Privatanleger verklagen Griechenland vor deutschen Gerichten
Griechenland ist nicht Argentinien
29.10.2012
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Argentinien 2002 – darauf verweist die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, die die Klagen der Anleger unterstützt und betreut. Das südamerikanische Land hatte damals seine Schulden nicht mehr bedient und wurde deshalb in mehreren Verfahren erfolgreich wegen Vertragsbruchs verklagt. Das macht den Anlegern Hoffnung. Nach Auskunft der Schutzvereinigung sind mehrere tausend Privatanleger zur Klage gegen Griechenland entschlossen.
Sie wehren sich gegen den im vergangenen Jahr beschlossenen Schuldenschnitt. Teil des so genannten Hair-Cuts war eine Umschuldung Griechenlands, die die Anleger dazu zwang, ihre griechischen Staatsanleihen "freiwillig" in längerfristige Anleihen zu einem geringeren Nennwert umzutauschen. Dies führte für die Anleger zu massiven Verlusten von bis zu 80 Prozent ihrer Forderungen. Den Schuldenschnitt hatten erst die vom griechischen Gesetzgeber eingeführten so genannten Collective Action Clauses möglich gemacht. Diese Mehrheitsklauseln stellen den Gläubigern eine nachträgliche Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für ihren Anleihekauf anheim. Einigen sich die Gläubiger auf eine entsprechende Änderung, gilt diese aber auch für diejenigen unter ihnen, die sich dagegen ausgesprochen oder gar nicht erst an der Abstimmung beteiligt hatten.
Heikel war die Operation deshalb, weil der griechische Staat auch in bereits laufende Obligationen eingriff und sie mit Collective Action Clauses ausstattete. Die Presse hielt das für einen Griff in die Trickkiste. Begünstigt wurde das Vorgehen dadurch, dass die Staatsanleihen jedenfalls zu einem großen Teil griechischem Recht unterstellt sind. Der griechische Staat konnte damit als Gesetzgeber und Anleiheschuldner in Personalunion seinen Gläubigern neue Anleihebedingungen gleichsam aufzwingen.
Wenig Aussicht auf Erfolg
Am Montag bestätigte die Schutzvereinigung den Eingang der ersten Anleger-Klagen gegen Griechenland beim Landgericht Kiel. Es ist zwar keineswegs ungewöhnlich, dass auch ein Staat zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt wird, da er als Anleiheschuldner in vergleichbarer Weise am Geschäftsverkehr teilnimmt wie der Emittent einer privaten Unternehmensanleihe.
Auch kann Griechenland keine völkerrechtliche Immunität für sich beanspruchen, da hoheitliche Belange nicht unmittelbar betroffen sind. Nur bei der Vollstreckung eines entsprechenden Urteils könnte die Immunität Fragen aufwerfen. Griechisches Vermögen in Deutschland, das hoheitlichen Zwecken dient, ist nicht der Vollstreckung unterworfen. So ist etwa das Botschaftsgelände für die Vollstreckungsorgane tabu.
Die Erfolgsaussichten der Klagen sind trotz alledem gering.
Zuständigkeit wird der EuGH klären müssen
Schon die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist fraglich. Die Anleger-Schutzvereinigung verweist auf die Brüssel I-Verordnung (EuGVVO), die für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) die Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen regelt. Die Verordnung garantiert Verbrauchern gegenüber ihren Vertragspartnern einen Gerichtsstand am Wohnsitz.
Doch es ist keineswegs ausgemacht, dass die Anleihegläubiger wirklich einen Verbrauchervertrag mit dem griechischen Staat geschlossen haben. Erworben wird die Anleihe über den Sekundärmarkt, und gerade nicht unmittelbar vom griechischen Staat.
Zwar können auch einseitige Verpflichtungen wie hier die Rückzahlungspflicht des Anleiheschuldners einen vertraglichen Charakter haben. Die Einordnung von Anleihen unter den Verbrauchergerichtsstand hätte jedoch weitreichende Folgen für den Emissionsmarkt. Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Anleihekäufe würden ihre Bedeutung verlieren, weil sie nach Maßgabe der Verordnung gegenüber Verbrauchern keine Wirkungen mehr entfalten würden.
Die deutschen Gerichte werden die Frage voraussichtlich dem für die Auslegung der Verordnung zuständigen Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen. Mit schnellen Urteilen ist daher nicht zu rechnen.
ESM-Vertrag macht Collective Action Clauses verpflichtend
Auch materiell-rechtlich bewegen sich die Klagen auf schwierigem Terrain. Deutsche Gerichte müssten griechisches Recht anwenden. Dass ein langlebiges Dauerschuldverhältnis wie eine Anleihenobligation gesetzlichen Änderungen unterworfen ist, ist keineswegs ungewöhnlich. Der Spielraum des griechischen Staats als Gesetzgeber wird nicht dadurch beschnitten, dass er zugleich Anleiheschuldner ist.
Der Vorwurf, Griechenland habe Völkerrecht und Europarecht verletzt, wird sich schwer begründen lassen. Die deutschen Gerichte müssten zu der Erkenntnis kommen, die Einführung von Collective Action Clauses sei nicht zulässig gewesen. Damit würden sie in offenen Widerspruch zur Politik treten. Immerhin sind solche Klauseln durch den ESM-Vertrag erst jüngst für künftige Staatsanleihen verbindlich gemacht worden.
Griechenland ist daher kein zweites Argentinien. Möglicherweise werden die klagenden Privatanleger ihre Hoffnungen auf Schadensersatz bald begraben müssen.
Der Autor Prof. Dr. Christoph Thole ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Europäisches und Internationales Privat- und Verfahrensrecht an der Universität Tübingen. Eine ausführliche juristische Aufarbeitung des Themas findet sich in seinem Beitrag in den Wertpapier-Mitteilungen (WM) 2012, S. 1793
Herrn Thole sollte man mal den Unterschied zwischen laufenden und zukünftigen Verträgen erklären...
AntwortenLöschenDie CLLB Klage richtet sich nicht umsonst an dem Ort der Depotinstitute... Pfleiderer wurde auch so verklagt, obwohl niederländischer Gerichtsstandort angegeben war!
"Der Spielraum des griechischen Staats als Gesetzgeber wird nicht dadurch beschnitten, dass er zugleich Anleiheschuldner ist."
AntwortenLöschenDoch Herr Thole, damit ist iure imperii beschnitten !
"Dass ein langlebiges Dauerschuldverhältnis wie eine Anleihenobligation gesetzlichen Änderungen unterworfen ist, ist keineswegs ungewöhnlich"
Wir haben kein Dauerschuldverhältniss Herr Thole, WIR haben nämlich einseitig vollständig erfüllt !
"Deutsche Gerichte müssten griechisches Recht anwenden."
Ein Blick ins Gesetz vertieft die Rechtskenntnisse ungemein Herr Thole, bite doch mal bis zu § 293 ZPO durchblättern.
"Die deutschen Gerichte müssten zu der Erkenntnis kommen, die Einführung von Collective Action Clauses sei nicht zulässig gewesen." genau das werden sie Herr Thole, sie können gar nicht anders entscheiden.
"Damit würden sie in offenen Widerspruch zur Politik treten. Immerhin sind solche Klauseln durch den ESM-Vertrag erst jüngst für künftige Staatsanleihen verbindlich gemacht worden."
Bei der Argumentation sollte man als erstes überlegen diejenige Prüfungskommission zu verklagen, bei welcher Herr Thole das 2. juristische Staatsexamen abgelegt hat.
Interessanterweise wurde das dort veröffentlicht WM Mitteilungen, in denen auch der Zwangsumtausch umgesetzt wurde. Die WM Mitteilungen stehen doch ganz eng mit der Deutschen Börse , d.h. Clearstream zusammen....ich werte das mal als bezahlten Marketing Akt, um Stimmung gegen die Klagen zu machen bzw. weitere zu verhindern, vor allem auch gegen Clearstream oder Depotbanken gerichtete....
AntwortenLöschenWenn denen nichts besseres einfällt, haben wir ja nichts weiter zu befürchten...
LöschenHoffentlich wird Herr Thole deren Rechtsbeistand!
Mal wieder einer dieser halbgaren Artikel, die ich so liebe...
AntwortenLöschen"Griechenlansd ist nicht Argentinien"
Diese Erkenntnis ist nicht neu.
"Heikel war die Operation deshalb, weil der griechische Staat auch in bereits laufende Obligationen eingriff und sie mit Collective Action Clauses ausstattete. Die Presse hielt das für einen Griff in die Trickkiste."
Der Staat hat in privatrechtliche Verträge nachträglich und einseitig eingegriffen - das ist nicht Trickkiste, das ist illegal.
"Der griechische Staat konnte damit als Gesetzgeber und Anleiheschuldner in Personalunion seinen Gläubigern neue Anleihebedingungen gleichsam aufzwingen."
Das ging vielleicht zu Zeiten der Militärdiktatur so, aber nicht in einem demokratischen EU-Mitgliedsland. Deswegen auch der strikte Eigentumsschutz in der griechischen Verfassung, als Lehre aus der Militärdiktatur.
"Die Einordnung von Anleihen unter den Verbrauchergerichtsstand hätte jedoch weitreichende Folgen für den Emissionsmarkt. Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Anleihekäufe würden ihre Bedeutung verlieren, weil sie nach Maßgabe der Verordnung gegenüber Verbrauchern keine Wirkungen mehr entfalten würden."
Gerade das gilt es zu klären!
Bei der BAFIN gibt es eine Rubrik "Verbraucherthemen -> Wertpapiergeschäfte". Und Anleihen gehören wohl eindeutig zu der Gattung Wertpapiere.
Sind also etwa private Käufer von Unternehmensanleihen "schutzbedürftige" Verbraucher und solche von EURO-Staatsanleihen keine Verbraucher, also Freiwild? Wohl mitnichten.
"Der Spielraum des griechischen Staats als Gesetzgeber wird nicht dadurch beschnitten, dass er zugleich Anleiheschuldner ist."
Völliger Schwachsinn, nicht wert zu kommentieren.
"Die deutschen Gerichte müssten zu der Erkenntnis kommen, die Einführung von Collective Action Clauses sei nicht zulässig gewesen. Damit würden sie in offenen Widerspruch zur Politik treten."
Lieber Herr Thole, wir leben nicht in einer Militärdiktatur, sondern in einem freien Land mit von der Politik unabhängigen Gerichten (formal zumindest, wobei ich da mittlerweile schon so meine leichten Zweifel habe...).
"Immerhin sind solche Klauseln durch den ESM-Vertrag erst jüngst für künftige Staatsanleihen verbindlich gemacht worden."
Ja, aber nur für neu aufgelegte Staatsanleihen - was hat das jetzt also mit der Zwangs-CACerei zu tun?
Alles in allem ein ziemlich dürftiger Artikel, da war anscheinend der Wunsch Vater des Gedankens.
(Aldy)