Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Dienstag, 11. April 2017

bange machen gilt nicht....

Venezuela in der Krise
Es droht die grösste Staatspleite der Geschichte

von Alexander Busch, Buenos Aires
Venezuela muss am Dienstag eine Anleihe von gut zwei Milliarden Dollar zurückzahlen. Insgesamt stehen der Staat und sein Ölkonzern PDVSA mit 170 Milliarden Dollar in der Kreide. Händler und Rating-Agenturen sehen schwarz.
Die Menschen wehren sich mit allen Mitteln gegen Maduro, doch der Präsident lässt sich nicht beeindrucken. Ein Zahlungsausfall in Venezuela könnte da schneller Fakten schaffen. (Bild: Ariana Cubillos/Keystone)

Die Menschen wehren sich mit allen Mitteln gegen Maduro, doch der Präsident lässt sich nicht beeindrucken. Ein Zahlungsausfall in Venezuela könnte da schneller Fakten schaffen. (Bild: Ariana Cubillos/Keystone)

«Maduro-Diät» nennen sie es in Venezuela zynisch. Drei Viertel der Venezolaner haben letztes Jahr im Schnitt acht Kilo an Gewicht verloren, weil sie zu wenig zu essen haben. Im einst reichen Staat hungern die Menschen. Das Ölland produziert selber zu wenig Lebensmittel, und die Regierung streicht die Importe zusammen, um Devisen zu sparen. Der Grund für den brutalen Sparkurs auf Kosten der Bevölkerung: Dem Land mit den grössten Ölreserven der Welt geht das Geld aus. Die Regierung in Caracas muss allein in diesem Jahr knapp 10 Mrd. $ an ihre Gläubiger zurückzahlen. Am Dienstag ist die Rückzahlung einer Anleihe im Wert von 2,1 Mrd. $ des staatlichen Ölkonzerns PDVSA fällig. Der Konzern erklärt, das Geld werde pünktlich überwiesen. Aber die Finanzmärkte sind aufgeschreckt.

Maduro hat noch immer gezahlt

Es droht eine historische Zäsur: Venezuela steht vor dem grössten Zahlungsausfall aller Zeiten. Der Staat sowie der Staatskonzern PDVSA haben insgesamt Anleihen im Wert von 110 Mrd. $ aufgelegt. Zusammen mit den Zinszahlungen und Krediten summieren sich die Gesamtforderungen auf bis zu 170 Mrd. $. Im Vergleich: Beim Argentinien-Bankrott vor sechzehn Jahren – der bis heute grösste Zahlungsausfall eines souveränen Staates – ging es um Forderungen in Höhe von 100 Mrd. $.
Bisher gelang es der Regierung immer noch, im letzten Moment die Dollars zusammenzukratzen, um ihre Gläubiger zu bedienen. Doch die Märkte stellen sich bereits auf das Schlimmste ein. Für die Absicherung venezolanischer Anleihen verlangen Händler inzwischen 40% Zinsen. Das ist mehr als dreimal so viel, wie auf Verbindlichkeiten des hochverschuldeten Griechenland gezahlt werden. Die Rating-Agenturen Moody's, Standard & Poor's sowie Fitch stufen die Staatsanleihen nur noch knapp über dem Ausfallniveau ein – mit negativen Aussichten.
Ein erneuter Zahlungsausfall in Südamerika könnte den Markt der Schwellenländer-Anleihen weltweit zusammenbrechen lassen. In den vergangenen Jahren liehen Investoren wegen der hohen Liquidität auf den internationalen Finanzmärkten und der niedrigen Zinsen in den Industrieländern immer mehr Geld an Entwicklungsländer. Gerade Venezuela galt lange als stabiler Schuldner. Das Land besitzt die grössten Ölreserven der Welt und zahlte bisher immer seine Schulden. Doch die Öleinnahmen schrumpfen wegen der sinkenden Förderung und niedriger Ölpreise. Die Folge: Venezuela ist klamm.
Devisenreserven im Wert von etwa 10 Mrd. $ hat die Zentralbank zwar noch. Doch bestehen drei Viertel aus Goldreserven, die nicht so schnell liquide gemacht werden könnten. Schliesslich hat die Regierung die Goldbarren vor Jahren aus Sicherheitsgründen nach Caracas gebracht.

Die Währungsreserven sinken drastisch

in Mrd. $
2016201710121416
Auch die Geduld staatlicher Gläubiger ist strapaziert: Moskau hat Venezuela seit Juni 2016 rund 4,8 Mrd. $ geliehen, abgesichert mit einer 50%-Garantie an der US-Tankstellenkette Citgo, die Venezuela gehört. Doch auch andere Gläubiger wie der US-Ölkonzern Conoco beanspruchen Anteile von Citgo für Entschädigungen. Angeblich will sich Russlands Ölkonzern Rosneft an einem Joint Venture in Venezuela beteiligen. Doch die Opposition droht damit, ein Abkommen im Parlament zu kippen. China hat Venezuela bereits 60 Mrd. $ geliehen, die mit Öllieferungen abgesichert sind. Ben Ramsey von JP Morgan glaubt, dass China erneut, wie in den vergangenen Jahren, Zinszahlungen stunden könnte.

Das Regime braucht Dollars

Die Nervosität wächst. Das liegt auch an den zunehmenden politischen Unruhen im Land selbst. Die Richter hatten das von der Opposition dominierte Parlament entmachtet und sich selbst die legislative Gewalt übertragen. Nach massiven Protesten aus dem Ausland und von der Opposition pfiff Maduro die Richter zwar wieder zurück. Doch seitdem will sich die politische Lage nicht mehr beruhigen.
Nach vier Jahren Rezession und angesichts einer galoppierenden Inflation von über 1000% sind im einst reichsten Land Südamerikas heute 80% der Bevölkerung verarmt. Die Regierung hält die Menschen mit Repression in Schach. Bis anhin kann sich Maduro die Loyalität des Militärs und der Milizen durch zahlreiche Privilegien sichern, etwa bei der Lebensmittelverteilung. Die höheren Ränge der Militärs und die Chefs einiger Milizen gelten als korrupt. Das ist auch der Grund, warum der unbeliebte Maduro bisher alles darangesetzt hat, um den Zahlungsausfall zu vermeiden: Er braucht offene Finanzkanäle, um an Dollars zu kommen, mit denen er sich Loyalität kaufen kann. Ein Zahlungsausfall würde den sofortigen Regierungswechsel bedeuten, sagt Alejandro Grisanti vom venezolanischen Wirtschaftsinstitut Ecoanaliítica. Deswegen glauben die meisten Experten, dass Maduro alles daransetzen wird, die Anleihen zu bedienen.
Über Venezuelas Zahlungsfähigkeit und damit Maduros weiteres Schicksal entscheidet letztendlich der Ölmarkt. Nur steigende Ölpreise können die Regierung retten: Ende des Jahres werden erneut Anleiherückzahlungen in Höhe von 3,6 Mrd. $ fällig. Bleibt der Ölpreis auf dem jetzigen Niveau hätte Maduro dann vermutlich kein Geld mehr in der Kasse

17 Bilder

Seit Tagen gehen Anhänger der Opposition in Venezuelas Hauptstadt Caracas auf die Strassen und fordern Neuwahlen. Wie an den Tagen zuvor versucht die Polizei auch am Montag durch den massiven Einsatz von Tränengas, die Demonstration aufzulösen. Einige der Demonstranten schützen sich mit Gasmasken. (10. April) (Bild: Miguel Gutierrez / EPA)


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen