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Freitag, 19. Dezember 2014

Negativzinsen der SNB Logisch mit heiklen Nebenwirkungen

Negativzinsen der SNB

Logisch mit heiklen Nebenwirkungen

Alles hat seinen Preis. Seit Donnerstag weiss man, dass sich der Preis des Mindestkurses von 1 Franken 20 zum Euro in der Schweiz absehbar in nominal negativen Zinsen ausdrücken wird. Weil die Schweizerische Nationalbank (SNB) zuerst ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen ändern muss, wird sie einen negativen Zins von –0,25 Prozent erst ab dem 22. Januar erheben – dem Tag, an dem die nächsten Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) anstehen. Um die Banken nicht zu sehr zu belasten, hat sie hohe Freibeträge festgesetzt. Im Durchschnitt werden vorerst mehr als neun Zehntel aller Giroguthaben bei der SNB von den negativen Zinsen befreit sein. Dennoch haben Banken nun einen zusätzlichen Anreiz, Gelder aus dem Ausland nur noch gegen Gebühr anzunehmen. Das ist das Signal, das die SNB mit ihrem neuen Instrument aussenden will: Der Franken soll relativ zu anderen Währungen unattraktiver werden. Eine Herabsetzung der Freibeträge oder eine Erhöhung der Negativzinsen könnte dieses Signal jederzeit noch verstärken.

Aufgabe des Mindestkurses wäre schlimmer

Notenbanken versuchen Preisstabilität zu sichern, indem sie Inflations- und Wechselkurserwartungen beeinflussen und Zinsen steuern. Wenn eine kleine Volkswirtschaft ihre Währung an eine andere anlehnt, wie dies die Schweiz mit ihrer Mindestkurspolitik getan hat, dann «importiert» sie damit deren Geldpolitik und kann das Zinsniveau nicht mehr völlig frei bestimmen. Die EZB hat klargemacht, dass sie ihre Geldpolitik noch expansiver gestalten will. Dazu hat sie bereits negative Zinsen eingeführt. Weil die Schweiz von vielen als etwas stabiler, attraktiver und gegenüber Inflation negativer eingestellt gesehen wird als die Euro-Zone, sind Frankenzinsen traditionell etwas tiefer als Euro-Zinsen. Dieses Zinsdifferenzial hat sich in letzter Zeit teilweise umgekehrt. Negative Frankenzinsen sollen dies nun korrigieren und so Druck vom Franken nehmen. So gesehen, ist der Schritt, den die SNB am Donnerstag verkündet hat, sachte, aber logisch.
Unmittelbarer Auslöser war offenbar die starke Verunsicherung der Märkte im Zuge der Rubel-Krise der letzten Tage. Anleger flüchteten wieder in den Franken, und die SNB musste intervenieren. Die Aussicht auf Negativzinsen soll das nun ändern. Sollten allerdings grosse neue Erschütterungen Anleger verunsichern, werden leichte Negativzinsen sie kaum von der Flucht in den Franken abhalten. Um den Mindestkurs zu halten, müsste die SNB erneut Fremdwährungen kaufen oder noch drastischere Massnahmen ergreifen. Würde sie stattdessen den Mindestkurs aufgeben, müsste das zusätzlich noch Aufwertungserwartungen schüren und den Franken erst recht für die ganze Welt attraktiv machen. Ein starkes Überschiessen mit schmerzhaften Folgen für die Schweizer Wirtschaft und eine deutlich deflationäre Preisentwicklung wären die gefährlichen Folgen. Eine Aufgabe des Mindestkurses ist deshalb weiterhin keine sinnvolle Option.

Ewig sollte es so nicht weitergehen

Finanzkrise und strukturelle Wachstumsschwächen werden weltweit immer noch mit einer äusserst unkonventionellen, extrem expansiven Geldpolitik (zu sehr) bekämpft und abgedämpft. Dem kann sich auch die Schweiz nicht entziehen. Das aber verursacht immer deutlichere Nebenwirkungen. Zwar sind letztlich die Realzinsen massgebend. Diese sind in einem zunehmend disinflationären Umfeld auch jetzt noch nicht zwingend negativ. Doch mit dem Abgleiten in nominal negatives Zinsterritorium wird eine psychologisch bedeutende Marke überschritten. Geld nicht in bar zu halten, wird nun spürbar kostspielig. Die Anreize, sich in Sachwerte und hohe Risiken zu flüchten, verstärken sich. Preisblasen bei Finanz- und Sachanlagen werden die natürliche Folge sein. Während sich die SNB gegen eine Überhitzung auf dem Immobilienmarkt stemmt, haben am Donnerstag einzelne Anbieter bereits damit geworben, dass nun Hypotheken auf längere Zeit hinaus günstig bleiben werden. Ganz generell wird Sparen bestraft, und es findet eine weitere Umverteilung von Sparern hin zu Schuldnern (und überschuldeten Gemeinwesen) statt. Pensionskassen und Altersvorsorgesysteme leiden unter mangelnden Renditen. Das sowieso schon unter Druck stehende Schweizer Bankensystem gerät durch die Negativzinsen unter zusätzlichen Stress. Soll das nicht böse enden, werden gelegentlich wieder normalere Verhältnisse einkehren müssen.
Leider ist jetzt das Gegenteil der Fall. Das ist nicht der SNB anzulasten. Für eine Normalisierung muss die reale Wirtschaft in Europa gesunden. Solange dies nicht in Sicht ist, wird die Lage für die Schweizer Geldpolitik schwierig bleiben. Der Preis der Stabilität könnte noch höher werden.

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