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Mittwoch, 16. Juli 2014

Seit mehr als zwei Monaten ist MBB Clean Energy Anlegern die Zinsen schuldig. Gehandelt wird die Anleihe auch nicht mehr. Niemand scheint zu wissen, ob die Anleihe gültig ist und welche Forderungen korrekt sind


„Unberechtigte Forderungen“Bizarre Vorgänge um MBB Clean Energy

Seit mehr als zwei Monaten ist MBB Clean Energy Anlegern die Zinsen schuldig. Gehandelt wird die Anleihe auch nicht mehr. Niemand scheint zu wissen, ob die Anleihe gültig ist und welche Forderungen korrekt sind.
© PICTURE ALLIANCE / FOLTIN JINDRIVergrößernEckhart Misera, Vorstand der MBB Clean Energy
Der Ruf des Marktes für Mittelstandsanleihen ist durch Insolvenzen und Betrugsvorwürfe beschädigt. Den Höhepunkt bilden indes wohl die bizarr anmutenden Vorgänge um die Anleihe der Beteiligungsgesellschaft MBB Clean Energy. MBB steht für den früheren Rüstungskonzern Messerschmitt-Bölkow-Blohm, auf dessen Tradition sich MBB Clean Energy beruft, und hat ihren Sitz in Ottobrunn unter demselben Dach wie Teile des MBB-Nachfolgers Airbus.
MBB Clean Energy hatte, ohne Beteiligungen zu halten, im Mai 2013 mit einer Anleihe 300 Millionen Euro einnehmen wollen, um das Geld in Wind- und Solarparks zu stecken. Gleichsam als Ausgleich für die Risiken hatte das Unternehmen zusätzliche Sicherheiten versprochen, wie etwa die Hinterlegung der ersten Zinszahlung auf einem Treuhandkonto. Dennoch konnte man nur 72 Millionen Euro vereinnahmen.

Zinsverzicht nicht angekommen

Als dann im Mai 2014 die erste Zinszahlung anstand, wurde diese verschoben. „MBB Clean Energy AG verhindert Anlegerschaden“ hieß es in der Pressemeldung, in der das Unternehmen den Gläubigern mitteilte, dass die Zinszahlung „aus technischen Gründen“ verschoben werde. Für leichte Verwirrung sorgte die Erklärung, dass das Geld „für berechtigte Zinszahlungen“ auf dem Treuhandkonto bereitliege. Bis heute hat MBB die Zinsen aber nicht gezahlt. Die Anleihe ist seit Mai vom Handel ausgesetzt, die ursprüngliche Notierung im Frankfurter Entry Standard für Anleihen wurde mittlerweile ganz eingestellt. Die Anleihegläubiger besitzen so eine Anleihe, für die sie die überfälligen Zinsen nicht erhalten und die sie gegenwärtig auch nicht loswerden können.
Die Hintergründe sind derzeit nicht wirklich aufgeklärt. Es ergibt sich folgendes Bild: MBB hat im laufenden Jahr offenbar Zusagen von internationalen Großinvestoren über rund 500 Millionen Euro zu den Konditionen der Mittelstandsanleihe erhalten. Einhergehen sollte ein Verzicht dieser Gläubiger auf den Zinsanspruch für das laufende Jahr. Doch nach Darstellung von MBB gelangten diese Verzichtserklärungen nicht rechtzeitig an die Verwahrstelle Clearstream. Diese hätte daher zum Zinstermin die Zahlung der Zinsen an die Großinvestoren veranlasst. MBB hat aber kein operatives Geschäft. Zwar hatte man im Herbst 2013 die Unterzeichnung von Kaufverträgen zum Erwerb von Wind- und Solarparks in Italien vermeldet, doch wurden diese möglicherweise nicht vollzogen. Genaues weiß man aber auch nicht, weil MBB nach der Anleiheemission keine Geschäftszahlen veröffentlicht hat.

Anleihenurkunde ungültig?

Anfang Juni spitzten sich die Vorgänge zu. Denn seitdem wissen die Inhaber der Schuldverschreibung nicht mehr, ob die Anleihe überhaupt existiert. Mit Ablauf der Nachzahlungsfrist vermeldete MBB, dass die bei Clearstream hinterlegte Globalurkunde der Anleihe, die alle Ansprüche der Gläubiger verbrieft, unwirksam sei. Dabei berief sich das Unternehmen auf zwei unabhängige Rechtsgutachten. Die Ansprüche der „berechtigten Gläubiger“ würden aber bedient. Die Zinsen seien auf dem Treuhandkonto hinterlegt.
Unklar ist, ob zwischen der möglichen Ungültigkeit der Urkunde und den fehlenden Verzichtserklärungen ein Zusammenhang besteht. MBB soll aber zumindest einen Teil der Gelder der Großinvestoren nicht erhalten haben. Das wäre dann der Grund, warum das Unternehmen zwischen „berechtigten“ und „unberechtigten“ Investoren unterscheidet und die Zinszahlung verhindern will. Ohne wirksame Globalurkunde könnte kein Rechtsgeschäft zustande gekommen sein. Dann wären die Aussichten von MBB gering, zu viel gezahlte Zinsen zeitnah wieder zurückzuholen.

Forderungen unberechtigt?

Auf der anderen Seite blockiert dies ein Einklagen der Forderungen. Damit drohen aber derzeit einige Investoren. Doch der Fall eines (angeblichen) niederländisch-schweizerischen Investors zeigt die Verworrenheit: Während dieser einen Anspruch auf Zinsen für 70 Millionen Euro an Anleihen geltend macht, hält MBB dagegen. Wenn ein Investor behaupte, 70 Millionen Euro an Anleihen zu besitzen, so weise man das als unwahr und unrichtig zurück, so ein Unternehmenssprecher der MBB gegenüber dieser Zeitung.
Die Ursache des Problems erscheint dabei denkbar klein. Die Anleiheurkunde muss von zwei Personen unterzeichnet werden. Doch MBB hat mit Eckhart Misera nur einen allein zeichnungsberechtigten Geschäftsführer. Daher wurde die Urkunde nur von Misera unterschrieben, von der Zahlstelle, dem Göppinger Bankhaus Gebrüder Martin, bei Clearstream eingereicht und dort akzeptiert. Dieser Vorgang habe sich bei der späteren Aufstockung nochmals wiederholt. MBB sei davon ausgegangen, dass die Angelegenheit erledigt gewesen sei.
Die Beteiligten geben sich zurückhaltend. Das Bankhaus Martin nimmt derzeit keine Stellung. Von Clearstream heißt es, man habe „keinerlei Kenntnis darüber, dass es im Rahmen der Emission und in der Folge von Seiten des Emittenten oder von Seiten der Investoren Beanstandungen gegeben hatte“. Gleichwohl verweist die Wertpapierverwahrstelle etwas kryptisch darauf, dass es zwischen Gesellschaft und einzelnen Investoren zu rechtlichen Auseinandersetzungen komme, die mit Clearstream nichts zu tun hätten. Der Sachverhalt der möglichen Unwirksamkeit der Globalurkunde werde derzeit geprüft und die rechtlichen Implikationen erörtert. Aus Frankfurter Kreisen ist zu hören, dass MBB Clearstream mittlerweile auffordert, an der Aufklärung mitzuwirken und dafür Sorge zu tragen, dass unberechtigte Anleihen aus dem Verkehr gezogen werden.
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