„Ein Anwalt kann mit seinem Aktenkoffer mehr stehlen als hundert Männer
mit Kanonen.“ (Don Corleone)
Ja, Don Corleone, der Pate war Vordenker einer Fusion der Eliten des organisierten Verbrechens
mit denen der bürgerlichen Welt.
Was halten Sie davon: Sie leihen mir Geld. Im Darlehensvertrag vereinbaren wir, dass mein
alter Spezi Kutte Sie in allen Fragen den Darlehensvertrag betreffend rechtswirksam vertreten
kann. Wenn ich dann das Geld habe, setzen wir uns zu einem Bier zusammen (Kutte und
ich, nicht Sie und ich). Ich sag: „Mensch Kutte, ich bin so klamm, muss ich das Geld wirklich zurückzahlen?“
Kutte sagt: „Nee Alter lass ma jut sein, ick erlass dir deine Schulden.“ Und damit ist
meine Schuld Ihnen gegenüber erloschen (§ 397 BGB). Fänden Sie irgendwie nicht ok, oder?
Ist es auch nicht und wenn es um tausend Euro ginge, würde ich damit wahrscheinlich auch
nicht durchkommen. Geht es aber um 450 Millionen Euro, kann man das schon deichseln.
Wer kennt sie nicht, die Schmutzkonkurrenz des KFZ-Handwerks A.T.U.? An jeder Ecke eine
Werkstatt, weil billig. Wenn man aber billiger arbeitet als die Konkurrenz, obwohl man unter
denselben ökonomischen Rahmenbedingungen existiert, verdient man eben auch meist nicht
so richtig. Und dann nimmt man eben eine Anleihe auf. 450 Mio. Handelbar an allen Börsen.
Es gilt das Recht des Staates New York. Und der Clou: Das Bankhaus Morgan Stanley wird als
„security agent“ bestellt. Klingt gut oder? In der englischen Rechtssprache heißt security
agent nämlich Treuhänder. Dieser „Treuhänder“ ist aber nichts anderes als mein Freund
Kutte, nämlich der Zwangsvertreter der Darlehensgeber, die hier Anleger heißen. Der ist also
nicht für die Sicherheit der Anleger zuständig, sondern für die von A.T.U. Und dann machen
die Beteiligten genau das:
Der Treuhänder erlässt der A.T.U. die Schulden. Sie muss keine Zinsen zahlen und das Kapital
auch nicht zurückführen. Die Banken buchen die Anleihe aus. Der verwunderte Anleger, der
seinen Bankberater fragt, was denn mit seiner Anleihe ist, bekommt die Antwort: „Die ist auf
Null gesetzt worden.“
Wenn Sie jetzt aufspringen und gleich ihren Hausanwalt anrufen wollen, der immer Ihre
Parktickets reguliert, damit der für Sie auch so eine Anleihe konstruiert, muss ich etwas Wasser
in den Wein gießen. An dem A.T.U.-Coup waren folgende internationale Großkanzleien
beteiligt: Cadwalader Wickersham & Taft, Sullivan & Cromwell, Simpson Thacher & Bartlett,
Kirkland & Ellis, Hengeler Mueller, Noerr, Schultze & Braun, Hogan Lovells, McDermott Will
& Emery, Hogan Lovells, Latham & Watkins, Flick Gocke Schaumburg und last, but not leastPricewaterhouseCoopers.
Jede natürlich nicht nur mit einem Anwalt. Auf der Internetseite
von Juve, den Herausgebern eines Handbuchs über Wirtschaftsanwälte, wird der Coup als
eine „Refinanzierung“ durch einen „aufwendig konstruierten internationalen Debt Equity Swap“
gefeiert. Zwei der beteiligten Kanzleien sind sogar für den Juve-Preis Kanzlei des Jahres nominiert.
Ich glaube, wenn die Beteiligten Italiener oder Russen gewesen wären, würde schon
längst das BKA ermitteln.
Und wer es immer noch nicht glauben möchte, der kann zur 11. Handelsblatt Jahrestagung im
Mai 2015 nach Frankfurt fahren. Dort wird einer der federführenden Anwälte diese Transaktion
als Fallstudie vorstellen. Dann ist eine Viertelstunde für Fragen und Diskussion eingeplant.
Danach tritt Pater Anselm Grün auf, der bekannte Autor von Erbauungsbüchern für sinnsuchende
Schleckerkassiererinnen. Er „…spricht über Unternehmen und Werte. Restrukturierung
heißt aus seiner Sicht nicht nur, rein wirtschaftlich sanieren, sondern der Firma einen neuen Wert
geben…“, so das Programm. Ja, Don Corleone war auch katholisch.
Ihr
Tibet Neusel
Chefredakteur
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