Immobilien-Affäre: E-Mails belasten Credit Suisse
Mittwoch, 3. Dezember 2014, 19:57 Uhr
Das Immobilienobjekt Lake Las Vergas im US-Bundesstaat Nevada wurde angeblich von der Credit Suisse zu hoch bewertet. Getty Images
Alte E-Mails über Immobiliengeschäfte aus der Zeit von vor der Finanzkrise könnten für die Credit Suisse zum Problem werden. Die elektronische Korrespondenz wurde nun den Investoren ausgehändigt, welche die schweizerische Bank wegen falscher Bewertung von Immobilien verklagt haben. Das Wall Street Journal konnte die E-Mails einsehen.
In den E-Mails besprechen Angestellte der Credit Suisse eine Bewertungsmethode, die das Kreditinstitut Mitte der 2000er-Jahre bei der preislichen Einschätzung von einem Dutzend Luxusobjekten wie bebauten Golfanlagen und Ski-Nobelorten angewendet hatte.
Dabei dreht es sich um einen ungewöhnlichen Ansatz der Wertermittlung, der sich unter dem Stichwort “Gesamtnettowert” auf die Einnahmen bezieht, die in Zukunft erwartet werden. Traditionellere Bewertungsmethoden fußen dagegen darauf, wie der Markt die Immobilien einschätzt.
Investoren, die sich bei Krediten engagiert hatten, die aufgrund dieser Werteinschätzungen gewährt worden waren, hatten erhebliche Verluste erlitten. In einem Gerichtsverfahren, das in dieser Woche in Dallas begonnen hat, soll nun festgestellt werden, ob die Credit Suisse für deren Einbußen haftbar gemacht werden kann. Einer der Kreditinvestoren, der Hedgefonds Highland Capital Management, hatte die schweizerische Bank im Juli 2013 verklagt und ihr vorgeworfen, in unangemessener Weise den Wert der Immobilien aufgebläht zu haben.
Die betreffenden Kredite waren während der Finanzkrise gekippt und hätten Anlegern wie Highland größere Verluste beschert als dies der Fall gewesen wäre, wären die Bewertungen der Bank konservativer gewesen, behauptet Highland. Die Credit Suisse strich bei den Neuabschlüssen ihre üblichen Provisionen ein. Als die Kredite letztendlich faul wurden, hatte die Bank allerdings kaum oder gar kein Risiko zu tragen.
“Wir haben eine bessere, einzigartige Vermögenswertversion geschaffen, die zu einer bedeutend höheren Bewertung als anfänglich angenommen führt”, schreibt der damalige Credit-Suisse-Mitarbeiter Grant Little im Jahr 2004 in einer E-Mail an Kollegen. In dem Schreiben beglückwünscht er seine Mitstreiter zu einem Abschluss, den das Wall Street Journal gelesen hat. Versuche, Little zu kontaktieren, blieben ohne Erfolg.
Credit Suisse spricht von haltlosen Vorwürfen
“Es handelt sich hier um einen haltlosen Versuch seitens eines erfahrenen Investors, die Rechtsordnung zu missbrauchen, um Verluste wieder gut zu machen”, verkündete Credit-Suisse-Sprecher Drew Benson in einer Stellungnahme. “Credit Suisse wird sich vor Gericht mit aller Macht verteidigen.” Die Bank streitet ab, dass die Kredite unangemessen waren. Gerichte haben bereits befunden, dass sie nicht ungesetzlich waren.
Die Abmachungen waren folgendermaßen zu Stande gekommen: Credit Suisse vermarktete die Kredite an die Eigentümer am Reißbrett geplanter Immobilienobjekte. Dabei handelte es sich um Golfanlagen wie etwa Lake Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada mit Wohnbebauung und Skiurlaubsorte wie den Yellowstone Club in Montana, den Promontory Club in Utah und das Tamarack Resort in Idaho. Dabei konnten die Eigentümer einen Teil der Erlöse als Dividende oder als Kredit für sich beanspruchen.
Die Bank leitete dann die Finanzierung für die Kredite aus Quellen im Nicht-Banken-Bereich, also etwa aus der Hand von Beteiligungsgesellschaften, Hedgefonds und Managern von Fremdmittelfonds, in die Wege. Im Gegenzug erhielten die Kreditgeber Zugang zum wachsenden Markt für Immobilien der oberen Preisklasse. Die Bank diente dabei als Vermittlerin und sammelte bei den Transaktionen Gebühren über viele Millionen Dollar ein.
Tamarack Resort in den Payette River Mountains in Idaho. Bloomberg News
In den E-Mails wird ganz besonders die “Kreativität” des Credit-Suisse-Bankers David Miller hervorgehoben. Er avancierte später zum Leiter der Gruppe für Fremdfinanzierung bei der schweizerischen Bank. Derzeit dient er der Bank als Co-Chef für globale Kredite.
“Er drängt bei den Immobilienbankern nun darauf, dies anderen Bauträgern anzutragen”, berichtet Little in einer E-Mail über Millers Vorgehen, nachdem der Deal um Lake Las Vegas zum Abschluss gebracht worden war. Miller ließ über einen Sprecher der Credit Suisse mitteilen, keinen Kommentar dazu abgeben zu wollen.
Provision wichtiger als die Immobilie
Anleger werfen der Bank vor, die Ferienanlagen hoch mit Schulden beladen zu haben. Ein Bundesrichter hatte sich schockiert darüber gezeigt, dass die Credit Suisse seinen Worten zufolge viel stärker auf Provisionen konzentriert gewesen sei als auf die Immobilien selbst.
Letztendlich ging jedes der 12 Objekte, die mit Hilfe der neuen Methode bewertet worden waren, pleite oder musste umstrukturiert werden. Den Investoren entstanden Millionenverluste. Und die Credit Suisse kaufte viele der Immobilien nach deren Zusammenbruch zu Rabattpreisen auf.
Aus den E-Mails geht hervor, dass die Credit Suisse in Zusammenarbeit mit einem externen Gutachter die neue Methode auch auf den Kredit für das Projekt Lake Las Vegas anwendete. Gemäß eines traditionellen Ansatzes wurde Lake Las Vegas mit etwa 450 Millionen Dollar bewertet, steht in den E-Mails zu lesen. Nach der Gesamtnettowert-Methode allerdings erhöhte sich die Einschätzung auf 1,1 Milliarden Dollar.
Der Kredit der Credit Suisse versetzte die Unterstützer des Projekts - die Milliardärsbrüder Sid und Lee Bass und der verstorbene Grundstücksentwickler Ron Boeddeker - in die Lage, im Jahr 2004 rund 470 Millionen Dollar aus dem Projekt herauszulösen, wie aus Gerichtsunterlagen hervorgeht. Rechtsanwälte der Brüder Bass reagierten nicht auf Anfragen nach einem Kommentar.
Die Credit Suisse wiederum verdiente bei Abschluss der Transaktion Gebühren in Höhe von 9 Millionen Dollar. Kurz darauf tauschten Bankangestellte untereinander E-Mails aus, in denen sie ausführten, dieselbe Strategie auch auf andere erstklassige Immobilien anwenden zu können.
In einer E-Mail fragte ein Kollege den Banker David Miller, “wo findet ihr Kerle bloß all diesen Dreck. Ihr müsst den größten und tiefsten Bagger haben, der der Menschheit bekannt ist”. - “Ich geh überall hin, wo ich eine Gebühr auftreiben kann”, antwortete Miller gemäß den E-Mails.
Der Yellowstone Club in Montana. Tony Demin for The Wall Street Journal
Die E-Mails deuten dem Tenor nach zudem darauf hin, dass Credit Suisse Kontakt zu einem Mitarbeiter von Cushman & Wakefield (C&W) aufgenommen hat, der sich bereit erklärte, die Gesamtnettowert-Methode zur Einschätzung anzuwenden, nachdem Bankangestellte sie ihm erklärt hatten.
“Eigentlich kommentiert C&W anhängige Verfahren grundsätzlich nicht. Doch die Begutachtungen, die von C&W-Töchtern für Credit Suisse vorgenommen wurden, waren angemessen und entsprachen den entsprechenden Gesetzen und Standards”, ließ ein Cushman-Sprecher in einer Stellungnahme per E-Mail wissen.
Immobilienbesitzer klagen
Im Westen der USA sind die Nachwirkungen der Kreditpleite immer noch zu spüren. In Idaho hat eine Gruppe Immobilienbesitzer ein Gerichtsverfahren über mehrere Milliarden Dollar gegen die schweizerische Großbank wegen angeblich künstlich aufgeblasener Bewertungen angestrengt.
In Nevada legten die Brüder Bass und die Erben von Boeddeker vor kurzem eine Klage eines Konkursverwalters über 470 Millionen Dollar für 115 Millionen bei. Der frühere Eigentümer des Yellowstone Clubs, Tim Blixseth, streitet nach dem Kollaps des Vorhabens noch immer mit einem Konkursverwalter in Montana. Vor einigen Monaten hatte ihn ein Bundesrichter in Kalifornien zur Zahlung von 219 Millionen Dollar verurteilt. Nach Einschätzung des Richters hatte Blixseth den Großteil eines Credit-Suisse-Kredits für persönliche Zwecke abgezweigt.
Philip Stillman, ein Rechtsanwalt von Blixseth, schrieb in einer E-Mail, sein Klient “widerspricht dem Urteil des Insolvenzgerichts aufs Schärfte und er widerspricht dem Urteil über 219 Millionen Dollar aufs Schärfste.” Blixseth ist gegen die Entscheidung in Berufung gegangen.
Cushman & Wakefield legte Streitigkeiten mit dem Lake-Las-Vegas-Investor Highland im vergangenen Jahr für 12 Millionen Dollar bei, geht aus einem vertraulichen Vergleich hervor, den das Wall Street Journal einsehen konnte. Die Firma CBRE, die ein zweites Gutachten im Zusammenhang mit der 2007 erfolgten Refinanzierung des Projekts erstellt hatte, legte im vergangenen Jahr ein Investorenverfahren über 250 Millionen Dollar für 21 Millionen Dollar bei, zeigen vertrauliche Dokumente. Keiner der Gutachter hatte im Zuge der Einigungen Haftpflichtansprüche anerkannt.
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