VolksinitiativeSchweizer schmettern neue Erbschaftsteuer ab
Die Schweizer haben sich am Sonntag klar gegen die Einführung einer Erbschaftsteuer von 20 Prozent auf Bundesebene ausgesprochen. Das liegt auch an der Sorge vor Arbeitsplatzverlusten – zumal sich die Wirtschaftslage in der Schweiz ohnehin zunehmends verdüstert.
14.06.2015, von JOHANNES RITTER, ZÜRICH
Die Schweizer haben sich am Sonntag klar gegen die Einführung einer Erbschaftsteuer auf Bundesebene ausgesprochen. Ein links-grünes Bündnis hatte im Rahmen einer Volksinitiative vorgeschlagen, die kantonalen Erbschaftsteuern durch eine nationale Erbschaftsteuer von 20 Prozent zu ersetzen.
Dank eines vorgesehenen Freibetrags von 2 Millionen Franken wäre nur eine Minderheit der Eidgenossen von der Steuer betroffen gewesen. Schenkungen von 20.000 Franken pro Jahr und Person wären steuerfrei gewesen. Für Familienbetriebe hätte es Erleichterungen geben sollen. Zwei Drittel der Einnahmen wollten die Initiatoren zur Stützung der staatlichen Rentenkasse einsetzen, ein Drittel hätten die Kantone einstreichen sollen.
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Bei einer unterdurchschnittlichen Wahlbeteiligung von 43 Prozent votierten rund 71 Prozent der Stimmbürger am Sonntag gegen die vorgeschlagene Neuordnung der Erbschaftsteuer. Dass das Ergebnis so klar ausfiel, obwohl die meisten Schweizer wegen des Freibetrags gar nicht von der Steuer betroffen gewesen wären, dürfte nicht zuletzt mit der Sorge vor Arbeitsplatzverlusten zu tun haben.
Sorgen um die Konjunktur
Nach einer Studie der Universität St. Gallen könnten in den kommenden fünf Jahren mehr als 30.000 Familienbetriebe, die an die Nachfahren weitergereicht werden sollen, durch eine Bundeserbschaftsteuer existentiell bedroht sein. Der durch die Steuer ausgelöste Geld- und Kapitalabfluss könne zum Verlust von bis zu 12.000 Arbeitsplätzen im Jahr führen, warnten die Wirtschaftsforscher.
Derlei Prognosen fielen bei den Wählern umso stärker ins Gewicht, als sich die Wirtschaftslage in der Schweiz ohnehin zusehends verdüstert. Mitte Januar gab die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro auf und den Franken frei. In der Folge wertete die Schweizer Währung schlagartig auf: Ein Euro kostet jetzt rund 1,05 Franken. Dies trifft vor allem die Exportindustrie, deren Produkte sich im Ausland entsprechend verteuern. Im April sank die Ausfuhr um 5 Prozent, wobei die in der Schweiz besonders stark vertretene chemisch-pharmazeutische Industrie mit einem Minus von 13 Prozent besonders schlecht abschnitt. In der Arbeitslosenstatistik hat sich der Abschwung der Wirtschaft, die im ersten Quartal um 0,2 Prozent geschrumpft ist, noch nicht negativ bemerkbar gemacht. Im April lag die Arbeitslosenquote stabil bei 3,3 Prozent. Heinz Karrer, Präsident der Unternehmensdachverbands Economiesuisse, glaubt aber nicht, dass dies so bleibt. Im Gefolge des wechselkursbedingten Konjunkturabschwungs sieht er 30.000 bis 40.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Mithin werde die Arbeitslosenquote bis zum Jahresende voraussichtlich auf 3,6 bis 4 Prozent steigen, sagte Karrer dieser Zeitung.
Vor diesem Hintergrund ist der Verbandspräsident, der im Hauptberuf den Verwaltungsrat des Reisekonzerns Kuoni führt, „extrem erleichtert und sehr froh“ über das klare Abstimmungsergebnis am Sonntag. Neben der Einkommensteuer und der Vermögensteuer zusätzlich eine nationale Erbschaftsteuer einzuführen, hätte die Familienunternehmen im Land großen Risiken ausgesetzt. „Die Steuerlast hätte bis zu 50 Prozent des Verkehrswertes ausmachen können“, sagte Karrer. Die Sorge um den Verlust von Arbeitsplätzen habe mit zu dem klaren Abstimmungsergebnis beigetragen. Karrer ermahnte die Regierung, die Rahmenbedingungen am Wirtschaftsstandort Schweiz zu verbessern und alle Vorhaben zu entschlacken, die zu einer Mehrbelastung der Wirtschaft führten.
Die Schweizer stimmten am Sonntag für ein neues Finanzierungssystem für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Analog zum Modellwechsel in Deutschland will die Schweizer Regierung die geräteabhängige Empfangsgebühr durch eine allgemeine Haushaltsabgabe ersetzen. Dieser Vorschlag wurde mit einer hauchdünnen Mehrheit von 3700 Stimmen angenommen.

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