiten können dann oft nicht erreicht werden, sodass bei nach New Yorker Recht begebenen Anleihen oft nur ein staatlich sanktioniertes Reorganisationsverfahren als gangbarer Weg bleibt, falls eine freiwillige Umschuldung scheitert. Bei nach deutschem Recht begebenen Anleihen sind sog. collective action Klauseln nach dem neuenSchVG zulässig, nach dem alten SchVG waren diese Klauseln nur sehr beschränkt zulässig.2

23
Bredow/Vogel ZBB 2008, 221, 222.

26
S. Clause 316 (c) Trust Indenture Act 1939 (online: http://www.sec.gov/about/laws/tia39.pdf), s.a.Winkelhohann/Wohlschlegen/Dorenkamp WpG 2005, 562.

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