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Griechenland oder Kroatien? Kroatien! Und zwar Dubrovnik, die einstige "Perle der Adria". 1979 wurde die Stadt in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.
Griechenland oder Kroatien? Kroatien! Und zwar Dubrovnik, die einstige "Perle der Adria". 1979 wurde die Stadt in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.(Foto: REUTERS)

Die letzten Heuler EuropasWird Kroatien das nächste Griechenland?

Von Diana Dittmer
Griechenland und Kroatien haben viel gemeinsam: Beide EU-Staaten sind beliebte Urlaubsziele. Beide stecken aber auch seit sechs Jahren in der Rezession. Und beiden droht der finanzielle Gau.
Was ist besser: Eine kroatische Konoba oder eine griechische Taverne? Geschmackssache. Im Grunde unterscheiden sie sich nicht groß. Griechenland und Kroatien sind in vieler Hinsicht ähnlich. Viel Sonne, Hunderte Kilometer zerklüfteter Küstenlinie, strahlendblaues Meer. Es gibt Oliven, frischen Fisch und guten Wein. Die Herzen der Urlauber schlagen hier wie dort höher. Es gibt aber auch noch weniger erfreuliche Gemeinsamkeiten.
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Griechenland und Kroatien stecken beide seit sechs Jahren in der Rezession. Beide Staaten leiden an akuter Misswirtschaft, hoher Verschuldung und Arbeitslosigkeit. Und es gibt bereits Wirtschaftsexperten, die prognostizieren, dass Kroatien ein ähnliches finanzielles Fiasko wie Griechenland drohen könnte. Der kleine, aber entscheidende Unterschied: Kroatien hat keinen Euro. Hier wird immer noch mit Kunas bezahlt.
Wegen der anhaltenden Missstände hat Brüssel dem Balkanstaat, der erst seit zwei Jahren Mitglied der Europäischen Union ist, erst kürzlich die Leviten gelesen. In einer Analyse kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass "aufgrund des rasch steigenden öffentlichen Schuldenstands das Staatsschuldenmanagement deutlich aktiver betrieben" werden müsse. Für die ansonsten diplomatische Kommission ist das eine durchaus harte Ansage.
Die Mängelliste erinnert in der Tat an die Bestandsaufnahmen der Troikaner in Griechenland: Die Ausgabenkontrolle sei mangelhaft, heißt es. Viele Mittel versickerten zwischen den Verwaltungsebenen. Es gebe keine Maßnahmen zur Überwindung der Wirtschaftskrise oder zur Belebung der Wirtschaft. Massenhafte Frühverrentungen seien nicht gestoppt worden. Auch die Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs komme nicht voran.

Brüssel sieht schwarz

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Die Überwachung von Staatsunternehmen bezeichnete die EU-Kommission ebenfalls als unzureichend. Es sei  "keine ordnungsgemäße Verwaltung öffentlichen Eigentums möglich". Noch etwas kommt einem bekannt vor: Fristen, die die EU stellte, verstrichen über die Zeit, ohne dass etwas passierte. Bis Oktober 2014 sollte es einen Wirtschaftsplan geben. Es gibt ihn bis heute nicht. Die Regierung in Zagreb habe immer wieder Besserung gelobt, stellte die EU fest. Doch was sie geliefert habe, sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Im Februar hatte die EU angesichts der "übermäßigen makroökonomische Ungleichgewichte" nicht nur dringende politische Maßnahmen gefordert, sondern auch eine "besondere Überwachung". Ende Mai reiste der Vizepräsident der EU-Kommission, der frühere lettische Ministerpräsident Valdis Dombrocskis, selbst nach Zagreb, um Druck zu machen.
Die Brisanz von Kroatien liegt laut Nicolaus Heinen, Europaanalyst der Deutschen Bank, in der "beunruhigenden Dynamik", mit der sich die Lage in dem Land verschlechtert. "Seit 2009 hat sich die öffentliche Schuldenlast verdoppelt. Da gleichzeitig die Wachstumsraten niedrig sind, fragen sich viele Investoren, ob das noch nachhaltig ist."
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Der Balkanstaat ist der einzige EU-Staat, in dem das Haushaltsdefizit seit Jahren beharrlich über fünf Prozent liegt; im vergangenen Jahr waren es 5,7 Prozent des BIP. Die Regierung will das aus dem Ruder gelaufene Haushaltsdefizit erst 2017 abbauen, ein Jahr nach Ablauf der EU-Frist. Dabei liegen die Vorgaben der EU seit eh und je bei maximal drei Prozent Defizit.

Besserung kaum in Sicht

Dass die Regierung in Zagreb derzeit auf der Reformbremse steht, wundert nicht: Im November 2015 wird gewählt, die Mitte-Links-Koalition will es sich mit den Wählern nicht verderben. Die Regierung beschränke sich vielmehr auf oberflächliche Reformen, "um die Aufmerksamkeit der EU-Kommission zu bekommen und die Illusion zu wecken, dass irgendetwas getan wird", sagt der Ökonom Vladimir Čavrak von der Universität Zagreb. Wirtschaftswissenschaftler wie er mahnen seit Jahren Strukturreformen an.
Am 25. Juni wird die Dauerkrise wohl Thema beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs sein. Sollte sich Kroatien weiterhin der Budgetdisziplin verweigern, könnte Brüssel möglicherweise die Zahlungen aus dem EU-Fonds einfrieren, heißt es. Heinen rechnet jedoch eher damit, dass es bei "mahnenden Worten" bleibt.
Die konservative Politikerin Kolinda Grabar-Kitarovic bei ihrer Vereidigung in Zagreb.
Die konservative Politikerin Kolinda Grabar-Kitarovic bei ihrer Vereidigung in Zagreb.(Foto: REUTERS)
Der Fall Kroatien sei etwas anders gelagert als Griechenland, sagt der Europa-Experte. Die Schuldenquote von 85 Prozent sei noch im Rahmen. Zudem sei Kroatien kein Mitglied der Eurozone. Es könne sich deshalb nicht auf den finanziellen Beistand der Währungsunion verlassen. Dies lasse hoffen, dass Kroatien aus Eigenverantwortung letztlich doch noch einlenke, so Heinen.

Option EU-Rettungsschirm

Ein Ass hat das Land als EU-Mitglied aber auch noch. Sollte sich die Lage weiter verschlechtern, "könnte es Unterstützung aus der sogenannten Zahlungsbilanzfazilität der EU beantragen – eine Art Rettungsschirm für Nicht-Euro-Länder, der das gleiche Instrumentarium hat wie der ESM", so Heinen. Finanziert wird dieser Rettungsschirm über Bürgschaften aus dem EU-Haushalt.
Für Unternehmer auf dem Balkan ist das kein Trost. Viele hatten im Vertrauen darauf investiert, dass der EU-Rahmen für Sicherheit sorgen würde. Das stellt sich heute als Illusion heraus. In Kroatien wie in Griechenland wissen es heute viele besser.
Die konservative Staatschefin Kolinda Grabar-Kitarovic kündigte kürzlich an, Kroatien wolle "frühestens 2020" Euromitglied werden. Die Antwort von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker überraschte nicht. Er sagte, es sei gefährlich, ein Datum zu nennen.
Quelle: n-tv.de