DuisburgDa ist es wieder, das Gespenst eines erneuten Schuldenschnitts für den griechischen Staat. Angeblich handelt es sich um eine Empfehlung der Troika. Zwar wird dies von offizieller Seite dementiert, aber wo Rauch ist, dürfte auch Feuer sein. Es ist also nicht völlig aus der Luft gegriffen, wenn man davon ausgeht, dass eine solche Empfehlung zumindest als Option im Troika-Bericht enthalten ist.
Es wäre zudem nicht der erste Vorschlag dieser Art. So hat die Gemeinschaftsdiagnose der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute kürzlich gleichfalls einen Schuldenschnitt für griechische Staatsanleihen für unvermeidlich erklärt.
Dies ist erschreckend. Denn es ist schwer vorstellbar, wie der Euroraum nach einem erneuten Schuldenschnitt je wieder auf die Beine kommen könnte. Dabei ist ein solcher Schritt gut gemeint. Wenn man zu dem Schluss kommt, dass die Schuldenlast in Griechenland schlicht zu hoch ist, um je wieder auf ein Normalmaß zurückgeführt werden zu können, scheint eine solche Vorgehensweise auf den ersten Blick ja sinnvoll.
Durch einen Schuldenschnitt, bei dem die Staatsanleihen zu einem Stichtag um einen in der Regel hohen Prozentsatz entwertet werden, würde sich die Schuldenlast Griechenlands tatsächlich schlagartig um genau diesen Prozentsatz vermindern und damit auch die hieraus resultierenden Zinszahlungen. So weit so gut.
Doch, wo Schuldner sind, da sind auch Gläubiger, die dem griechischen Staat im Glauben an dessen Fähigkeit, seine Zins- und Tilgungszahlungen zum vereinbarten Termin zu leisten, einen Kredit gewährt haben. Sie verlieren mit dem Schuldenschnitt genau jenen Anteil an Vermögen, um den sich die griechische Staatsschuld vermindert. Nun könnte man meinen, dies geschähe den Zockern an den Finanzmärkten nur recht. Wären sie doch nur vorsichtiger mit ihrem Geld gewesen. Dies ist leider zu kurz gedacht.
Hauptgläubiger des griechischen Staates sind nämlich derzeit keine Zocker und Spekulanten, sondern die Staaten des Euroraums und die EZB. Es wären also im Kern die Steuerzahler des Euroraums, die die Last des Schuldenschnitts zu tragen hätten, weil sich die Verschuldung ihrer Staaten entsprechend erhöhen würde. Sie müssten dann über ihre Steuern eine erhöhte Zinslast aufbringen.
Die Motive der Staaten, Griechenland Geld zur Verfügung zu stellen, waren aber alles andere unseriös. Ihnen ging es um die Rettung des angeschlagenen Staates und nicht um Gewinnspekulation. Ein Schuldenschnitt wäre demnach ein massiver Vertrauensbruch gegenüber dem europäischen Steuerzahler, der in Folge verständlicherweise kaum bereit sein dürfte, weiteren notwendigen Rettungsmaßnahmen zuzustimmen.
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Der nächste Vertrauensbruch
Es wäre im Übrigen der zweite Vertrauensbruch dieser Art. Schon der erste Schuldenschnitt, der im Sommer vergangenen Jahres angekündigt und im Frühjahr diesen Jahres durchgeführt wurde, war nichts anderes als ein klarer Wortbruch. Denn die Regierungen und insbesondere auch die Bundeskanzlerin hatten am Beginn der Krise des Euroraums erklärt, dass es zu keinem Schuldenschnitt kommen würde. Er kam dann doch. Danach hieß es, es werde auf keinen Fall zu einem erneuten Ausfall Griechenlands kommen. Will man diese Aussage nun schon wieder kassieren? Wie glaubhaft sind dann Erklärungen der Regierungen eigentlich noch?
Dies ist nicht nur ein moralisches oder politisches Problem. Ein solcher Vertrauensbruch hat auf den Finanzmärkten ganz reale Konsequenzen. Die erste ist, dass man dem unzuverlässigen Schuldner nur noch Geld gegen extrem hohe Risikoaufschläge bei den Zinsen leiht. Die Gläubiger preisen den nächsten Schuldenschnitt gleichsam sofort mit ein.
Im Fall Griechenland heißt dies, dass das Land auf absehbare Zeit kein Geld zu bezahlbaren Zinsen auf den Finanzmärkten bekommen kann. Es bleibt auf den Rettungsschirm der Euro-Mitgliedstaaten angewiesen, durch den es gegen harte Auflagen billigere Kredite bekommt, weil diese von den Mitgliedstaaten des Euroraums verbürgt werden.
Wenn man nun über einen zweiten Schuldenschnitt diskutiert, dann muss man wohl zunächst festhalten, dass der erste offenkundig nicht den gewünschten Erfolg hatte. Die Schuldenlast Griechenlands hat sich nur kurzfristig reduziert und ist als Folge der gravierenden Wirtschaftskrise mit massiven Steuerausfällen im weiteren Verlauf des Jahres wieder kräftig angestiegen. Entweder war also der Schuldenschnitt falsch oder der verordnete Austeritätskurs oder beides. Jedenfalls gibt es keinen Grund für eine Wiederholung.
Die wohl schwerwiegendste Folge des ersten Schuldenschnitts betrifft aber gar nicht Griechenland, sondern die übrigen Krisenländer. Indem man entgegen allen vorherigen Beteuerungen die griechischen Schulden teilweise entwertet hat, keimte bei den Anlegern der naheliegende Verdacht auf, dass für die anderen Krisenländer ein ähnliches Vorgehen nicht ausgeschlossen werden könnte.
Es drohten also als Folge der griechischen Pleite sofort weitere Staatspleiten. Damit stand der gesamte Euroraum vor dem finanziellen Kollaps. Schließlich wäre Italien durch die bestehenden Rettungsschirme nicht zu retten gewesen. Nur das beherzte Eingreifen der EZB, die die Banken sofort mit unbegrenzter Liquidität versorgte, verhinderte das Entstehen eines zweiten Lehman-Moments, der die europäischen Volkswirtschaften in den Abgrund gerissen hätte.
Nicht schon wieder!
« 3 / 3Panik oder Amnesie?
Wenn nun trotz dieser bedrückenden Erfahrungen erwogen wird, einen Schuldenschnitt zu wiederholen, kann man dies nur mit Panik oder Amnesie erklären. Die Effekte dürften sogar noch gravierender als beim vergangenen Mal sein. Es steht zu befürchten, dass die Staaten des Euroraums mit diesem Schritt das letzte wirklich wirksame Mittel gegen die Krise verlieren: die EZB.
Die EZB darf sich nicht an dem Schuldenschnitt beteiligen, denn dies wäre eine direkte Staatsfinanzierung durch den Verzicht auf Rückzahlung der Schulden. Zugleich dürfte sie aber auch keine griechischen Staatspapiere mehr aufkaufen, da sie ja offenkundig keine Sicherheit mehr bieten. Geraten - wie nach den Erfahrungen des vergangenen Sommers zu erwarten - auch die Anleihen anderer Länder in den Sog des Schuldenschnitts, dürfte sie diese eigentlich auch nicht mehr aufkaufen. Damit droht das gesamte Aufkaufprogramm der EZB, das dem Euroraum derzeit einen letzten Halt gibt, zu scheitern. Das aber dürfte das Ende des Euros einleiten.
Besser wäre es adäquate Schlussfolgerungen aus dem Scheitern des bisherigen Kurses zu ziehen. Statt eines Schuldenschnitts hieße dies, die Krisenländer wirtschaftlich in die Lage zu versetzen, ihre Schulden zu bedienen. Solche Maßnahmen, zu denen eine Abkehr von der Austeritätspolitik gehört, sind wesentlich erfolgversprechender.
Man kann daher den Regierungen nur dringend raten, nicht noch einen Schuldenschnitt vorzunehmen. Dies wäre zwar der letzte - aber nur, weil es danach keinen Euroraum mehr geben dürfte.
Prof. Dr. Gustav A. Horn ist Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. Er lehrt an der Universität Duisburg-Essen.
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