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Sonntag, 30. September 2012

Bliebe nur noch die EZB, die auf einen Teil ihrer Forderungen gegenüber den Griechen verzichten könnte. Die Notenbanker laufen gegen dieses Ansinnen Sturm. Eine Umschuldung auf Kosten der EZB stehe nicht zur Diskussion, sagte Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen diese Woche der "Welt". "

Welt am Sonntag 30.09.12

Wenn drei sich streiten

Die "Troika" soll gemeinsame Interessen der Gläubiger gegenüber Griechenland vertreten. Doch ihre Mitglieder liegen im Clinch



Der IWF hat eine besondere Rolle in der Troika für Griechenland: Er wird stärker angefeindet als die Vertreter der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank, und er ist strenger im Urteil, vorsichtiger in seinem Optimismus.
Noch agieren die Inspekteure vereint, reisen gleichzeitig an, zeigen sich nach den Verhandlungsrunden als Team. Intern aber ist nach Informationen der "Welt am Sonntag" zwischen den Vertretern der drei Geldgeber ein Gerangel um die richtige Richtung ausgebrochen. Das macht den Bericht schwierig, auf den ganz Europa wartet: Die drei Teams sollen eine gemeinsame Empfehlung geben. Aber sie sind sich nicht einig über die entscheidende Frage: Wer soll künftig für Griechenland bezahlen?
Klar ist bislang nur, dass die Troika Handlungsbedarf feststellen wird. Eigentlich sollte Griechenland seinen Schuldenstand bis zum Jahr 2020 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung senken, doch schon bevor die Regierung in Athen am Montag ihren Haushaltsentwurf für 2013 präsentiert, gilt als ausgemacht, dass sie weit vom bisherigen Finanzplan der Retter entfernt ist. Wie aber dieses Problem gelöst werden soll, ist höchst umstritten.
"Es wird immer deutlicher, dass diese Troika eine schwierige Kombination ist", sagt ein Notenbanker. "Es knirscht da ziemlich", sagt ein Berliner Beobachter. "Alle drei Institutionen haben unterschiedliche Interessen", sagt ein EU-Vertreter. "Das macht es nicht gerade einfach, sich auf die Schlussfolgerungen des gemeinsamen Berichts zu einigen."
Dabei ist für EU-Diplomaten längst klar, wie das Gutachten ausfallen soll, das die Entscheidungsgrundlage dafür ist, ob Athen die nächsten gut 31 Milliarden Euro ausbezahlt bekommt: Der Bericht werde unzureichende Maßnahmen kritisieren und Fortschritte loben, die es durchaus gibt. "Und dann wird man empfehlen, die Tranche zuzuteilen", sagt einer – das sei schließlich eine politische Frage, und die sieht der Mann als entschieden an. Von Kommissionspräsident José Manuel Barroso über den Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, bis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerten sich zuletzt alle Mächtigen Europas übereinstimmend: Man wolle Griechenland im Euro-Raum halten.
So einfach aber ist es für den IWF nicht. Für den Fonds geht es auch um seinen Ruf als gestrenger Staatensanierer. "Mit jedem Troika-Bericht, der sich kurze Zeit später als falsch herausstellt, verliert der IWF massiv an Glaubwürdigkeit. Da wird die Expertise angekratzt", heißt es in Berlin. Dazu kommt, dass die fast 190 Mitglieder der Organisation mitunter vollkommen gegensätzliche Ansichten zur Euro-Krise haben. Gerade die Schwellenländer Südamerikas, die früher teilweise selbst unter IWF-Auflagen ächzten, fordern eine harte Linie gegenüber den Europäern.
Das schlägt sich in den Troika-Verhandlungen nieder. Der IWF machte deutlich, dass von ihm keine weiteren Hilfen zu erwarten sind. Und Europas Regierungen, die Athen nicht ziehen lassen wollen, sehen auch keinen Spielraum für weitere Hilfen. Bliebe nur noch die EZB, die auf einen Teil ihrer Forderungen gegenüber den Griechen verzichten könnte. Die Notenbanker laufen gegen dieses Ansinnen Sturm. Eine Umschuldung auf Kosten der EZB stehe nicht zur Diskussion, sagte Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen diese Woche der "Welt". "Die EZB könnte sich an einer solchen Umschuldung auch gar nicht beteiligen, da dies eine verbotene monetäre Staatsfinanzierung wäre."
Gleichzeitig übt man sich in Zentralbankkreisen in Absetzbewegungen gegenüber dem Rest der Troika: Die EZB sei ja eigentlich gar kein vollwertiges Mitglied der Dreiergruppe, sondern habe eher einen Beobachterstatus, heißt es da. Die Botschaft ist klar: Die Zentralbank will sich nicht in die Verantwortung ziehen lassen. Ebenso wenig wie der IWF.
Das führt aber auch dazu, dass wohl weder EZB noch der geharnischt auftretende Währungsfonds das letzte Wort beim so umstrittenen Troika-Bericht haben werden. "Im ersten Griechenland-Programm ist der IWF voll dabei. Im zweiten nur noch minimal, da ist natürlich auch sein Einfluss geringer", sagt ein EU-Diplomat. Den Ton könnten also vor allem die Europäer angeben. Doch auch die sind sich untereinander nicht einig.
Ein Ausweg aus dem Dilemma könnte darin bestehen, das 120-Prozent-Ziel aufzuweichen. Die kursierende Idee, dafür den Stichtag um zwei Jahre auf 2022 zu verschieben, findet nach Recherchen der "Welt am Sonntag" aber eher wenige Befürworter. Alternativ wird erwogen, vorerst nur noch "auf Sicht zu fahren". Das hieße: Definiert werden nur noch die Ziele für die kommenden zwei Jahre, die Restlaufzeit des zweiten Griechenland-Programms. Die Frage, was danach passiert, müsste später geklärt werden. In Zentralbankkreisen sieht man diesen Vorschlag aber skeptisch. Die 120 Prozent stehen, heißt es dort.
In Brüssel wird daher eine andere Idee favorisiert. Man will den Griechen einen gewichtigen Teil der Sanierung abnehmen: Die Kapitalspritzen für die Banken des Landes, für die 48 Milliarden Euro des zweiten Hilfspakets vorgesehen sind, sollen nicht mehr den griechischen Staatshaushalt belasten. Stattdessen würden die maroden Institute direkt für die Rückzahlung geradestehen. Damit käme das Land dem 120-Prozent-Ziel ein gutes Stück näher. Allerdings wäre dann der nächste Zoff programmiert. Denn beim provisorischen Rettungsschirm EFSF sind solche direkten Kapitalspritzen nicht vorgesehen. Nur beim Nachfolger ESM sollen sie möglich sein. Das aber nur für neue Fälle und nicht für Altlasten, wie die Finanzminister Deutschlands, Finnlands und der Niederlande diese Woche betonten. Die Griechen aber hoffen, dass sie trotzdem in den Genuss der neuen Regeln kommen.
Es ist diese Gemengelage, die den Bericht der Troika beinahe zur Quadratur des Kreises macht. Die Prüfer müssen sich nicht nur untereinander zusammenraufen. Gerade die EU-Kommission muss auch beachten, welche Empfehlungen überhaupt durchsetzbar sind.
Das hat sich schon beim zweiten Griechenland-Paket gezeigt. Kaum war es beschlossen, handelte Finnland Sonderbedingungen aus. Später bestand Deutschland darauf, Athens Verfügungsgewalt über die Hilfsgelder zu beschränken. Ein EU-Diplomat warnt: "Die Diskussion um Goldpfand und Sonderkonten brauchen wir nicht noch einmal."

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