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Montag, 9. März 2015

Griechenland-Krise Reformideen aus Athen fallen durch An diesem Montag diskutieren die EU-Finanzminister über die neuen Reformvorschläge aus Griechenland. Auf viel Begeisterung stoßen sie bei der EU jedoch nicht: „Ein Brief hin oder her ändert nicht viel“, heißt es aus Brüssel.

Griechenland-KriseReformideen aus Athen fallen durch

An diesem Montag diskutieren die EU-Finanzminister über die neuen Reformvorschläge aus Griechenland. Auf viel Begeisterung stoßen sie bei der EU jedoch nicht: „Ein Brief hin oder her ändert nicht viel“, heißt es aus Brüssel.

© DPAVergrößernKlare Fronten bei dieser Demonstration Mitte Februar in Athen: der griechische Ministerpräsident Tsipras auf der einen, Finanzminister Schäuble und Kanzlerin Merkel auf der anderen Seite
Der neuen griechischen Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras und Finanzminister Giannis Varoufakis steht an diesem Montag eine neue Enttäuschung mit dem Rat der Finanzminister der Euroländer bevor: Während die griechische Regierung die Erwartung verbreitet, dass an diesem Montag die Weichen für die Auszahlung von Griechenland-Krediten über 7,2 Milliarden Euro gestellt werden, rechnen die Vertreter der Brüsseler Institutionen und anderer Länder mit Stillstand bei den Verhandlungen über die finanzielle und wirtschaftliche Zukunft Griechenlands.
Der griechische Finanzminister hat für das Treffen mit seinen Kollegen aus der Eurogruppe eine Liste von sieben Reformvorschlägen nach Brüssel geschickt, die aus seiner Sicht einen ersten Teil eines neuen Reformprogramms für Griechenland darstellen sollen. Im Brief an den Eurogruppen-Vorsitzenden Jeroen Dijsselbloem, der dieser Redaktion vorliegt, schlägt Varoufakis vor, dass seine Programmpunkte so schnell wie möglich von Fachleuten ausgearbeitet und von der Eurogruppe ratifiziert werden sollten.

Keine weiteren Hilfen für Griechenland ohne echte Reformen

Seine Vorschläge beschreibt Varoufakis auf neun Seiten, dabei geht es um die Einrichtung einer gesetzlich ohnehin vorgesehenen Aufsichtsbehörde für das Staatsbudget, technische Verbesserungen für die Verwaltung von Haushaltsmitteln, den Einsatz von Hausfrauen und Studenten bei der Suche nach Steuerhinterziehern etwa im Gastgewerbe, eine Art von Amnestie zur Eintreibung ausstehender Steuerschulden, den Verkauf von Lizenzen für Internetlotterien, Bürokratieabbau und zusätzliche Sozialausgaben gegen die „humanitäre Krise“ von 200,3 Millionen Euro für die Monate von April bis Dezember 2015.
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In Berliner Regierungskreisen wurde die Vorlage aus Griechenland als unzureichend angesehen: „Die griechische Regierung schreibt Briefe, arbeitet aber nicht hart mit der Troika und hat schon wieder eine Woche verloren“, lautete der Berliner Kommentar. Die Verlängerung des Sanierungsprogramms für Griechenland bis Ende Juni dürfe von der griechischen Regierung nicht als Entgegenkommen bei den Inhalten verstanden werden. Frische Mittel gebe es nur bei einem Abschluss des bisherigen Sanierungsprogramms mit der Troika. Dass es darum nun monatelange Auseinandersetzungen mit Griechenland gebe, sei dabei längst einkalkuliert.
Auch der für den Euro zuständige EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis erinnerte Griechenland im Gespräch mit dieser Zeitung daran, dass die noch ausstehenden Kredite aus dem laufenden Hilfsprogramm nur ausgezahlt werden, wenn Athen die Reformauflagen des bisherigen Programms einhält. „Die griechische Regierung versteht dieses Problem offenbar immer noch anders als wir“, sagte Dombrovskis. Derzeit sei man auch von einer Auszahlung in Raten noch weit entfernt, auch wenn diese prinzipiell möglich sei. „Wir müssen immer wieder einen Punkt wiederholen: Wenn das Programm erfolgreich abgeschlossen werden soll, muss die Regierung seine Bedingungen erfüllen.“ Die Botschaft sei in Athen offenbar nur langsam angekommen.
Infografik / So viel muss Griechenland im März zahlen© F.A.Z.Vergrößern
Varoufakis’ Brief könne er inhaltlich noch nicht beurteilen, sagte Dombrovskis. Allerdings werde die Verwirklichung von Programminhalten nicht an Briefen gemessen. „Ein Brief hin oder her ändert nicht viel.“ Die einzelnen Reformen müssten beschlossen, im Parlament gebilligt und konkret ins Werk gesetzt sein. Erst dann könne man an die Teilauszahlung einer Kredittranche denken. Auf dem Treffen der Eurogruppe an diesem Montag in Brüssel müsse zu Griechenland nichts beschlossen werden.
„Das Programm ist jetzt verlängert, Griechenland hat Zeit für die Implementierung von Reformen bis Ende April, in der Zwischenzeit müssen die Institutionen den Reformfortschritt prüfen. Deshalb erwarte ich von dem Treffen am Montag keine Entscheidung mit Blick auf Griechenland.“ In der Eurogruppe war schon klargestellt worden, dass der Brief des Ministers nicht einmal im Ansatz als Grundlage für weitere Kreditzahlungen genutzt werden kann, weil Varoufakis keinen konkreten Bezug auf die bisherigen Programminhalte nehme.
Die Idee von Ministerpräsident Tsipras, die kurzfristigen Finanzierungsschwierigkeiten Griechenlands über die Ausgabe weiterer kurz laufender Geldmarktpapiere (T-Bills) zu beheben, wies Dombrovskis zurück. Es handle sich um ein Notfallinstrument, das nicht dauernd eingesetzt werden könne. Es sei insofern nicht verwunderlich, dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) dagegen verwahre, den T-Bill-Rahmen auszuweiten. „Es handelt sich schließlich um monetäre Staatsfinanzierung.“ EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Cœuré hatte die griechischen Pläne schon zuvor strikt abgelehnt. „Die EZB kann nicht die griechische Regierung finanzieren. Wir dürfen das nicht tun. Das ist illegal“, sagte Cœuré der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Ministerpräsident Tsipras hatte am Freitag angekündigt, weiter T-Bills auszugeben, die von den Banken sofort an die Notenbank weitergereicht werden. Mit dem Erlös aus diesen T-Bills will die Regierung ihre Finanzlöcher stopfen, die derzeit beinahe täglich auftauchen. Dafür müsste die EZB allerdings zustimmen, den Umfang, in dem solche T-Bills als Sicherheit für das Notfallgeld Ela (Emergency Liquidity Assistance) akzeptiert werden, zu erhöhen. Das lehnte Coeuré ab.
Yanis Varoufakis© DPAVergrößernGiannis Varoufakis.
„Wenn wir in der aktuellen Lage, in der Griechenland keinen Marktzugang hat, noch mehr griechische T-Bills als Sicherheiten akzeptieren würden, dann wäre das klare Staatsfinanzierung“, ergänzte er. „Wir werden das nicht tun. Es geht nicht, dass wir für Griechenland unsere Verträge verletzen.“ Die griechische Regierung müsse wie jede andere akzeptieren, dass Europa eine „regelbasierte Gemeinschaft“ sei, sagte Cœuré. Die Ausgabe von Geldmarktpapieren mit kurzer Laufzeit ist die einzige Möglichkeit für die Regierung, sich am Kapitalmarkt Geld zu beschaffen. Die von den Europartnern und dem Internationalen Währungsfonds gesetzte Obergrenze von 15 Milliarden Euro ist aber ausgeschöpft.

Varoufakis: „Wir kleben nicht an unseren Sesseln“

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat unterdessen einen Austritt des Landes aus der Währungsunion abermals ausgeschlossen. „Die Europäische Kommission vertritt die Auffassung: Es wird niemals einen Grexit geben“, sagte Juncker der „Welt am Sonntag“. Doch ausgerechnet Finanzminister Varoufakis spielt nun wieder mit dem Gedanken an ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion mit einer Volksabstimmung über den Euro. In einem Gespräch mit der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ sagte Varoufakis, wenn der Plan seiner Regierung in Brüssel nicht akzeptiert werde, könne es Probleme geben. „Wir kleben nicht an unseren Sesseln“, sagte Varoufakis. „Wir könnten Neuwahlen ausschreiben oder ein Referendum.“
Kurz nach der Veröffentlichung ruderte Varoufakis etwas zurück und stellte klar, das Volk solle nicht über einen Ausstieg aus dem Euro abstimmen. Er verlangte zudem die sofortige Einbeziehung Griechenlands in das Aufkaufprogramm von Staatstiteln der EZB, eine Umstrukturierung der alten Schulden, die Verringerung der Zielgröße für den Primärüberschuss des Staatshaushalts von bisher 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2015 und 4,5 Prozent 2016 und die Erlaubnis zur Ausgabe weiterer T-Bills. Zugleich sagte er, Griechenland wolle kein neues Kreditprogramm, in dem frische Mittel an Reformbedingungen geknüpft würden.
Zur Frage nach akuten Liquiditätsproblemen der Regierung sagte Varoufakis, das Geld reiche für die Auszahlung von Gehältern im öffentlichen Dienst und Renten, „für den Rest werden wir sehen“. Zugleich wird aus Griechenland gemeldet, dass der Rückgang von Steuereinnahmen in den Monaten Januar und Februar dramatischer sei als bisher angenommen. Gegenüber dem Vorjahr fehlten rund 1,5 Milliarden Euro, schreibt die Zeitung „Kathimerini“. Dies bedeutet einen Einnahmeverlust von mehr als 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Griechen haben damit die geforderte Erleichterung bei den Haushaltszielen vorweggenommen und die schlecht funktionierende Finanzverwaltung zeigt, dass sie machtlos ist.

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