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Freitag, 27. März 2015

Kündigung von Inhaberschuldverschreibungen im Restrukturierungsfall Unkalkulierbares Risiko für Emittenten?

Kündigung von Inhaberschuldverschreibungen
im Restrukturierungsfall
Unkalkulierbares Risiko für Emittenten?

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Mit Urteil vom 17. September 2014 (Az. 4 U
9 7 /1 4 ) hat das OLG Frankfurt a.M. im Fall SolarWorld
der Berufung eines Klägers stattgegeben
und damit die Wirksamkeit der außerordentlichen
Kündigung einer Inhaberschuldverschreibung
bestätigt, welche im Kontext einer Restrukturierung
nach dem Schuldverschreibungsgesetz
2 0 0 9 (SchVG) gekündigt wurde. Diese Entscheidung
könnte bei künftigen Restrukturierungsvorhaben
nicht nur eine zunehmende Zahl von
Anleihegläubigern zur Kündigung ermuntern,
sondern auch spekulative Investoren auf den
Plan rufen, die Anleihen von Restrukturierungskandidaten
zu Kursen weit unter pari mit Kündigungsabsicht
aulkaufen. Für Emittenten von
Inhaberschuldverschreibungen stellt sich daher
die Frage, mit welchen Risiken eine angestrebte
Restrukturierung nach dem SchVG einhergeht.
Ausgangslage
Wesentliches Ziel der Novellierung des SchVG
im Jahr 2 0 0 9 war es, einen Rechtsrahmen für
Restrukturierungen von Inhaberschuldverschreibungen
außerhalb von Insolvenzverfahren zu
schaffen, der gegenüber dem bis dahin geltenden
SchVG von 1899 eine größere Gestaltungsbandbreite
bei der Neuordnung von Anleiheverbindlichkeiten
ermöglichen sollte. Obgleich
der Umschuldungsmechanismus des SchVG auf
dem Prinzip der Zwangsgemeinschaft aulbaut,
so liefert die Rechtsprechung seit 2012 Anhaltspunkte,
dass es offenbar Möglichkeiten gebe, sich
dieser Zwangsgemeinschaft durch Kündigung
entziehen zu können (z.B. LG Köln, Az. 3 0 O
14/11 und 3 0 O 6 3 /1 1 ; LG Bonn, Az. 10 ö
2 9 9 /1 3 ; OLG Frankfurt a.M., Az. 4 U 9 7 /1 4 ).
Das Landgericht Köln hatte Anfang 2012 zwei
Kündigungsklagen gegen eine Anleiheemittentin
anlässlich einer Restrukturierung nach dem
SchVG stattgegeben. Das Gericht begründete
dies insbesondere mit dem Vorliegen eines wichtigen
Grundes im Sinne von § 314 Abs. 1 BGB.

Die Restrukturierung der Schuldverschreibungen
der SolarWorld AG im Jah r 2013 veranlasste
zahlreiche Anleihegläubiger - auch vor
dem Hintergrund der Entscheidungen des LG
Köln aus dem Jah r 2012 - sich dem von der
Emittentin angebotenen Schuldenschnitt durch
Kündigung der Anleihen zu entziehen zu versuchen.
Mit Urteil vom 17. September 2014 bestätigte
das OLG Frankfurt a.M. in zweiter Instanz
die Wirksamkeit der Kündigung von Inhaberschuldverschreibungen
der SolarWorld AG.
Die SolarWorld AG hat am 19. Juni 2013 die
Einladung zu einer ersten Anleihegläubigerversammlung
veröffentlicht, mit der die konkreten
Einzelheiten der Restrukturierung und damit
auch der den Anleihegläubigern abzuverlangende
Verzicht bekannt gegeben wurde. Als Sanierungsbeilrag
der Anleihegläubiger wurde ein
Rückzahlungsverzicht von rd. 60% in Verbindung
mit einem Debt-to-Equity Swap angeboten.
Die zweite Anleihegläubigerversammlung
BOND YEARBOOK 2015
hat am 5. August 2013 das Restrukturierungskonzept
beschlossen. Der Skripturakt durch
Beifügung der Ausfertigung der notariellen Protokolle
über die Gläubigerversammlungen zu
den ursprünglichen Anleihebedingungen (ALB)
erfolgte am 21. Januar 2014.
§ 9 Abs. 1 e der ALB regelt die Kündigungsmöglichkeiten
der SolarYVorld-Schuldverschrei 1 )ung
bei „Insolvenz u.a.“. Eine Gläubigerkündigung
ist danach unter anderem statthaft, wenn die
Emittentin eine „allgemeine Schuldenregelung
zu Gunsten ihrer Gläubiger“ anbietet oder trifft.
Nach Auffassung des OLG handelte es sich bei
dem von der SolarWorld AG eingeleiteten Restrukturierungsverfahren
um eine solche in den
ALB genannte „allgemeine Schuldenregelung
zu Gunsten ihrer Gläubiger“, womit ein vertragliches
Kündigungsrecht für den Fall eines
entsprechenden Restrukturierungsvorhabens
gegeben sei. Ein außerordentliches Kündigungsrecht
nach § 314 BGB verneint das OLG
hingegen. Durch den Kündigungskatalog in den
ALB sei eine Kündigung aus anderen wichtigen
Gründen ausgeschlossen worden.
Nach § 9 Abs. 1 e der ALB besteht ein vertragliches
Kündigungsrecht, wenn eine allgemeine
Schuldenregelung „angeboten“ wird. Ein solches
Angebot liegt nach Auffassung des OLG erst
dann vor, wenn die Emittentin das zur Abstimmung
stehende Umschuldungsangebot mit all
seinen vertraglichen Einzelheiten veröffentlicht.
Für die streitgegenständliche Anleihe erfolgte
diese Veröffentlichung am 19. Juni 2013. Eine
Kündigung sei folglich nur wirksam int Zeitraum
vom Bekanntwerden des konkreten Restrukturierungsvorhabens
( 19.Juni 2013) bis zum Zeitpunkt
des Beschlusses des Restrukturierungsvorhabens
durch die Gläubigerversammlung
am 5. August 2013. Wurde eine Anleihe folglich
v o rd em 19. Juni 2013 oder erst nach dem 5.
August 2013 gekündigt, so sei die Kündigung
nach Auffassung des OLG unwirksam.
Revisionsfrage im Fall 4 U 9 7 / 1 4 ist, ob bei
einem Restrukturierungsverfahren nach dem
SchVG eine Kündigung überhaupt Bestand
haben kann. Es geht somit um die Rückwirkungsproblematik
von Beschlüssen der Gläubigerversammlung,
d.h. ob die Gläubigerversammlung
auch bereits erfolgte wirksame
Kündigungen annullieren kann.
Würdigung der Entscheidungen des OLG
Frankfurt a.M. vom 17. September 2014
Bei Schuldverschreibungen handelt es sich
nach herrschender Meinung um Dauerschuldverhältnisse.
§ 314 BGB ist auf Schuldverschreibungen
mithin anwendbar und - entgegen
der Auffassung des OLG - vertraglich nicht
abdingbar, weil das außerordentliche Kündigungsrecht
dem Rechtsgedanken des § 2 4 2
BGB entspringt. Auch ein ausführlicher Kündigungskatalog
- wie er im Fall der SolarWorld-
Anleihcn bestand - vermag es nicht, das Kündigungsrecht
aus wichtigem Grund konkludent
auszuschließen.
Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass
anlässlich einer beabsichtigten Restrukturierung
nach dem SchVG von einem Ausschluss
der Kündbarkeit nach § 314 BGB auszugehen
sei, da vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen
Krise der Emittentin die Anleihegläubiger
einen adäquaten Sanierungsbeitrag leisten
müssten, was bei einer Abwägung der beiderseitigen
Interessen zumu tbar sei. Diese Auffassung
verkennt jedoch zum einen den individuellen
Maßstab, der bei Anwendung des § 314 BGB
dem Einzelfall zugrunde zu legen ist, was folglich
eine Pauschalhandhabung im Sinne einer
generellen Nichtanwendbarkeit des § 314 BGB
bei Restrukturierungen nach dem SchVG auswww......

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