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Dienstag, 19. August 2014

Hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Vertrag zwischen den Parteien über die Wertpapiere zustande gekommen ist oder die Beklagte gegenüber den Klägern freiwillig eine Verpflichtung eingegangen ist......d.h. also wenn ich eine Anleihe sekundär kaufe das der Emittent mir gegenüber keine Verpflichtungen hat.....ich kanns nicht glauben.....

LG Frankfurt a.M., Urteil vom 31.03.2014 - 2-19 O 301/12
Normenketten:
Art. 5 Nr. 3 EuGVVO
§ 24 DepotG
§ 20 Abs. 2 GVG
Art. 1 anwendbaren EuGVVO
Rechtsgebiete:
Sonstiges Bürgerliches Recht, Wertpapier-, Bank-, Börsen-, Währungsrecht
Details
Landgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen: 2-19 O 301/12
Im Namen des Volkes
Urteil
laut Protokoll verkündet am: 31.3.2014
P., Justizfachangestellte
Urkundsbeamtin/-beamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
1. ...,
2. ...,
Kläger
gegen

Beklagte
hat die 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Stark die
Richterin am Landgericht Bendrick die Richterin am Landgericht Teychené aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
17.03.2014 für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreites.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen die Vollstreckung abzuwenden
durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, soweit nicht
die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Tatbestand:
Die Kläger machen gegen den Staat Griechenland Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung von
Besitz- und Eigentumsansprüchen im Zusammenhang mit der Entnahme griechischer
Schuldverschreibungen aus ihren Wertpapierdepots geltend.
Die Kläger erwarben im Mai 2010 von der Beklagte emittierte Schuldverschreibungen mit der ISIN
GR ...457 über nominal 5.000 € zu einem Kurs von 88,34%. Diese waren mit 4,1% verzinslich und
sollten im August 2012 fällig sein. Die Wertpapiere wurden in ein bei der I.-D. AG in F. für die Kläger
geführtes Wertpapierdepot eingebucht, und zwar laut der vorgelegten Abrechnung „zugunsten
Wertpapierrechnung Griechenland“ (siehe Anlage Bl. 13 d. A).
Ende Februar 2012 unterbreitete die Beklagte wegen ihrer allgemein bekannten Schuldenkrise den
Anleihegläubigern der Wertpapiere ein Umtauschangebot. Die von der Beklagten im Gegenzug
angebotenen Papiere verbrieften lediglich 53,5% der ursprünglichen Nominalforderung, beinhalteten
zudem eine Laufzeitverlängerung und diverse weitere Details. Dieses Angebot erfolgte auf der
Grundlage eines griechischen Gesetzes Nr. 4050/2012 vom 23.02.2012. Dieses griechische Gesetz
sieht vor, dass Anleihebedingungen nachträglich durch Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger
geändert werden können und dass die überstimmte Minderheit der Anleihegläubiger an den
Mehrheitsbeschluss gebunden ist.
Das Angebot wurde von einer Mehrheit der Anleihegläubiger angenommen. Im März 2012 wurden im
Depot der Kläger die bisherigen Schuldverschreibungen ausgebucht und die neuen Papiere eingebucht.
Die Kläger forderten die Beklagte erfolglos auf, die Wertpapiere zurückzugeben.
Die Kläger machen geltend, durch den ohne ihr Einverständnis auf Veranlassung der Beklagten
vorgenommenen Austausch habe die Beklagte ihre Besitz- und Eigentumsrechte an den Wertpapieren
verletzt. Sie müsse ihnen deshalb als Mindestschaden die Differenz zwischen dem Nominalwert der
früheren und der neu eingebuchten Wertpapiere ersetzen.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) einen Betrag in Höhe von
2.675,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszins seit
Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage für unzulässig, da sie als souveräner Staat für den Erlass von Gesetzen Immunität
genieße, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht bestehe und das angerufene Gericht
weder örtlich unzuständig sei. Außerdem seien die Kläger zu keinem Zeitpunkt dinglich berechtigte
Inhaber der Anleihen gewesen, weshalb sie ihnen auch nichts entwendet habe.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Der Grundsatz der Staatenimmunität steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Denn die
Beklagte ist nach Ansicht der Kammer nicht, wie sie geltend macht und was auch das LG Konstanz in
einem Parallelfall (Urteil vom 19.11.2013, 2 O 132/13 - Juris) so entschieden hat, der deutschen
Gerichtsbarkeit nach allgemeinen Regeln des Völkerrechts entzogen (§ 20 Abs. 2 GVG). Immunität
besteht nach den deshalb maßgeblichen allgemeinen Regeln des Völkerrechts nur im Bereich
hoheitlicher Tätigkeit, nicht aber für den Bereich nichthoheitlichen Handelns im Bereich des
allgemeinen Wirtschaftslebens (Baumbach/Lauterbach, GVG § 20 Rn. 3). Zwar mag es inhaltlich auch
um das griechische Gesetz 4050/2012 gehen und die Gesetzgebung fällt in den Kernbereich
hoheitlicher Betätigung des Staates (so LG Konstanz a. a. O.). Gleichwohl ist hier Streitgegenstand
aber nicht der Erlass dieses Gesetzes, sondern allein der von den Klägern behauptete Eingriff in ihre
Besitz- und Eigentumsrechte durch Austausch der Anleihen. Dabei handelt es sich nach Ansicht der
Kammer - wie auch die Ausgabe und Rücknahme der Anleihen selbst - um rein fiskalisches Handeln.
Denn die Beklagte hat gerade nicht entschieden, die Änderung der Anleihebedingungen gesetzlich
festzulegen, sondern hat dies in die Hände einer Mehrheitsentscheidung der Gläubiger gelegt.
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist gegeben. Sie richtet sich nach der gem. ihres
Art. 1 anwendbaren EuGVVO. Es liegt eine Zivil- oder Handelssache im Sinne dieser Verordnung vor,
nicht aber eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit. Für die Abgrenzung kommt es auf die rechtliche
Qualifikation von Vorfragen nicht an (EuGH, IPrax 2003, 528 ff), sondern vielmehr darauf, dass der
Klageanspruch seinen Ursprung nicht in einer hoheitlichen Tätigkeit hat, so dass eine Streitigkeit wegen
einer privatrechtlichen Betätigung der öffentlichen Hand hierunter fällt (vgl. Baumbach./Lauterbach,
EuGVVO Art. 1 Rn. 2 ff.). Maßgeblich sind dabei der Streitgegenstand und die Frage, ob das jeweilige
Handeln genauso gut von einem Privaten hätte vorgenommen werden können. Da das Handeln der
Beklagten jedenfalls in unmittelbarem Zusammenhang mit der auch einem Privaten möglichen
Emission von Anleihen steht, sieht die Kammer hier eine Zivilsache als gegeben an (in diesem Sinne
auch Thole, WM 2012, 1793, 1795). Dafür spricht auch, dass die durch die Beklagte vorgenommene
Modifikation eines bestehenden privatrechtlichen Vertrages den vorliegenden Streitgegenstand
charakterisiert (Thole a. a. O.).
Die Zuständigkeit deutscher Gerichte und des Landgerichts Frankfurt am Main folgt aus Art. 5 Nr. 3
EuGVVO. Denn es bilden unerlaubte Handlungen oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den
Gegenstand dieses Verfahrens. Der verordnungsautonom auszulegende Begriff der unerlaubten
Handlung umfasst alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an
einen Vertrag i. S. v. Artikel 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpfen. Der Begriff des „Vertrags” wiederum bezieht
sich auf freiwillig gegenüber einer anderen Person eingegangene Verpflichtungen (EuGH, Slg. 2002, IEUGH-
SLG Jahr 2002 I Seite 7357 RdNr. EUGH-SLG Seite 7357 Randnummer 23 - Tacconi; Slg. 2005,
I-EUGH-SLG Jahr 2005 I Seite 481 RdNr. EUGH-SLG Seite 481 Randnummer 50f. - Engler, jeweils m.
w. Nachw., alles zitiert nach BGH, BKR 2012, 78). Hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass
ein Vertrag zwischen den Parteien über die Wertpapiere zustande gekommen ist oder die Beklagte
gegenüber den Klägern freiwillig eine Verpflichtung eingegangen ist. Die Kläger tragen selbst vor, dass
sie die Wertpapiere erst zwei Jahre nach der Emission über die I.-D. erworben haben, also ist ein
Begebungsvertrag zwischen den Klägern und der Beklagten nicht geschlossen worden. Zwar genügen
auch einseitig eingegangene Verpflichtungen (vgl. EuGH, NJW 2005, 811). Allerdings müssen sich diese
auf konkrete Personen beziehen, also nicht auf beliebige Inhaber einer Anleihe. Außerdem trägt die
Beklagte vor, dass Anleihegläubiger nur die Teilnehmer am Girosystem der griechischen Zentralbank
seien und sogenannte Investoren wie die Kläger nur durch diese Rechtspositionen eingeräumt erhalten,
die nicht unmittelbar gegenüber der Beklagten wirken. Zwar haben die Kläger durch Vorlage eines
Rechtsgutachtens (Anlage K7) dargetan, dass nach griechischer Lehre und Rechtsprechung Investoren
gleichwohl Eigentums- und Besitzrechte an staatlichen Wertpapieren erwerben. Dies stellt nach Ansicht
der Kammer aber noch keine „vertragsmäßige“ Verpflichtung der Beklagten dar.
Da die Kläger somit eine nicht an einen Vertrag anknüpfende Schadenshaftung geltend machen, und
ausdrücklich deshalb Schadensersatz verlangen, weil ihre Besitz- und Eigentumsrechte an den
Wertpapieren gestört worden seien, ist von einer Klage aus unerlaubter Handlung im Sinne von Art. 5
Nr. 3 EuGVVO auszugehen. Jedenfalls liegt der für die Zuständigkeit maßgebliche Erfolgsort in
Deutschland. Für Kapitalanlagedelikte gilt, dass der gerichtsstandsbegründende Erfolgsort i. S. v. Art. 5
Nr. 3 EuGVVO der Ort der Minderung des Kontoguthabens ist (vgl. BGH BKR 2012, 78, 81 m. w. N.).
Nach dem Vortrag der Kläger wurde ihr bei der I.-D. in Frankfurt liegendes Depot im Wert gemindert,
so dass in Frankfurt der Erfolgsort ist.
Das Landgericht ist auch sachlich zuständig, nachdem sich die Beklagte rügelos zur Sache eingelassen
hat und ihre Rüge der sachlichen Zuständigkeit in der mündlichen Verhandlung am 17.03.2014
zurückgenommen hat, § 39 ZPO.
Die Klage ist aber unbegründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Schadensersatzansprüche aus §§ 280 Abs. 3, 281, 869, 861,
858 BGB sowie aus § 823 Abs. 1 BGB.
Dabei ist deutsches Recht nach Art. 4 Rom II - VO anwendbar.
Aber die Kläger sind durch die Depotbuchung - entgegen ihrer Vorstellung - weder mittelbare Besitzer
noch Eigentümer der Anleihen geworden. Ihnen wurde nicht durch Einbuchung in ihr Depot
Miteigentum an einem Sammelbestand gemäß § 24 DepotG verschafft.
Dies ergibt sich daraus, dass die Kontogutschrift ausweislich der vorgelegten Wertpapierabrechnung
(Bl. 13) „zugunsten Wertpapierrechnung Griechenland“ erfolgte. Dies entspricht Nr. 12 Abs. 3 der I.-D.
Vereinbarungen zum Direktdepot (Anlage B2, entspricht Nr. 12 der Sonderbedingungen für das
Wertpapiergeschäft, „SB-WP“). Dies ist beim Auslandsgeschäft in Wertpapieren auch so üblich (vgl.
dazu Klanten in: Schimanski/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, 4. Aufl., § 72 Rn. 42 und 139 ff.).
Bei der Gutschrift in Wertpapierrechnung („WR-Gutschrift“) bleibt aber Rechtsinhaber die inländische
Depotbank. Die Gutschrift in Wertpapierrechnung dokumentiert lediglich einen auftragsrechtlichen
Herausgabeanspruch, nicht aber, wie bei der sog. „GS-Gutschrift“, das Eigentum. In Abweichung von §
24 DepotG wird ein Anspruch des Kunden auf Lieferung von Wertpapieren sus

.....



verletzt sein. Im Übrigen ist die Haftung der Depotbank auch auf den Deckungsbestand begrenzt, der
Kunde trägt „anteilig alle wirtschaftlichen und rechtlichen Nachteile und Schäden, die den
Deckungsbestand … im Zusammenhang mit Verfügungen von hoher Hand des In- oder Auslandes
treffen sollten“ (so ausdrücklich Nr. 12 Abs. 4 SB-WP).
Aber selbst ein absolut geschütztes Recht der Kläger angenommen, fehlt es nach Ansicht der Kammer
zumindest an einer verbotenen Eigenmacht bzw. an einer rechtswidrigen Eigentumsbeeinträchtigung.
Denn das Handeln der Beklagten war durch ein Gesetz im Sinne von Art. 2 EGBGB, nämlich durch das
griechische Gesetz Nr. 4050/2012, erlaubt. Soweit die Kläger geltend machen, dieses Gesetz verstoße
gegen die EMRK und die griechische Verfassung sowie das deutsch-griechische
Investitionsschutzabkommen aus dem Jahre 1961 und stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in
durch Art. 14 und 9 GG geschützte Rechtsgüter dar, ist die Überprüfung des griechischen Gesetzes Nr.
4050/2012 als Kernbereich hoheitlicher Tätigkeit einer Überprüfung durch deutsche Gerichte entzogen
(so auch LG Konstanz a. a. O.). Allenfalls kann eine Korrektur unerträglicher Ergebnisse über Art. 6
EGBGB (ordre public) vorgenommen werden. Hier liegt aber keine Unvereinbarkeit mit wesentlichen
Grundsätzen des deutschen Rechts vor. Es handelt sich nicht um eine entschädigungslose Enteignung,
sondern die Kläger haben immer noch 53,5% des Nominalwertes ihrer Ansprüche erhalten. Auch ist
eine geordnete Reduzierung von Überschuldung der deutschen Rechtsordnung mitnichten fremd. Einen
Verstoß gegen den ordre public kann daher nicht angenommen werden (so auch Thole, WM 2012,
1793, 1797).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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