Deutsches SchwarzgeldGeständnisse eines Schweizer Bankers
Wie war das, als die Deutschen ihr Schwarzgeld noch in der Schweiz horteten? Wie versuchten sie, es in Sicherheit zu bringen und wie geht es nun weiter? Ein Schweizer Vermögensverwalter, der anonym bleiben will, plaudert aus dem Nähkästchen.
28.03.2015
© KARIN HOFER/THE NEW YORK TIMES/RFinanzplatz Zürich: Deutsche, die früher ihr Schwarzgeld in der Schweiz abgegeben haben, müssen sich seit einigen Jahren nach Alternativen umschauen – manche Banken brauchen ein neues Geschäftsmodell.
Früher war alles so einfach. Aus ganz Europa kamen die Kunden zu uns in die Schweiz und eröffneten ein Konto. Sie wussten: Hier herrscht Diskretion. Die Kunden kamen mit einem Koffer voller Bargeld in die Schalterhalle und zahlten das Geld ein. Woher das Geld kam, ob es ordentlich versteuert war oder nicht – das wollten wir gar nicht wissen. Im Gegenzug hat der Kunde, ob nun Deutscher, Franzose, Italiener oder Holländer, nie nach den Konditionen gefragt oder darüber verhandelt. Oft konnten wir in der Vermögensverwaltung mehr als 1,5 Prozent verlangen. Bei einer Anlage von einer Million Euro brachte uns das mindestens 15.000 Euro im Jahr. Wir haben also prächtig verdient.
Dem Kunden war das egal. Ihm war vor allem wichtig, dass wir ihn in aller Stille betreuten. Kontoauszüge wollte er keinesfalls zugeschickt bekommen. Also lagerten wir diese in der Bank. Und bei Telefonaten redeten wir konsequent um den heißen Brei herum. Nie fielen die Worte „Steuer“, „Euro“ oder „Schweiz“, denn wir wussten: Gespräche von Schweizer Bankern ins Ausland wurden überwacht und nach Stichwörtern gefiltert.
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Nicht jeder, der Teile seines Geldes bei uns in Sicherheit gebracht hat, tat dies mit dem Ziel, Steuern zu sparen. So mancher Kunde wollte sein Vermögen vor einem etwaigen willkürlichen Zugriff seitens seiner Regierung schützen. Dank des Bankgeheimnisses war dies in der Schweiz gewährleistet. Ein Firmenpatron hatte still und heimlich ein paar Millionen auf die Seite geschafft – und nicht einmal seine Frau darüber informiert. Nach seinem Tod kam niemand vorbei, um das Konto für sich zu reklamieren. Es wusste ja keiner etwas davon. Das nennen wir nachrichtenloses Vermögen. Nach zehn Jahren landet es in einer Spezialabteilung.
Allein die Kontaktaufnahme hat so manchen erschüttert
Von 2008 an ging es dem Bankgeheimnis an den Kragen. Den Anfang machte der Fall Zumwinkel. Dann kamen die CDs mit den gestohlenen Kontodaten deutscher Kunden. Die hatten plötzlich panische Angst. Sie wollten von uns wissen, ob morgen die Polizei vor ihrer Tür steht. Lange vor dem Fall Uli Hoeneß griffen viele Kunden zum Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige. Aber längst nicht alle Steuersünder wollten von sich aus reinen Tisch machen. Also haben wir nachgeholfen und Druck gemacht. Es ist wirklich wahr: Wir wollen mit Steuersündern nichts mehr zu tun haben. Wir haben jahrelang weggesehen – und mussten dafür schwer büßen, mit Geldstrafen und einem großen Verlust an Reputation. So kann, so darf das nicht weitergehen.
Wir haben jeden einzelnen Kunden im Ausland aufgefordert, uns einen Nachweis darüber zu bringen, dass die landesüblichen Steuern für Vermögen und Erträge auf unseren Konten entrichtet worden sind. Allein die Kontaktaufnahme hat so manchen erschüttert, der sonst alle Jubeljahre in konspirativem Ton von der Telefonzelle aus anrief. Wer unsere Aufforderung ignorierte, dem haben wir gekündigt und um die Koordinaten eines anderen Kontos gebeten. Darauf wollten wir das abzuschiebende Vermögen überweisen. Das sorgte bei den Betroffenen für Unmut und Angst. Denn im Moment der Überweisung ist der heimische Fiskus alarmiert.
Angst, dass die Kunden gewalttätig werden
Manche Kunden haben daraufhin das Geld in bar bei uns abgehoben. Doch das ist riskant. Die Zöllner an der Grenze sind psychologisch gut geschult, fühlen Verdächtigen geschickt auf den Zahn. Ein älterer Herr allein in seinem Mercedes mit deutschem Kennzeichen wird garantiert gefilzt. Sobald die Beamten größere Beträge in Cash finden, alarmieren sie die Finanzbehörden. Und noch bevor der Kunde zu Hause ist, stehen bei ihm die Steuerfahnder in der Tür. Es gibt auch Steuerhinterzieher, die mieten sich ein Haus im Schwarzwald und eine Wohnung im Thurgau und schleusen im einfachen Leihwagen jeden Tag kleinere Beträge über die Grenze, wobei sie verschiedene Übergänge nutzen. Auch das kann schiefgehen.
Bei den Leuten, die ihr Geld und ihr Gewissen partout nicht reinwaschen wollen, handelt es sich oft um Unternehmer, die sich vor einer Selbstanzeige fürchten, weil die Steuerfahnder in der Folge auch ihre Firma genau unter die Lupe nehmen könnten. Und irgendetwas finden die ja immer. Und dann ist da noch die Angst vor dem Verlust des eigenen Ansehens. Der Bürgermeister oder Kämmerer eines Dorfs in Süddeutschland ist erledigt, wenn herauskommt, dass er sich selbst als Steuersünder angezeigt hat. Also hält er lieber still und hofft bangend, dass man ihm nicht noch auf die Schliche kommt.
Wir setzen den offenkundig steuerunehrlichen Kunden jedenfalls sprichwörtlich die Pistole auf die Brust. Darüber sind die natürlich stinksauer. „Jahrelang habt Ihr bestens an uns verdient – und jetzt schmeißt Ihr uns raus!“ So lautet der Vorwurf. In Frankreich ist es schon vorgekommen, dass Kollegen bei entsprechenden Gesprächen mit Kunden einen Sicherheitsmann an der Seite hatten. Sie fürchteten, der Kunde könne vor lauter Zorn gewalttätig werden. Dabei kommt doch 2017 der grenzüberschreitende, automatische Informationsaustausch, dann ist sowieso Schluss mit der ganzen Steuerhinterziehung. Dann ist man nirgendwo mehr sicher. Wer also jetzt nicht eine Weißgeldstrategie fährt und Amnestieprogramme nutzt, ist selbst schuld.
Der junge Erbe des digitalen Zeitalters hat ganz andere Ansprüche
Für uns Banken ist diese ganze Entwicklung sehr schwierig. Und zwar auf mehreren Ebenen. Wir haben große Anteile an Kundengeldern verloren. Damit fehlen uns wichtige Erträge. Uns fließt zwar auch neues Geld zu, aber die Margen haben sich gegenüber früher sehr stark reduziert. Der ausländische Kunde verhandelt hart über die Konditionen. Und er fragt sich, warum er sein Geld überhaupt noch in die Schweiz tragen soll. Wo ist der Mehrwert gegenüber der heimischen Bank vor seiner Tür? Diese Frage ist auch deshalb so berechtigt, weil die Qualität unserer Beratung vielfach noch nicht den Ansprüchen genügt. Bis 2008 kamen die Kunden ganz von allein, da haben wir einfach nur die Hand aufgehalten. Das spornt schon mal nicht zu Leistung an.
Danach, in der Finanzkrise, waren wir vor allem mit uns selbst beschäftigt. Und jetzt müssen wir erkennen, dass viele unserer Leute den Anforderungen des modernen Bankgeschäfts nicht gewachsen sind. Im digitalen Zeitalter will der reiche, junge Erbe ganz anders angesprochen und beraten werden als dessen Vater. Wenn es irgendwo im Anlageportfolio brennt, wird der Kunde künftig automatisch per Mail informiert werden. Und gleich danach muss sein Berater erreichbar sein und eine Handlungsempfehlung parat haben, sei es am späten Abend oder gar am Wochenende.
Dazu müssen wir viel Geld in die Schulung der Mitarbeiter und in die neue digitale Technik investieren. Und dass obwohl unsere Kostenquoten steigen. Ein schwieriger Spagat, den alle Schweizer Vermögensverwalter proben müssen, um in der Zukunft zu bestehen. So mancher wird sich dabei das Genick brechen – oder sein Heil in den Armen eines Wettbewerbers suchen. Diejenigen jedoch, die den Transformationsprozess überstehen, werden gestärkt aus dem Wandel hervorgehen und dem Schweizer Finanzplatz jene Bedeutung in redimensionierter Form zurückgeben, welche er in der Vergangenheit hatte – allerdings aus anderen Gründen.
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