Amerikanischer HaushaltsstreitSpitzenbanker warnen vor Horrorszenario
13.10.2013 · Bei den Verhandlungen über die Anhebung der Schuldenobergrenze drängt die Zeit. Spitzenbanker wie der Ko-Vorstandschef der Deutschen Bank, Anshu Jain, fürchten negativen Folgen für das gesamte Finanzsystem. Weltbank-Chef Kim warnt vor einer weltweiten Katastrophe.
Von NORBERT KULS, WASHINGTON
Im Haushaltsstreit in den Vereinigten Staaten hat Weltbank-Präsident Jim Yong Kim Regierung und Republikaner zu einer raschen Einigung aufgerufen. Die Vereinigten Staaten seien nur Tage davon entfernt, eine weltweite wirtschaftliche Katastrophe zu verursachen, sagte Kim in Washington: „Wir sind fünf Tage von einem sehr gefährlichen Moment entfernt.“ Wenn die Frist bis zum Erreichen der Schuldenobergrenze am kommenden Donnerstag ohne eine Einigung über deren Anhebung erreicht werde, drohten weltweit Zinserhöhungen, ein erheblicher Vertrauensverlust und Wachstumsschwäche, warnte Kim.
Auch der Ko-Vorstandsvorsitzende der Deutsche Bank, Anshu Jain, und andere Spitzenbanker haben angesichts eines immer näher rückenden Zahlungsausfalls amerikanischer Staatsanleihen in deutlichen Worten vor negativen Auswirkungen auf das Finanzsystem gewarnt.
Als „absolut katastrophal“ bezeichnete Jain einen potentiellen Ausfall der Wertpapiere auf einer Konferenz des internationalen Bankenverbandes IIF. Es gebe eine sehr enge Beziehung zwischen der Integrität amerikanischer Staatsanleihen und dem Status des Dollar, der internationalen Reservewährung. „Damit darf man nicht herumspielen. Wir reden hier über das Fundament des Finanzsystems“, sagte Jain.
Vor allem für die Entwicklungsländer könne dies eine Katastrophe bedeuten, aber auch die Industrienationen würden die Folgen drastisch zu spüren bekommen, sagte auch Weltbank-Chef Kim.
Stillstand bei Verhandlungen
Die Verhandlungen über die Anhebung der Schuldenobergrenze zwischen Republikanern und Demokraten schienen am Wochenende wieder festgefahren.Wird das Limit von derzeit 16,7 Billionen Dollar nicht rechtzeitig vom Kongress angehoben, kann das Finanzministerium die Zinsen von Staatsanleihen nicht mehr bedienen. Nach Angaben des Ministeriums bleibt nur noch Zeit bis zum 17. Oktober, um die Grenze anzuheben. Jain und andere Finanzfachleute wiesen auf die Bedeutung der Staatsanleihen als Sicherheiten für die kurzfristige Finanzierung von Finanzdienstleistern und Unternehmen auf dem Markt für sogenannte Repo- oder Pensionsgeschäfte hin.
Dieser obskure Markt ist eines der wichtigsten Schmiermittel des amerikanischen Finanzsystems. Investmentbanken, Hedgefonds und Unternehmen tauschen dort mit Geldmarktfonds Wertpapiere gegen Bargeld. Für diese Transaktionen werden häufig amerikanische Staatsanleihen verwendet, die als extrem sichere Anlage gelten. Ein Zahlungsausfall hätte nach Ansicht von Jain „unheilbare“ rechtliche Konsequenzen für die Geschäfte. „Es wäre eine sich sehr schnell ausbreitende tödliche Krankheit.“ Jain und seine Kollegen gaben sich dennoch überzeugt, dass noch rechtzeitig eine wie auch immer geartete Lösung gefunden werde.
Jamie Dimon, der Vorstandsvorsitzende der größten amerikanischen Bank JP Morgan Chase befürchtet andernfalls „riesige unbeabsichtigte Folgen“ für die globale Konjunktur. Er betonte die Gefahr, dass das leichte Wirtschaftswachstum abgewürgt werden könnte. „Wir haben es fast geschafft. Lasst uns bitte kein Eigentor schießen“, flehte Dimon. Seine bisherige Zurückhaltung in der Debatte begründete er scherzhaft mit einem Hinweis auf die behördlichen Ermittlungen gegen seine Bank. „Ich habe genug Probleme damit, Demokraten und Republikaner zu verärgern“, sagte Dimon unter dem Gelächter der anwesenden Banker.
JP Morgan hat 23 Milliarden Dollar zurückgestellt, um sich für mögliche Strafzahlungen zu wappnen. Die Bank verhandelt derzeit mit dem Justizministerium und mehreren Aufsichtsbehörden über einen außergerichtlichen Vergleich in Höhe von 11 Milliarden Dollar. Der Bank werden unter anderem unlautere Methoden bei der Emission von Hypothekenanleihen im Vorfeld der Finanzkrise vor fünf Jahren vorgeworfen.
Geldmarktfonds könnten Marktverwerfungen herbeiführen
Dimon warnte wegen der Schuldendebatte auch vor dem Rückzug von Geldmarktfonds, was zu Marktverwerfungen führen könnte. „Geldmärkte sind die wechselhaftesten Märkte der Welt“ sagte Dimon. Verluste eines in Amerika sehr bekannten Geldmarktfonds mit wertlos gewordenen Anleihen der zusammengebrochenen Investmentbank Lehman Brothers hatten auf dem Höhepunkt der Finanzkrise für Panik unter Investoren gesorgt. Die Fonds, die in kurzlaufende Anleihen von Staaten und Unternehmen investieren, galten bis dahin als extrem sichere Anlage, die einem Bankkonto ähnelt. Die Fonds versprechen Anlegern die volle Rückzahlung ihres investierten Kapitals.
Kurzlaufende Staatsanleihen, die am 17. Oktober fällig werden, gerieten in der vergangenen Woche zeitweise unter massiven Verkaufsdruck. Die große Fondsgesellschaft Fidelity hatte in ihren Geldmarktfonds in den vergangenen Wochen als „Vorsichtsmaßnahme“ alle Engagements in Papieren beendet, die um die Zeit fällig werden oder Zinsen zahlen, in der die Schuldengrenze angehoben werden muss.
Für die große kalifornische Rentenfondsgesellschaft Pimco war das eine Gelegenheit, die Papiere zu gefallenen Preisen zu erwerben. Pimco, eine Tochtergesellschaft des Münchner Versicherers Allianz, unterliegt nicht den Beschränkungen von Geldmarktfonds. „Wir machen genau das Gegenteil, wir kaufen wahrscheinlich, was Fidelity verkauft“, sagte Bill Gross, Gründer und Chefanleger von Pimco, vergangene Woche in einem Interview. Auf der Konferenz des IIF bestätigte Gross’ Kollege Mohamed El-Erian, der Vorstandsvorsitzende von Pimco, die Käufe. Auf die Frage, ob Pimco im Besitz kurzlaufender Papiere sei, lächelte El-Erian: „Ja, sind wir.“
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