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Mittwoch, 11. Juli 2012

Schäuble hegt Sympathie für Reichen-Abgabe // an alle 250.000/500.000er....bereitet euch schon mal langsam auf ein Hilfeersuchen vor....

Zwangsanleihe-Idee des DIW: Schäuble hegt Sympathie für Reichen-Abgabe

Berliner Ökonomen ist mit einem spektakulären Vorschlag ein Coup gelungen. Ihre Idee, Reiche mit einer Zwangsanleihe zur Krisenlösung einzuspannen, findet Gefallen bei der Bundesregierung. Andere halten davon gar nichts.
Wolfgang Schäuble. Quelle: Reuters
 
Wolfgang Schäuble. Quelle: Reuters
 
BerlinDas Bundesfinanzministerium hat sich aufgeschlossen für den Vorschlag einer Zwangsabgabe für Reiche zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise gezeigt. Die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vorgeschlagene Maßnahme könnte für manche Euro-Staaten „interessant“ sein, sagte der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Martin Kotthaus, am Mittwoch in Berlin. Er habe dabei jene Staaten im Blick, „in denen Sie ein besonders schwieriges Verhältnis haben zwischen dem Steueraufkommen und dem Privatvermögen“.
In Deutschland hingegen gebe es für eine solche Maßnahme keinen Bedarf, sagte Kotthaus. Deutschland verfüge über einen „solide finanzierten Haushalt“ und müsse deshalb nicht über die „klassischen Methoden“ der Steuererhebung hinausgehen. Eine Zwangsabgabe sei „eine Frage, die sich vielleicht für andere Staaten eher stellt“.

Zwangsanleihen

  • Was sind Zwangsanleihen?
    Die jetzt vom DIW ins Spiel gebrachten Zwangsanleihen sind öffentliche Anleihen, die der Staat bestimmten Personengruppen oder Unternehmen zur Zeichnung zuteilt. Sie werden zumeist niedrig oder gar nicht verzinst. Besonders in Krisenzeiten haben sich Regierungen seit der Antike auf diese Weise zusätzliche Einnahmen verschafft.
  • Wann wurden Zwangsanleihen schon mal eingesetzt?
    Ja. Sie wurden in Deutschland 1922 eingeführt, um die Schuldenberge nach dem Ersten Weltkrieg abzutragen. Weil die Einzahlung während der Hochinflation erfolgte, waren die Anleihen im November 1923 kaum noch etwas wert.
  • Wann Zwangsanleihen nicht eingesetzt werden durften
    In der Bundesrepublik beendete das Bundesverfassungsgericht 1984 einen Versuch, über das Investitionshilfegesetz mit Zwangsanleihen die Staatskassen zu füllen. Mit dem Geld sollte der Wohnungsbau gefördert werden, der unter der Rezession litt. Karlsruhe erklärte das Gesetz jedoch für nichtig. Zwangsanleihen seien nur „unter engen Voraussetzungen“ zulässig. Dem Gesetzgeber ist untersagt, „Sonderabgaben zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf (...) zu erheben und das Aufkommen aus derartigen Abgaben zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zu verwenden“.
  • Wann Zwangsanleihen bisher gefordert wurden
    Auf die 1992 diskutierte Zwangsanleihe zur Finanzierung von Kosten der deutschen Einheit wurde auch verzichtet, um eine Konfrontation der Bundesregierung mit Karlsruhe zu vermeiden. 2008 forderten Gewerkschaften und SPD-Politiker eine Zwangsanleihe bei Reichen als Beitrag für ein Konjunkturpaket.
SPD und Grüne zeigten sich ebenfalls offen für Zwangsabgaben, Koalitionspolitiker lehnten dagegen die Überlegungen für eine sogenannte Zwangsanleihe ab. „Dieser Sommerlochwiedergänger hat einen Bart wie seit Adams Zeiten. Hauptleidtragende dieses Schuldenmodells würde wieder einmal die Mittelschicht sein, die schon jetzt die Hauptlast der Staatsfinanzierung trägt“, sagte der Sprecher des CSU-Wirtschaftsflügels, Hans Michelbach, Handelsblatt Online. Die Staatsverschuldung würde durch eine Zwangsanleihe auch nicht sinken, sondern weiter steigen und sich rasch in die Nähe von 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bewegen, warnte er.
Zudem spreche die Vorstellung der Forscher, die Anleihe bei fehlender Rückzahlungsfähigkeit des Staates nachträglich in eine Abgabe umzudeklarieren, allen rechtsstaatlichen Prinzipien Hohn. „Eine solche kalte Enteignung lässt sicher sozialistischen Überzeugungstätern das Herz höher schlagen, jedem anderen kann es da eigentlich nur gruseln.“

Debatte über DIW-Vorschlag: „Wenn schon Zwangsanleihe, dann bitte zinslos"

Mit dem Vorschlag, zur Haushaltssanierung von Krisenländern stärker reiche Bürger heranzuziehen, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bei Facebook und Twitter kontroverse Diskussionen ausgelöst.
Debatte über DIW-Vorschlag: „Wenn schon Zwangsanleihe, dann bitte zinslos"
Nach einer Handelsblatt Online vorliegenden DIW-Studie könnten reiche Bürger unter anderem mit einer Zwangsanleihe die hohen Staatsschulden finanzieren. „Je nach Konsolidierungsfortschritt beim Staat können diese Anleihen dann später zurückgezahlt und auch verzinst werden“, hieß es. Berechnungen der Forscher für Deutschland kommen zu dem Ergebnis, dass sich bei einer Abgabe, die ab einem individuellen Vermögen von 250.000 Euro (Ehepaare 500.000 Euro) erhoben wird, eine Bemessungsgrundlage von immerhin 92 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ergibt. „Ein Zwangskredit oder eine Abgabe in Höhe von zum Beispiel zehn Prozent auf diese Bemessungsgrundlage könnten somit gut neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts mobilisieren - rund 230 Milliarden Euro“, heißt es in der Studie.

Historische Vorbilder für Zwangsanleihen in Deutschland

  • Wehrbeitrag
    Als Wehrbeitrag führte das Reich 1913 eine einmalige Abgabe auf höhere Vermögen und Einkommen ein. Die Abgabenbelastung wurde über einen dreijährigen Zeitraum verteilt erhoben. Das gesamte Aufkommen machte etwa 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 1913 aus und wurde zur Finanzierung der hohen Rüstungsausgaben verwendet.
  • Reichsnotopfer
    Im Jahr 1919 wurde das Reichsnotopfer im Rahmen der Erzbergerschen Finanzreformen als allgemeine außerordentliche Vermögensabgabe eingeführt. Das Nettovermögen der Steuerpflichtigen wurde breit erfasst und nach Abzug eines Freibetrages von 5000 Mark (für Verheiratete 10.000 Mark) progressiv besteuert. Die Steuersätze begannen bei zehn Prozent und stiegen stufenweise bis auf 65 Prozent für abgabepflichtige Vermögen über sieben Millionen Mark.
    Die Vermögensabgabe scheiterte in den Folgejahren weitgehend. Die Finanzverwaltung war kaum in der Lage, die Vermögen umfassend zu ermitteln, die hohen Abgabesätze lösten politische Empörung sowie starken Steuerwiderstand und Steuerflucht aus.
  • Allgemeine Vermögensteuer
    Ab 1923 wurde das Reichsnotopfer durch die allgemeine Vermögensteuer ersetzt, die dann in Deutschland bis 1996 erhoben wurde. Parallel zur Einführung der Vermögensteuer erhob das Reich 1922/23 eine Zwangsanleihe. Zeichnungspflichtig waren alle am 1. Januar 1923 vermögensteuerpflichtigen Personen mit einem Vermögen über 100.000 Mark.
    Im Zuge der Hyperinflation im Jahre 1923 wurde die Zwangsanleihe zu einer Vermögensabgabe, soweit sie angesichts der sich stark beschleunigenden Inflation nennenswerte Belastungswirkungen auslöste.
  • Vermögensabgabe
    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ab 1949 eine Vermögensabgabe auf den Vermögensbestand von 1948 erhoben, die1952 im Rahmen des Lastenausgleichs abschließend geregelt wurde. Die Bemessungsgrundlage orientierte sich grundsätzlich an der Vermögensteuer, juristische Personen waren gesondert steuerpflichtig. Abgabepflichtig waren vor allem Grund- und Betriebsvermögen entsprechend den steuerlichen Einheitswerten.
  • Zwangsanleihe bei der gewerblichen Wirtschaft
    Das Investitionshilfegesetz von 1952 sah eine Zwangsanleihe bei der gewerblichen Wirtschaft zugunsten von Investitionen in einzelnen Grundstoffindustrien vor. Hintergrund waren Finanzierungsprobleme der Grundstoffindustrien, die noch Bewirtschaftungsvorschriften und Preisregulierungen unterlagen. Bei den aufbringungspflichtigen Unternehmen wurde auf Grundlage der Gewinne und Umsätze 1950/51 ein Betrag von einer Milliarde DM (1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 1952) erhoben.
    Als Gegenleistung erhielten die leistenden Unternehmen Aktien oder Schuldverschreibungen der begünstigten Unternehmen. Das Bundesverfassungsgericht akzeptierte diese Zwangsanleihe später als vereinbar mit den Kompetenzen des Bundes zur Wirtschaftsregulierung und sah darin auch keinen Verstoß gegen die Grundrechte.
  • Investitionshilfeabgabe
    Im Herbst 1982 führte die neugebildete schwarz-gelbe Bundesregierung eine Investitionshilfeabgabe zur Förderung des Wohnungsbaus ein, die später unverzinslich zurückgezahlt werden sollte. Die Abgabe betrug fünf Prozent der festzusetzenden Einkommen- und Körperschaftsteuerschuld der Jahre 1983, 1984 und 1985, wobei sie auf die Einkommensteuer nur erhoben wurde, soweit die Steuerschuld 15.000 DM (30.000 DM bei Verheiratenden) überstieg.
    Bei Gewinneinkünften ermäßigte sich der Abgabesatz um 20 Prozent der inländischen Investitionen des Abgabepflichtigen. Die Abgabe sollte in den Jahren 1990 bis 1993 zurückgezahlt werden. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Abgabe 1984 für verfassungswidrig.

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