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Sonntag, 14. Februar 2016

In der Krise Der Niedergang der Deutschen Bank Die Deutsche Bank steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Es ist nicht nur eine Finanzkrise, sondern vor allem eine Kulturkrise. In der deutschen Wirtschaft nehmen die Sorgen zu. Denn die Unternehmen brauchen eine starke deutsche Bank.

In der KriseDer Niedergang der Deutschen Bank

Die Deutsche Bank steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Es ist nicht nur eine Finanzkrise, sondern vor allem eine Kulturkrise. In der deutschen Wirtschaft nehmen die Sorgen zu. Denn die Unternehmen brauchen eine starke deutsche Bank.
© MARCUS KAUFHOLDDie zwei Kulturen: Bonus oder Vertrauen? Die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main
„Das ist das Peinlichste, was einer Bank passieren kann“, sagt einer, der nicht genannt werden will. Für peinlich hält er die Verlautbarung des Vorstandsvorsitzenden John Cryan und des Finanzvorstands Marcus Schenck vom Montagabend: Die Deutsche Bank sei in der Lage, die Zinsen für sehr riskante Anleihen zu zahlen. Das erinnerte an die Vorstufe zum Offenbarungseid. Die Aktie der Bank stürzte ab auf Tiefen, in die das Bankhaus seit dreißig Jahren nicht mehr geschaut hatte. Seit Jahresanfang ist der Kurs um fast vierzig Prozent gesunken. Am Freitag ging es wieder nach oben, doch die Deutsche-Bank-Aktie ist ein Papier für Spekulanten geworden.
An der langfristigen Wertentwicklung orientierte Anleger haben sich aus der Aktie verabschiedet. Die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, die Union Investment, hat ihre Beteiligung seit dem vergangenen Frühjahr auf 0,6 Prozent halbiert. An den Kreditmärkten schießt der Risikoaufschlag der Bank auf Sätze, die an die schlimmsten Tage der Finanzkrise erinnern. Wegen der Sorgen um die Konjunktur und der Befürchtung steigender Kreditausfälle meiden die Anleger auch andere Banken. Aber die Deutsche Bank leidet am schlimmsten darunter.

12,7 Milliarden Euro für Rechtsstreitigkeiten seit 2012

Das ist aber auch das Ergebnis einer Selbstdemontage. Die unangefochtene Stellung, größte Bank in der wichtigsten Volkswirtschaft Europas zu sein, führte auf den Führungsetagen zu Selbstüberschätzung. Sie hielt noch an, als die Deutsche Bank mit ihrem Börsenwert schon abgeschlagen hinter der internationalen Konkurrenz lag. Die komplexe Bilanz und die Absicherungsgeschäfte in astronomischer Höhe (47 Billionen Euro) sind für Außenstehende nicht mehr nachvollziehbar. Inzwischen schütteln viele Mitarbeiter verständnislos den Kopf.
38543071© AFPVergrößernJohn Cryan
Anspruch und Wirklichkeit klafften in der Bank schon länger auseinander. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Josef Ackermann hatte den Aktionären im Jahr 2006 versichert: „Kein Geschäft darf es uns wert sein, den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Bank aufs Spiel zu setzen.“ Daran haben sich in der Bank – allen voran im Kapitalmarktgeschäft, dem Investmentbanking – offenbar nur wenige gehalten. Die Deutsche Bank hat seit dem Jahr 2012 für Rechtsstreitigkeiten 12,7 Milliarden Euro aufwenden müssen. Das ist gut eine Milliarde mehr, als die Aktionäre in diesem Zeitraum der Bank an neuem Kapital anvertraut haben. Das Geld floss in Strafen wegen der Manipulation von Referenzzinsen (Libor) oder Rückstellungen für andere Mauscheleien. Ein Ende ist nicht in Sicht. Der neue starke Mann, John Cryan, hofft, dass das Schlimmste überstanden sei. Doch die Anleger haben die vielen Enttäuschungen der vergangenen Jahre noch in frischer Erinnerung. Und es drohen noch empfindliche Strafen wie im Geldwäscheskandal der Moskauer Niederlassung oder wegen verlustreicher Hypothekenanleihen in Amerika.
Einen Kulturwandel hatten die beiden Nachfolger Ackermanns, der wegen der Rechtsrisiken inzwischen zurückgetretene Anshu Jain und der noch amtierende Ko-Vorstandsvorsitzende Jürgen Fitschen, bei ihrem Antritt im Juni 2012 ausgerufen. Einige Mitarbeiter aus dem deutschen Kundengeschäft waren erstaunt, dass sie sich in Seminaren auf Werte wie Integrität oder Kundenorientierung zurückbesinnen sollten. Die sind für Bankmitarbeiter, deren wichtigste Währung das Vertrauen der Kunden ist, eigentlich selbstverständlich. Stattdessen waren für einige Investmentbanker in London und New York die für sie möglichen Erfolgsprämien wichtiger als die Kundeninteressen. Das zeigen die Strafen.

Vorstände hätten organisatorische Pflichten verletzt

Tatsächlich hat der angebliche Kulturwandel die Gräben zwischen Investmentbanking und dem deutschen Geschäft, zwischen London und Frankfurt, vertieft. Aber noch viel schlimmer ist, dass auch im Vorstand der Kulturwandel nicht ernst genommen wurde. Denn die Untersuchungen der deutschen Finanzaufsicht Bafin zu den Libor-Zinsmanipulationen endeten in schweren Vorwürfen, vor allem gegen Jain. Einigen Vorständen legte die Aufsicht schwere Versäumnisse zur Last, vor allem hätten sie ihre organisatorischen Pflichten verletzt. Zuvor hatten amerikanische und britische Aufseher der Bank eine Strafe von 2,5 Milliarden Dollar aufgebrummt. Sie kritisierten die Führungsebene wegen Fehlinformationen und Verzögerungstaktik.
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Viele Vorstände und Gefolgsleute Jains („Anshu’s Army“) mussten danach gehen. Weiter im Amt ist der Aufsichtsratsvorsitzende Paul Achleitner. Nur zwei Monate nach seinem Amtsantritt stellte Achleitner Ende Juli 2012 fest: „Kein amtierendes oder früheres Mitglied des Vorstands war auf irgendeine unangemessene Weise in die untersuchten Vorgänge um Referenzzinssätze verwickelt.“ Im Vergleich dazu brauchten die Aufseher für ihre Untersuchung drei Jahre. Und ihre Ergebnisse decken sich nicht mit den damaligen Erkenntnissen des Aufsichtsratsvorsitzenden. Nun muss Cryan Haftungsansprüche gegen Achleitner prüfen. Dazu ist die Bank aktienrechtlich verpflichtet. Im Umfeld des Aufsichtsrats wird von einer Formalie gesprochen. Dabei geht es um die Frage, ob Achleitner durch einen falschen Hinweis die Herausgabe eines Prüfberichtes der Bafin an die britische Aufsicht verhindert und damit eine höhere Strafe verursacht habe.
Aus heutiger Sicht lässt sich feststellen: Die Deutsche Bank hat kostbare drei Jahre verloren, weil sie sich mit Jain einen Vorstandschef leistete, der als Ex-Chef der Investmentbanker bei der Aufarbeitung der Affären in einem Interessenkonflikt stand. Er musste auf seine darin verwickelten Gefolgsleute Rücksicht nehmen. Achleitner versuchte Jain zu lange zu schützen. Ein klarer Schnitt wie bei anderen Banken kam deshalb viel zu spät. Diese undankbare Aufgabe hat nun Cryan, der dem Aufsichtsrat von 2013 bis Juli 2015 angehörte, übernommen. Mit einer Rosskur will er die Bank in zwei Jahren zu alter Stärke zurückführen.

Spitzenkräfte sehen sich nach neuen Arbeitgebern um

Doch daran glaubt derzeit keiner. Es ist unklar, wo die deutlich kleinere Bank künftig Geld verdienen will. Hinzu kommen die Probleme aller Banken: die strengeren Anforderungen der Aufsichtsbehörden nach der Finanzkrise, die Ertragsprobleme aufgrund der niedrigen Zinsen und die Herausforderungen im Kundengeschäft durch digitale Vertriebswege. Die Aktionäre der Deutschen Bank müssen für zwei Jahre auf die Dividende verzichten, das gab es in der Nachkriegsgeschichte noch nie. Den Mitarbeitern werden die Boni gekürzt. Das ist nach den Strafen im Investmentbanking auch nötig.
Doch gleichzeitig führt das dazu, dass Spitzenkräfte sich nach neuen Arbeitgebern umschauen. Britische Banken berichten, dass bei ihnen immer mehr Bewerbungen aus der Deutschen Bank eingehen. Leiden muss vor allem das Geschäft in Deutschland, obwohl gerade hier keine der Milliardenstrafen zu verantworten ist. Das Institut wird 200 seiner 750 Filialen schließen. Insgesamt soll die Mitarbeiterzahl einschließlich des Verkaufs der Postbank um fast 30.000 auf 77.000 sinken.
  Deutsche Bank12.02.2016 17:35 Uhr
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Schon früher gab es viele Ankündigungen in der Bank, dass alles besser werde. Aber es wurde nichts besser. Das hat auch Cryan eingeräumt. Seinen Vorgängern warf er vor: „In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind zahlreiche Strategien und Ziele verkündet worden, aber selten wurden sie konsequent realisiert.“ Es war seine Abrechnung mit Ackermann und Jain. Cryan hat sich für die Schocktherapie entschieden. Davon zeugt der Rekordverlust von fast sieben Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr, der vor allem den Abschreibungen auf erhöhte Bilanzwerte und Rückstellungen für neue Strafen geschuldet ist. Cryan hat aber nach Auffassung einiger Mitarbeiter die Bank auch schlechtgeredet. Deren Computersysteme hatte er als lausig bezeichnet. Mitarbeiter müssen nun besorgte Kunden beruhigen. Die Verstimmung ist groß, denn die vielen Affären der Investmentbanker führen seit längerem zu hitzigen Diskussionen mit den Kunden. Auch Firmenkundenberater mussten sich vor Mittelständlern rechtfertigen.

Deutsche Bank wäre für ausländische Banken ein Schnäppchen

Die Aufbruchstimmung, wie sie in den Tagen nach dem Jain-Rücktritt zu spüren war, ist längst der Resignation gewichen. Mit Blick auf den Kursverfall sagt ein Vermögensverwalter: „Wer soll uns denn übernehmen, bei den Rechtsrisiken, die noch ausstehen?“ Dabei wäre die Deutsche Bank mit einem Börsenwert von 20 Milliarden Euro für ausländische Banken ein Schnäppchen. Die amerikanische Großbank JP Morgan verdient so viel Geld in nur einem Jahr.
Wer nach den Gründen für den Niedergang der Deutschen Bank sucht, stößt schnell auf den Einstieg in das Investmentbanking. Damit zog eine andere, angelsächsische Kultur ein. Die Investmentbanker setzen auf kurze Entscheidungswege, um schnell handeln zu können. Dabei steht der Gewinn, erst recht der eigene Bonus, im Vordergrund. Den ersten Schritt in diese Welt machte die Deutsche Bank im November 1989 mit der Übernahme der britischen Morgan Grenfell. Der damalige Vorstandssprecher Alfred Herrhausen vereinbarte das Geschäft, wenige Tage bevor er Opfer des Bombenanschlags der RAF-Terroristen wurde. Erfolgreich war die Übernahme nicht, es gab unterschiedliche Kulturen und einen ersten Skandal. Ein junger Fondsmanager machte durch Spekulationen hohe Verluste. Die Deutsche Bank musste die Kunden entschädigen.
Trotzdem setzten Herrhausens Nachfolger Hilmar Kopper und Rolf-Ernst Breuer in den neunziger Jahren zum Großangriff an. Die Deutsche Bank wollte im Herzen der Finanzwelt, der Wall Street in New York, eine der großen Adressen werden. Im Jahr 1999 war es so weit: Die amerikanische Investmentbank Bankers Trust wurde für neun Milliarden Dollar übernommen. Die Bank war geschwächt, hatte in den Schwellenländern Verluste gemacht und war auch noch in einen Finanzskandal verwickelt. Der damalige Kaufpreis war überteuert, noch im vergangenen Herbst mussten deshalb Milliarden abgeschrieben werden. Ein führender deutscher Bankenaufseher hatte vor Jahren in vertrauter Runde den Kauf von Bankers Trust als eine der verhängnisvollsten Übernahmen in der deutschen Finanzgeschichte bezeichnet. Bankers Trust war schon vor der Übernahme durch die Deutsche Bank als „Zockerbude“ verrufen.

„Uns macht Sorgen, was da geschieht“

Diese Unkultur hat auch das Investmentbanking der Deutschen Bank in den Jahren vor der Finanzkrise geprägt. Sie musste auf den Wertpapierhandel setzen, während sich Wall-Street-Häuser wie Goldman Sachs stärker auf die Königsdisziplin, die Beratung von Unternehmen bei Übernahmen, konzentrieren konnten. Die Deutsche Bank wurde im Geschäft mit Anleihen und Devisen einer der Marktführer. Doch das Handelsgeschäft ist teuer geworden, weil die Aufseher nach der Finanzkrise strenge Anforderungen stellen. Viele Konkurrenten ziehen sich deshalb zurück. Zudem zieht das Handelsgeschäft die „Zocker“ an. Das zeigt sich an den vielen Skandalen der Bank im Zusammenhang mit Marktmanipulationen. Eine weitere Konsequenz des großen Wertpapierhandels ist die für Außenstehende nicht mehr nachvollziehbare Bilanz.
Die Krise der Deutschen Bank zieht aber noch weitere Kreise. Deutsche Unternehmen fragen sich: An wen sollen wir uns künftig wenden? Die im Ausland stark engagierten deutschen Unternehmen brauchen eine große deutsche Bank, die ihnen den Zugang zu Märkten in Amerika oder Asien öffnen kann. „Eine deutsche Bank von Weltklasse ist für global agierende deutsche Unternehmen von hohem Wert“, hatte BASF-Finanzvorstand Hans-Ulrich Engel im vergangenen Mai in einer Umfrage der F.A.Z. gesagt.
„Uns macht natürlich Sorgen, was da geschieht“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, vor wenigen Tagen. Die deutschen Unternehmen wollen sich nicht nur auf amerikanische Investmentbanken verlassen. Bei Übernahmen im Ausland wollen sie einen verlässlichen Partner aus dem Heimatmarkt an ihrer Seite wissen. Diese Rolle können andere deutsche Banken wie die Commerzbank nicht übernehmen. Die deutsche Wirtschaft wünscht sich eine gesunde Deutsche Bank.
Den Einstieg in das Investmentbanking hatte die Deutsche Bank vor Jahrzehnten auch damit begründet, deutsche Unternehmen ins Ausland begleiten zu können. Hätte sie sich darauf beschränkt, stünde sie heute deutlich besser da. Auf die Lage der Deutschen Bank angesprochen, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in dieser Woche, er sei nicht besorgt. Damit signalisierte er aber den derzeit sehr nervösen Finanzmärkten, dass die Bundesregierung die Entwicklung sehr genau beobachte. Sollte der Kursverfall der Aktie weitergehen wie zuletzt, dann stellt sich die Frage, die das ganze Ausmaß der Krise zeigt: Muss Berlin eingreifen?

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