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Freitag, 15. April 2016

Stromknappheit in Venezuela Bitte nicht föhnen Venezuelas Staatschef kämpft mit kuriosen Maßnahmen gegen die Energiekrise: Um Strom zu sparen wird die Zeit umgestellt. Und die Damen im Land der Schönheitsköniginnen sollen aufs Haareföhnen verzichten. 15.04.2016, von CARL MOSES

Stromknappheit in VenezuelaBitte nicht föhnen

Venezuelas Staatschef kämpft mit kuriosen Maßnahmen gegen die Energiekrise: Um Strom zu sparen wird die Zeit umgestellt. Und die Damen im Land der Schönheitsköniginnen sollen aufs Haareföhnen verzichten.
 von CARL MOSES
© DPAIm Land der Schönheitsköniginnen sollen die Damen aufs Haareföhnen verzichten. Unser Bild zeigt die Miss Venezuela Edymar Martinez
Kommt Venezuelas Wirtschaft bald völlig zum Erliegen? Angesichts einer dramatischen Wasser- und Energieknappheit ergreift die Regierung von Staatspräsident Nicolás Maduro immer drastischere Maßnahmen zur Senkung des Stromverbrauchs. Durch die Verfügung von drei zusätzlichen Feiertagenhatte Maduro bereits die komplette Osterwoche zu Ferien erklärt. Jetzt verfügte Maduro für den kommenden Montag einen weiteren arbeitsfreien Tag. Der Dienstag ist ohnehin ein Feiertag in Venezuela.
 
Venezuela in der Energiekrise: Die Zeit wird umgestellt und die Damen sollen keine Haare mehr föhnen.
Jeder Tag mit geringerem Stromverbrauch zählt. Nach einer ausgeprägten Trockenperiode sind die Pegelstände in Venezuelas Wasserkraftwerken, die fast zwei Drittel des gesamten Stroms erzeugen, auf Rekordtiefen gesunken. In Venezuelas größtem Wasserkraftwerk Guri, das drei Viertel des Stroms für die Hauptstadt Caracas liefert, steht das Wasser im Stausee nur noch 243 Meter über dem Meeresspiegel. Normal sind 265 Meter, ab 250 wird die Lage kritisch, bei 240 Metern müsste die Anlage abgeschaltet werden um Schäden an den Turbinen zu vermeiden. Mit Regenfällen ist nicht vor Mitte Mai zu rechnen.
Für die öffentliche Verwaltung und die Staatsbetriebe hat Maduro darum schon bis Ende Mai jeden Freitag zum freien Tag erklärt. Um weitere Einfälle zur Rationierung des Stromverbrauchs ist Maduro aber nicht verlegen. Hotels und Einkaufszentren sollen ihren Strom selbst erzeugen. Zum 1. Mai will Maduro die Uhren verstellen, um das Tageslicht besser auszunutzen. Zudem empfahl Maduro im Land der Schönheitsköniginnen den Damen, ihre Haare nur noch zu besonderen Anlässen zu föhnen.

Ist El Niño verantwortlich?

Staatschef Maduro macht das Klimaphänomen El Niño für die Engpässe verantwortlich. Eine durch besondere Strömungen verursachte Aufwärmung des pazifischen Ozeans führt in den Niño-Jahren zu besonders hohen Temperaturen und außergewöhnlich geringen Regenfällen im Norden Südamerikas. Die laufende Niño-Phase gilt als besonders ausgeprägt. Neu sind die Stromengpässe in Venezuela freilich nicht. Schon seit zehn Jahren kommt es immer wieder zu gravierenden Stromausfällen. Energieexperten beklagen strukturelle Mängel in der Energiewirtschaft, für die sie eine verfehlte Politik in den 17 Jahren der sozialistischen Regierung verantwortlich machen.
Nach Angaben der Ingenieur-Gruppe Grupo Ricardo Zuloaga verfügt Venezuela theoretisch mit 34.400 Megawatt über eine Stromerzeugungskapazität, die nahezu doppelt so hoch ist wie die Stromnachfrage. Doch die Hälfte der Kapazität sei aufgrund von mangelhafter Wartung und Investitionen nicht wirklich verfügbar. Darum bestehe ein Versorgungsdefizit von mehr als 1000 Megawatt, erklärt der Elektroingenieur Miguel Lara Guarenas. Die Regierung habe zu wenig in die Instandhaltung von Öl- und Gaskraftwerken investiert, kritisiert sein Kollege Jesús Gómez. Ein großer Teil der Anlagen sei darum nicht einsatzfähig. Schuld sei nicht zuletzt die Bürokratie und die Politisierung des staatlichen Stromkonzerns Corpolec, so Lara. „Der Kollaps der gesamten Stromversorgung ist praktisch unumkehrbar“, meint Gómez.
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Die Energiekrise im ölreichsten Land der Erde verschlimmert die Not der ohnehin durch Versorgungsmängel aller Art gebeutelten Bevölkerung. Kein Land leidet so stark unter dem Einbruch der Ölpreise wie Venezuela, das fast alle Exporterlöse aus dem Ölexport erzielt. Aufgrund des zugespitzten Devisenmangels und Importrestriktionen sind selbst Lebens- und Arzneimittel knapp. Staatschef Maduro räumte am Donnerstag ein, die ersten drei Jahre seiner sechsjährigen Amtszeit seien „nicht leicht gewesen“. Doch für die nächsten Jahre versprach Maduro „Wachstum, den Aufbau des Sozialismus und soziales Glück“.

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