Steuerstreit mit Deutschland
Strategien zur Abwehr der «Kavallerieattacken»
Deutsche Staatsanwälte wollen Informationen zum Offshore-Geschäft der Schweizer Banken. Es gibt verschiedene Wege, wie mit den Drohgebärden umgegangen werden kann.
Drohanrufe aus Deutschland schüren seit Wochen bei Schweizer Banken die Angst, dass ein zweiter «Fall USA» aufzieht. Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) wird in den nächsten Tagen erneut wegen der Druckversuche deutscher Staatsanwaltschaften an den Bundesrat herantreten. Der Branchenverband wird den Bundesrat damit zum zweiten Mal auffordern, offiziell in Berlin gegen das Vorgehen der Ermittler zu intervenieren und darauf zu pochen, dass diese für ihre Erkundungen den bilateralen Weg über Amts- und Rechtshilfe einhalten.
Die Angst ist berechtigt
Hintergrund sind Telefonanrufe, die eine ganze Reihe von Schweizer Banken erhalten hat. Deutsche Staatsanwälte, Ermittler oder als Vermittler agierende Anwälte verlangten die Lieferung von Datenmaterial zum grenzüberschreitenden Offshore-Geschäft mit deutschen Kunden. Werde dieses nicht geliefert, so die Drohung, würde Bankern in Deutschland eine Untersuchung wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung und eine Busse wegen des Verstosses gegen das deutsche Ordnungswidrigkeitengesetz drohen. Gleichzeitig wurden einzelne Schweizer Banker brieflich informiert, dass gegen sie in Deutschland eineUntersuchung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehungläuft.
Wird eine hiesige Bank derart angegangen, gibt es drei mögliche Reaktionen. Die einen entscheiden sich, nichts zu tun und abzuwarten. Das kann dann einen Sinn ergeben, wenn die Bank ihr deutsches Offshore-Geschäft aufgearbeitet hat und weiss, dass es keine bis wenig Anzeichen für eine aktive Beihilfe zur Umgehung deutscher Steuerpflichten gibt. Andere Banken verhandeln direkt mit den deutschen Behörden. Auch hier ist nicht bekannt, wie viele das sind. Derartige Verhandlungen können schneller und ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten anderer Banken geführt werden. Die bisher bekanntgewordenen, selbst verhandelten vier Vergleiche wurden zwar mit der jeweiligen Staatsanwaltschaft geschlossen, gelten aber für ganz Deutschland.
Am grössten ist wohl die dritte Gruppe. Weit über 30 Institute haben die SBVg um Hilfe gebeten. Dies sind mehrheitlich Banken, die in der Deutschschweiz und in Grenznähe ansässig sind, unabhängig davon, ob eine Bank aktiv bei der Steuerumgehung half oder einfach deutsche Gelder offshore betreute. Generell ist davon auszugehen, dass die meisten der betroffenen Banken deutlich mehr deutsche als amerikanische Kunden betreuen.
Auch wenn klare Unterschiede zum «Fall USA» bestehen – unberechtigt ist die Angst vor einem weiteren Steuerstreit nicht. Auch goutierten die deutschen Ermittler die Bemühungen der Schweizer Banken bisher nicht, möglichst viele deutsche Steuersünder in die Selbstanzeige zu begleiten.
Eine Anfrage aus Bern, ob ein Programm zur Bereinigung der Vergangenheit ähnlich dem US-Programm gewünscht werde, wurde von der SBVg dennoch entschieden abgelehnt. Mit einem solchen würde die Schweiz implizit eingestehen (so wie im Fall USA geschehen), dass eine grosse Zahl von Schweizer Banken deutschen Kunden aktiv bei der Umgehung der Steuerpflichten half – und dies unabhängig von der jeweiligen Situation der einzelnen Bank. Das wollen sowohl der Bund als auch die Banken verhindern.
«Riesenwirbel» der Banken
Wie man innerhalb der dritten Gruppe die deutschen Drohgebärden parieren will, darüber herrscht grosse Uneinigkeit. SBVg-Kommunikationschef Thomas Sutter betont, dass das Ganze präjudiziellen Charakter hat. Mahne der Bundesrat nicht auf offizieller Ebene, dürften bald andere Länder dem Beispiel Deutschlands folgen.
Aus Bern dagegen ist von einzelnen Beobachtern zu hören, dass die Banken nicht so einen «Riesenwirbel» veranstalten sollten, vor allem jene, die sich bei der Betreuung ihrer Kundschaft nichts vorzuwerfen hätten. Mit Deutschland habe die Schweiz ein sehr gutes Verhältnis, die rechtliche Situation sei anders als damals mit den USA. Deren extraterritoriale Auslegung ihrer Gesetze sei in Deutschland nicht möglich. Dennoch wird eingeräumt, es sei durchaus möglich, dass entsprechende Bedenken in Berlin deponiert würden, so ein Beobachter aus Bern. Dies sollte dann aber auf dem üblichen vertraulichen diplomatischen Weg geschehen.
Die einzelnen Staatsanwaltschaften agieren unabhängig von Berlin. Erst wenn ein Schweizer Gesetz verletzt wird, kann dagegen vorgegangen werden. Die Juristen aus Bern kommen zu einer diametral anderen Einschätzung als die Banken. Sie sagen, dass die deutschen Behörden auch heikles Datenmaterial verlangten, das nur über Rechtshilfe herausgegeben werden könne. Das Eidgenössische Justizdepartement meint dagegen, dass die Informationen anonyme statistische Daten sind, die keine Rückschlüsse auf Kunden oder Mitarbeiter zulassen. Eine Herausgabe durch die Banken sei möglich.
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