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Mittwoch, 20. Januar 2016

Niedriger Ölpreis Das Ende des Fracking-Booms Der Verfall des Ölpreises bremst die Förderung in den amerikanischen Schieferregionen. Das belastet Finanzmärkte und Banken. Droht eine neue Krise?


Niedriger ÖlpreisDas Ende des Fracking-Booms

Der Verfall des Ölpreises bremst die Förderung in den amerikanischen Schieferregionen. Das belastet Finanzmärkte und Banken. Droht eine neue Krise?

© DPAWas wird aus den Frackinganlagen? Der Fall der Ölpreise hat den Höhenflug der amerikanischen Fracking-Branche gestoppt.
Die Kettenreaktionen an der Wall Street haben begonnen. Der mit Ramschanleihen und billigen Krediten finanzierte Höhenflug der amerikanischen Fracking-Branche wurde von dramatisch gefallenen Ölpreisen gestoppt. Erst sackten die Kurse der von Erdöl- und Erdgasförderern emittierten, hochverzinslichen und risikoreichen Anleihen ab, um die sich die vom niedrigen Zinsniveau frustrierte Anleger vor ein paar Jahren noch gerissen hatten. Und jetzt spüren auch amerikanische Banken, dass hochverschuldete Ölproduzenten ihre Darlehen möglicherweise nicht mehr zurückzahlen können.
Viele Banken, die in diesen Tagen ihre Ergebnisse für das vierte Quartal vorlegen, meldeten bereits steigende Ausfälle bei Firmenkrediten für die Energiebranche. Die Lage dürfte sich weiter zuspitzen. Angefangen vom Marktführer JP Morgan bis zum regionalen Kreditinstitut BOK Financial im ölreichen Bundesstaat Oklahoma erhöhten Banken ihre Rückstellungen für ausfallgefährdete Kredite. „Es beginnt sich auszuweiten“, sagte William Demchak, der Vorstandsvorsitzende der Regionalbank PNC Financial aus Pittsburgh. Kreditprobleme wegen niedriger Energiepreise beträfen „jeden, der am Anfang des Ölbooms mitgespielt“ habe. Die Unsicherheit spiegelt sich auch an der Börse wider. Die Aktienkurse amerikanischer Banken sind seit Anfang des Jahres gemessen am KBW Nasdaq Bank Index um rund 13 Prozent gefallen – deutlich stärker als der Gesamtmarkt. Der breit gefasste Index S&P 500 lag zuletzt mit 8 Prozent im Minus.
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Nachlassende Nachfrage von großen Importeuren

Besonders unter Druck gerieten Regionalbanken mit großen Portfolios an Energiekrediten. BOK Financial, die Holdinggesellschaft für die Bank of Oklahoma und die Bank of Texas, verfehlte ihre Quartalsprognosen, weil sie ihre Vorsorge für notleidende Kredite wegen eines – namentlich nicht genannten – Schuldners aus der Energiebranche erhöhen musste. Der Aktienkurs von BOK Financial stürzte in diesem Jahr schon um 20 Prozent ab. Der Preis für Öl der amerikanischen Sorte WTI ist allein in diesem Jahr ebenfalls um rund ein Fünftel auf zuletzt unter 30 Dollar je Barrel gefallen. Das geht teilweise auf die Sorge um nachlassende Nachfrage von großen Importeuren wie China zurück. Es ist aber auch eine Folge der in den vergangenen Jahren gestiegenen amerikanischen Produktion mittels Fracking, dem vergleichsweise kostspieligen Aufbrechen von Schiefergesteinsschichten zur Förderung von Erdöl und Erdgas.
Infografik / Fracking unter Druck© F.A.Z.Vergrößern
Viele Bankkredite wurden zu einer Zeit vergeben als Öl, das Produzenten als Sicherheit für die Kredite stellen, noch 80 Dollar je Barrel kostete. Zwar sichern Ölgesellschaften die Preise üblicherweise am Terminmarkt ab. Laufen die Kontrakte aus und sollte der Ölpreis auf dem aktuell niedrigen Niveau verharren oder noch weiter fallen, könnten Banken gezwungen werden, ihre Rückstellungen für wacklige Kredite weiter zu erhöhen. „Um 50 Dollar je Barrel wird die Stimmung etwas gereizt“, beobachtet Bankenanalyst Christopher Mutascio vom Wertpapierhaus Keefe, Bruyette & Woods.
Auch die Bankenaufsicht OCC, die wie die meisten Aufseher vor der letzten Finanzkrise nicht die beste Figur machte, will diesmal stärker vorbeugen. Nach Medienberichten gab es zuletzt zwischen Banken und Aufsehern Streit über die Risikobewertung von Krediten, die mit Ölreserven besichert sind. Vertreter von Banken, die für höheres Risiko einen entsprechend größeren Kapitalpuffer vorhalten müssen, versuchten die von den Aufsehern angemahnten Risiken herunterzuspielen. Die Aufsicht ließ die Proteste nicht gelten. Angesichts des Rückgangs der Ölpreise und des Potentials einer langgezogenen Phase niedriger oder schwankender Preise konzentriere sich die OCC auf „die Prozesse der Banken zur Bewertung, Überwachung, und Bewältigung sowohl direkter als auch indirekter Engagements in der Öl- und Gasbranche“, hieß es in einem Bericht zu den Risiken der Kreditvergabe.

15 Prozent der Darlehen im Feuer der Energiebranche

Auf den ersten Blick scheint das direkte Engagement der großen Banken in der Energiebranche aber überschaubar zu sein – die Banken und einige Analysten jedenfalls signalisieren Zuversicht. Der Vorstandschef der Großbank Wells Fargo, John Stumpf, betont, dass der Anteil von Krediten an die Öl- und Gasbranche nur 2 Prozent des Gesamtportfolios betrifft. Unter den vier größten amerikanischen Banken ist JP Morgan mit einem Anteil von zuletzt knapp 6 Prozent am stärksten engagiert. Für einige kleinere Banken, wie die texanische Cullen/Frost Bankers, stehen rund 15 Prozent der Darlehen im Feuer der Energiebranche.
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„Es war eine heiße Branche, wahrscheinlich ein wenig zu heiß“, sagt Dick Evans, Vorstandschef von Cullen/Frost. Grund zur Panik sieht er aber nicht. Auch einige Analysten glauben wegen des begrenzt wirkenden Engagements nicht, das eine neue Kreditkrise wie vor sieben Jahren droht. „Es wird nicht weltbewegend sein“, meint Dick Bove vom Wertpapierhaus Rafferty Capital. Banker hoffen zudem, dass die gefallenen Ölpreise Verbraucher dazu bringen, mehr Geld auszugeben, weil sie weniger für Benzin bezahlen müssen – was den Wirtschaftsaufschwung beflügeln könnte.
Aber möglicherweise indirekte und noch gar nicht klar absehbare negative Konsequenzen für Banken und Investoren könnte das Ende des Fracking-Booms dennoch haben. Das Gewicht der Energietitel im Gesamtmarkt der Ramschanleihen war von 4,6 Prozent im Jahr 2005 bis 2014 auf mehr als 15 Prozent angeschwollen. In einem Ramschanleiheindex der Citigroup kamen Energietitel Ende des Jahres immer noch auf knapp 13 Prozent. Die Emission von Ramschanleihen hat im vergangenen Jahr um mehr als 16 Prozent auf knapp 261 Milliarden Dollar nachgelassen. Das wirkt sich negativ auf Banken aus, die an der Emission dieser Papiere verdienen. Dave Sekera, Analyst beim Informationsdienst Morningstar, rechnet mit steigenden Pleitezahlen für Energietitel. Potential für eine zunehmende Nervosität an den Börsen und unwägbare Konsequenzen hat das allemal.

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