Janet YellenNotenbankchefin auf Pragmatismuskurs
Der amerikanischen Notenbank fällt es schwer, sich in Jackson Hole auf einen Kurs festzulegen. Die Fed-Vorsitzende Janet Yellen gesteht das locker ein. Ihr Ausweg: Pragmatismus.
22.08.2014, von PATRICK WELTER, WASHINGTON
Die Vorsitzende der amerikanischen Notenbank Federal Reserve, Janet Yellen, hat die Notenbank auf einen pragmatischen Kurs in den kommenden Monaten festgelegt. Die Geldpolitik folge keinem vorgegebenen Pfad, erklärte Yellen in der Eröffnungsrede der Notenbankkonferenz in Jackson Hole.
Konkrete Hinweise auf einen möglichen Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung gab die Fed-Vorsitzende nicht. Wie schon zuvor erklärte sie, in Abhängigkeit von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung die erste Zinserhöhung früher oder später kommen könne als derzeit erwartet. Im Offenmarktauschuss dringen manche auf eine schnelle Zinserhöhung, während andere den kommenden Sommer dafür geeignet halten.
Arbeitsmarkt noch nicht voll erholt
Der Arbeitsmarkt habe sich immer noch nicht voll erholt, sagte Yellen. Die Unterauslastung am Arbeitsmarkt bleibe noch signifikant. Yellen zeigte in der Rede die mannigfaltigen Analyseschwierigkeiten auf, weil unklar sei, welche Veränderungen am Arbeitsmarkt nach der Wirtschaftskrise dauerhaft und welche vorübergehend seien. Sie betonte, dass eine reine Betrachtung der Inflationsentwicklung nicht geeignet sei, um den Auslastungsgrad der Wirtschaft zu erkennen und adäquat zu steuern. Damit wandte sie sich indirekt dagegen, dass die Fed weniger auf den Arbeitsmarkt und stärker auf die Inflationsentwicklung fokussiere.
An den Aktienmärkten wurde Yellens Rede uneinheitlich, aber ohne großen Veränderungen aufgenommen. Der Euro verlor gegenüber dem Dollar etwa einen halben Cent an Wert und wurde um 1,3233 Dollar gehandelt.
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Die Fed hat bislang signalisiert, dass sie auch nach dem für Oktober erwarteten Ende der Anleihekäufe den seit 2008 bestehenden Nullzins noch für beträchtliche Zeit beibehalten wolle. Charles Plosser, Fed-Präsident in Philadelphia, warnte, sich auf solche Zeitvorgaben festzulegen. Es könne sich als echte Gefahr für die Wirtschaft herausstellen, wenn die Fed einen Fehler mache und den Leitzins erst in sechs Monate oder einem Jahr anhebe, erklärte Plosser.
„Eine Zinserhöhung irgendwann zur Jahresmitte 2015 scheint vernünftig“, sagte indes der Präsident der regionalen Fed von San Francisco, John Williams. Das entspricht den Erwartungen an den Kapitalmärkten.
Fed und Bank von England hü, EZB und Bank von Japan hott
Die Debatten zum Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik in Amerika basieren darauf, dass die Wirtschaft nach der Schrumpfung um 0,5 Prozent zum Vorquartal im zweiten Quartal um starke 1 Prozent gewachsen ist. Das lässt die Fed erwarten, dass die konjunkturelle Erholung sich kräftigen und beschleunigen wird. Der Beschäftigungszuwachs lag im sechsten Monat nacheinander bei mehr als 200.000 im Monat.
Auch in der Bank von England wird schon konkret der Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung debattiert. Auf der anderen Seite des internationalen Notenbankenspektrums stehen dagegen die Europäische Zentralbank und die Bank von Japan, die auf eine weitere Lockerung hinsteuern. EZB-Präsident Mario Draghi wird in Jackson Hole am Freitag die Tischrede halten. Die Wirtschaft im Euro-Raum stagnierte im zweiten Quartal, was die Wünsche an die EZB erhöht, die Geldpolitik weiter zu lockern.
Wie gut es dem amerikanischen Arbeitsmarkt wirklich?
Die Fed-internen Differenzen über den besten Zeitpunkt für eine Zinserhöhung gründen überwiegend in einer Frage: Wie schlecht oder wie gut geht es dem amerikanischen Arbeitsmarkt? Inflationsrisiken oder Gefahren für die Finanzstabilität fallen in den Fed-Debatten noch weitgehend unter den Tisch. Die Arbeitslosenquote ist schneller als erwartet auf zuletzt 6,2 Prozent gesunken.Damit ist sie nicht mehr weit entfernt von der inflationsneutralen Arbeitslosenquote, die die Ausschussmitglieder im Mittel bei 5,2 bis 5,5 Prozent ansetzen. Aber reicht das, um Erfolg zu rufen und die Geldpolitik zu straffen?
Passend dazu hat die Notenbankkonferenz in Jackson Hole, Wyoming, in diesem Jahr die Analyse der „Arbeitsmarktdynamik“ zum Thema. Yellen, die sich in ihrem akademischen Vorleben als Arbeitsmarktökonomin einen Namen gemacht hatte, bekräftigte in der Eröffnungsrede ihre wichtigste Botschaft zu dem Thema: Die Arbeitslosenquote zeige eine zu positive Entwicklung an. Die Kapazitäten am Arbeitsmarkt seien noch lange nicht ausgeschöpft.
Ein Indiz dafür ist die immer noch hohe Zahl der Langzeitarbeitslosen, ein anderes die hohe Zahl der Amerikaner, die Teilzeit arbeiten, weil sie keine Vollzeitstelle finden. Vor allem aber ist die Erwerbsquote seit 2007 deutlich um rund 3 Prozentpunkte auf 62,9 Prozent gesunken. Das spiegelt zum Teil wider, dass viele Menschen ohne Arbeit enttäuscht die Stellensuche aufgegeben haben. Mit einer sich kräftigenden Wirtschaft dürften sie aber wieder auf den Arbeitsmarkt drängen, den niedrigen Lohndruck weiter mindern und die Notwendigkeit von Zinserhöhungen dämpfen.
Yellens Hang zur akademischen Debatte
Dabei ist es unklar, inwieweit die Daten dauerhafte oder temporäre Veränderungen in der Wirtschaft anzeigen. Ökonomen führen etwa die Hälfte oder mehr des Rückgangs der Erwerbsquote auf strukturelle Faktoren wie die Alterung der Gesellschaft zurück oder auf eine nicht mehr umzukehrende Entfremdung der Langzeitarbeitslosen von regelmäßiger Beschäftigung. Die Unterauslastung des Faktors Arbeit und der geldpolitische Spielraum der Fed wären damit selbst in einer aktivistischen Interpretation des Fed-Mandats deutlich geringer als oft vermutet.
Debatten über solche Arbeitsmarktdetails dürften in diesem Jahr die Vorträge in Jackson Hole dominieren. Knackige Schlagzeilen fallen dabei kaum ab. Auch Yellens Eröffnungsrede deutet darauf hin, dass die Konferenz akademischer wird als in den Vorjahren. Yellen, die noch mehr als ihr Vorgänger Ben Bernanke den Hang zum wissenschaftlichen Pro und Contra auslebt, würde das liegen.
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