Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Montag, 14. Juli 2014

14 Häuser im Piemont sind testweise für 245.000 Euro angeboten worden – klingt nach einem Traum, doch der hat Haken. Investoren stehen vor vielen Hindernissen.


ItalienEin Bergdorf verkauft sich selbst auf Ebay

14 Häuser im Piemont sind testweise für 245.000 Euro angeboten worden – klingt nach einem Traum, doch der hat Haken. Investoren stehen vor vielen Hindernissen.
© (C) MICHELE D'OTTAVIO/DEMOTIX/COVergrößernZu verkaufen: das italienische Bergdorf Calsazio
Ein ganzer italienischer „Borgo“, eine geschlossene Siedlung, stand vor einigen Tagen auf Ebay für nur 245.000 Euro. Damit versuchte die Vereinigung der piemontesischen Berggemeinden von sich reden zu machen. Weil der Traum vom Ferienhäuschen in Italien auch außerhalb der Landesgrenzen verbreitet ist, sorgte das Angebot sofort für großes Aufsehen. Bei näherer Betrachtung war das dann allerdings nicht der Traum vom toskanischen Dorf so gut wie geschenkt: Der angebotene Borgo heißt Calsazio und liegt in einer dünn besiedelten Gegend im Westen der Region Piemont. Geboten werden 14 Häuser, allerdings nicht mit 50 Appartements, wie in deutschen Wunschträumen beschrieben, sondern laut offizieller Darstellung „50 Räumen“, und insgesamt nicht mehr als 700 Quadratmetern.
Die Siedlung mit nur fünf Einwohnern liegt an einer wenig befahrenen Staatsstraße, gehört zur 2000-Seelen-Gemeinde Sparone; die Autobahn ist 40 Kilometer entfernt, die Stadt Turin gut 60 Kilometer. Für Marco Bussone von der Vereinigung der piemontesischen Berggemeinden (Uncem) war das Angebot auf Ebay denn auch vor allem eine symbolische Aktion: „Im Piemont gibt es rund 200 solcher halbverlassener Borghi, denen kein Wert beigemessen wird und für die es keinerlei Unterstützung oder Werbung gibt.“ Die Vereinigung der 553 Berggemeinden des Piemont – die kleinste davon hat nur 30 Einwohner – sieht aber in den Investitionen für kleine Dörfer eine Überlebensfrage. Denn im Alpenmassiv nahe der französischen Grenze können eigentlich nur zwei piemontesische Bergdörfer ein einigermaßen lebendiges Wirtschaftsleben vorweisen: das mit Olympiapisten ausgestattete Sestriere und der weiter südlich gelegene Skiort Limone Piemonte.
Alle anderen Dörfer sind mit der Industrialisierung rund um Turin und Mailand entvölkert worden - ähnlich wie viele Berggegenden Süditaliens. Mit Neid müssen die Besitzer von Grundstücken und verfallenden Häuschen in den menschenleeren Gegenden im Westen verfolgen, wie im Südosten Turins die hügelige Weinregion der Langhe, rund um die Weindörfer Barolo und Barbaresco, wegen ihres Landschaftsbildes gerade von der Unesco in die Liste des Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde. In dieser Gegend, kaum 100 Kilometer Luftlinie von Calsazio, ist auch ein heruntergekommener Borgo mit 14 Häuschen ein Millionenobjekt.

Abgelegen kann attraktiv sein

„Auch der Borgo Calsazio liegt nicht so am Ende der Welt, wie es beim ersten Blick auf die Landkarte scheinen mag“, sagt jedoch Bussone von der Vereinigung der Berggemeinden. Schließlich sei der Nationalpark um das 3500 Meter hohe Bergmassiv des Gran Paradiso ganz nahe, mit vielen Wegen zum Wandern, für Mountainbiker, Langläufer und Skifahrer. Verkauft werden soll der Borgo mit fünf verbliebenen Einwohnern allerdings nicht von der Vereinigung der Berggemeinden, sondern mit deren Vermittlung von den verbliebenen fünf Eigentümern. Bussones Wunschtraum wäre ein „Albergo Diffuso“, ein Hotel, das sich über alle Häuschen erstreckt, mit einem Häuschen als Rezeption. Rund eine Million Euro seien für die Renovierung der Siedlung nötig, um daraus stilvolle, einfache Unterkünfte zu machen, sagt er. Angeblich haben sich auf das Ebay-Angebot hin zwanzig ernsthafte Bieter gemeldet, mit denen nun tatsächlich verhandelt werde.
„Sogar aus einem relativ abgelegenen Borgo lässt sich in Italien ein attraktives Reiseziel machen. Wir verkaufen auch Aufenthalte in total abgeschiedenen Orten selbst in Tibet und Bhutan, und manche Reisende wollen gerade eine einsame Lage“, kommentiert der Reiseunternehmer Enrico Ducrot, Inhaber des Luxus-Reiseveranstalters „Viaggi dell’Elefante“ und der Marke Ecoluxury, die unter anderem auch Zeltaufenthalte in afrikanischen Naturparks für bis zu 1000 Dollar die Nacht verkauft. Auch ein Borgo in Piemont könne in den Reiseführer für Ecoluxury aufgenommen werden, wenn das Angebot stimme, sagt Ducrot. Bisher bietet er allerdings neben Reisezielen auf allen Kontinenten nur eine kleine Siedlung in der Toskana, zu entsprechenden Preisen.
Mehr zum Thema
Italien habe „außerordentliche Chancen“, gerade in Gegenden um seine Nationalparks aus verlassenen Siedlungen attraktive Reiseziele zu machen, sagt Ducrot, der zeitweise in Mittelitalien in einen Borgo investiert hatte. Allerdings werden Investoren selbst in halbverlassenen Dörfern nicht automatisch mit offenen Armen empfangen. „Es ist hier schwierig, in der öffentlichen Verwaltung Verständnis für grundlegende Anforderungen eines Tourismusunternehmers zu finden“, klagt Ducrot. Auch wer vorsichtig an solche Investitionsprojekte herangehe, den Stil der Region wahren wolle und Rücksicht auf den nahen Nationalpark nehme, müsse mit Hindernissen rechnen.
Die Vermarktung eines Borgo in einem wenig touristischen Teil des Landes sei ebenfalls schwierig. „Mit Unterstützung durch die Tourismusstrategen ist nicht zu rechnen“, sagt Ducrot. Dennoch ist er fest davon überzeugt, dass sich Investitionen in italienische Borghi rechnen können. Bussone von der Berggemeinde-Vereinigung verspricht zumindest zu vermitteln, wenn ein Investor Schwierigkeiten mit lokalen Behörden haben sollte.
Quelle: F.A.Z. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen