Folgen der Staatspleite: So geht es weiter mit Argentinien
Die Straßencafés sind gut gefüllt, Paare flanieren durch Einkaufsstraßen. Die Staatspleite scheint Argentinien und seine Bürger nicht zu berühren. Doch der Eindruck täuscht: Sie lässt die Menschen noch schneller verarmen.
Hamburg - Argentinien ist pleite - doch jeder Vergleich mit der bislang letzten Staatspleite 2001 verbietet sich: Vier Präsidenten binnen weniger Wochen gab es damals, Tote bei Ausschreitungen, weite Teile der Mittelschicht verarmten rapide. An diesem Donnerstag zieht es die Massen in Buenos Aires höchstens zum Shoppen auf die Straße, die eleganten Cafés sind gut gefüllt mit offensichtlich entspannten Besuchern.
Das ist jedoch ein gefährlicher Trugschluss. Zwar wird diese Staatspleite tatsächlich nicht eine derart gewaltige Zäsur darstellen wie die von 2001. Diesmal könnte das Land formal schon bald wieder aus der Pleite kommen, laut den meisten Experten spätestens im Januar 2015, vielleicht auch früher, wenn man sich mit den Gläubigern einigt.
Brandbeschleuniger für Argentiniens Probleme
Und doch ist jeder Tag in der Zahlungsunfähigkeit einer zu viel für Argentinien. Und jeder Tag verschärft die ohnehin prekäre Lage vieler Argentinier. Denn die Pleite wirkt wie ein Brandbeschleuniger für die immensen strukturellen Probleme Argentiniens, das dieses Jahr bereits in die Rezession gerutscht ist:
- Inflation: Die Verbraucherpreise verteuern sich drastisch, in diesem Jahr geschätzt um 40 Prozent. Die Löhne steigen zwar auch, aber nicht in gleichem Maße. Für dieses Jahr rechneten Ökonomen mit einem durchschnittlichen Reallohn-Verlust von sechs Prozent - noch ohne die Effekte der Staatspleite. Wichtiger Grund für die Geldentwertung: Die Regierung lässt einfach Geld drucken, wenn sie welches braucht.
Die Pleite verschärft dieses Problem noch, weil die Regierung nun noch nötiger auf Notenpressen angewiesen ist. Denn die Bemühungen der letzten Monate, an den internationalen Finanzmärkten an Kreditwürdigkeit zu gewinnen, sind nun vorerst vereitelt. - Abhängigkeit von Agrar- und Rohstoffexporten: Die Liste der begehrten Exportgüter Argentiniens ist kurz: Soja, Weizen, Fleisch, zunehmend Bodenschätze. So lange die Preise dafür wie in den Nullerjahren förmlich explodierten, florierte die Konjunktur, Argentinien hatte im Schnitt mehr als fünf Prozent Wachstum. Die Regierung versäumte aber, das Geld in den Aufbau wichtiger Industriezweige zu stecken und kurbelte stattdessen den Konsum durch Sozialprogramme an. Die Agrar- und Rohstoffpreise sind aber inzwischen eingebrochen und werden sich aller Voraussicht nach so bald nicht erholen.
Die Pleite verschärft dieses Problem noch, weil sie Investitionen einbrechen lässt: Argentinische Unternehmen können sich noch schwerer und noch teurer Kapital beschaffen als ohnehin schon. Und ebenso wie internationale Firmen werden sie die meisten Investitionen so lange zurückhalten, bis sich die Situation geklärt hat. So wird auch der dringend nötige Strukturwandel in der Wirtschaft noch stärker gehemmt.
- Devisenmangel: Medikamente, Benzin, Maschinen - viele wichtige Güter muss Argentinien importieren, bezahlt werden sie mit Dollar oder Euro. Die kommen fast nur noch durch die schwächelnden Exporte ins Land. Ende vergangenen Jahres waren die Devisenreserven bereits auf unter 30 Milliarden Dollar gesunken. Dieser Mangel schädigt die ohnehin angeschlagene Industrie: Sie ist auf den Import von Zwischenprodukten aus dem Ausland angewiesen.
Die Pleite verschärft dieses Problem noch, weil sie den Zugang zu Devisen weiter erschweren wird. - Konjunktur: Wegen des Preisverfalls auf den Agrar- und Rohstoffmärkten rechneten Ökonomen für dieses Jahr ohnehin mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um eineinhalb Prozent.
Die Pleite verschärft dieses Problem noch. Volkswirte gehen nun von einem Rückgang von bis zu 3,5 Prozent aus.
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Zuletzt war die Zustimmung der Bevölkerung zur Regierung rapide gesunken. Bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr schien ein Sieg eines Kirchner-fernen Kandidaten immer wahrscheinlicher, und damit ein Umschwenken in der Wirtschaftspolitik.
Die kompromisslose Haltung der Regierung in der jetzigen Krise finden viele Argentinier aber gut. Paradoxerweise könnte also gerade die durchCristina Kirchner mitverschuldete Staatspleite den Kirchnerismus retten
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