Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Dienstag, 2. Juni 2015

A:T:U

Ein Anwalt kann mit seinem Aktenkoffer mehr stehlen als hundert Männer mit Kanonen.“ (Don Corleone) 

Ja, Don Corleone, der Pate war Vordenker einer Fusion der Eliten des organisierten Verbrechens mit denen der bürgerlichen Welt. Was halten Sie davon: Sie leihen mir Geld. Im Darlehensvertrag vereinbaren wir, dass mein alter Spezi Kutte Sie in allen Fragen den Darlehensvertrag betreffend rechtswirksam vertreten kann. Wenn ich dann das Geld habe, setzen wir uns zu einem Bier zusammen (Kutte und ich, nicht Sie und ich). Ich sag: „Mensch Kutte, ich bin so klamm, muss ich das Geld wirklich zurückzahlen?“ Kutte sagt: „Nee Alter lass ma jut sein, ick erlass dir deine Schulden.“ Und damit ist meine Schuld Ihnen gegenüber erloschen (§ 397 BGB). Fänden Sie irgendwie nicht ok, oder? Ist es auch nicht und wenn es um tausend Euro ginge, würde ich damit wahrscheinlich auch nicht durchkommen. Geht es aber um 450 Millionen Euro, kann man das schon deichseln. Wer kennt sie nicht, die Schmutzkonkurrenz des KFZ-Handwerks A.T.U.? An jeder Ecke eine Werkstatt, weil billig. Wenn man aber billiger arbeitet als die Konkurrenz, obwohl man unter denselben ökonomischen Rahmenbedingungen existiert, verdient man eben auch meist nicht so richtig. Und dann nimmt man eben eine Anleihe auf. 450 Mio. Handelbar an allen Börsen. Es gilt das Recht des Staates New York. Und der Clou: Das Bankhaus Morgan Stanley wird als „security agent“ bestellt. Klingt gut oder? In der englischen Rechtssprache heißt security agent nämlich Treuhänder. Dieser „Treuhänder“ ist aber nichts anderes als mein Freund Kutte, nämlich der Zwangsvertreter der Darlehensgeber, die hier Anleger heißen. Der ist also nicht für die Sicherheit der Anleger zuständig, sondern für die von A.T.U. Und dann machen die Beteiligten genau das: Der Treuhänder erlässt der A.T.U. die Schulden. Sie muss keine Zinsen zahlen und das Kapital auch nicht zurückführen. Die Banken buchen die Anleihe aus. Der verwunderte Anleger, der seinen Bankberater fragt, was denn mit seiner Anleihe ist, bekommt die Antwort: „Die ist auf Null gesetzt worden.“

Wenn Sie jetzt aufspringen und gleich ihren Hausanwalt anrufen wollen, der immer Ihre Parktickets reguliert, damit der für Sie auch so eine Anleihe konstruiert, muss ich etwas Wasser in den Wein gießen. An dem A.T.U.-Coup waren folgende internationale Großkanzleien beteiligt: Cadwalader Wickersham & Taft, Sullivan & Cromwell, Simpson Thacher & Bartlett, Kirkland & Ellis, Hengeler Mueller, Noerr, Schultze & Braun, Hogan Lovells, McDermott Will & Emery, Hogan Lovells, Latham & Watkins, Flick Gocke Schaumburg und last, but not leastPricewaterhouseCoopers. Jede natürlich nicht nur mit einem Anwalt. Auf der Internetseite von Juve, den Herausgebern eines Handbuchs über Wirtschaftsanwälte, wird der Coup als eine „Refinanzierung“ durch einen „aufwendig konstruierten internationalen Debt Equity Swap“ gefeiert. Zwei der beteiligten Kanzleien sind sogar für den Juve-Preis Kanzlei des Jahres nominiert. Ich glaube, wenn die Beteiligten Italiener oder Russen gewesen wären, würde schon längst das BKA ermitteln. Und wer es immer noch nicht glauben möchte, der kann zur 11. Handelsblatt Jahrestagung im Mai 2015 nach Frankfurt fahren. Dort wird einer der federführenden Anwälte diese Transaktion als Fallstudie vorstellen. Dann ist eine Viertelstunde für Fragen und Diskussion eingeplant. Danach tritt Pater Anselm Grün auf, der bekannte Autor von Erbauungsbüchern für sinnsuchende Schleckerkassiererinnen. Er „…spricht über Unternehmen und Werte. Restrukturierung heißt aus seiner Sicht nicht nur, rein wirtschaftlich sanieren, sondern der Firma einen neuen Wert geben…“, so das Programm. Ja, Don Corleone war auch katholisch.

 Ihr Tibet Neusel

Chefredakteur

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen