„Alternative für Deutschland“Eine bürgerliche Graswurzelbewegung gegen den Euro
12.03.2013 · Der erste öffentliche Auftritt der „Alternative für „Deutschland“ zieht 1200 Interessenten an. Mit ihrer Kritik treffen VWL-Professoren einen Nerv des unzufriedenen Bürgertums.
Von PHILIP PLICKERT, OBERURSEL
Bevor die Massen in die graue Stadthalle strömen, geben die Parteigründer eine Pressekonferenz. Für eine Partei, die erst seit knapp einer Woche eine Internetseite hat, ist das Interesse riesig. Etwa zwei Dutzend Journalisten wollen etwas über die neue Partei mit dem Namen „Alternative für Deutschland“ wissen. Vor der Tür filmt ein italienisches Kamerateam. Im holzvertäfelten Saal drehen weitere TV-Teams, Radioreporter halten Bernd Lucke ihre Aufnahmegeräte unter die Nase. Der schlanke VWL-Professor aus Hamburg, der trotz seiner 50 Jahre noch ein ganz jungenhaftes Gesicht mit spitzem Lächeln hat, beantwortet geduldig die Fragen.
Schade seine Partei nicht dem Europagedanken? „Durch Europa geht ein Graben“, sagt er. Daran sei aber der Euro schuld. Die Gemeinschaftswährung sei kein Friedensbringer, sondern ein „Spaltpilz“. In Südeuropa ruiniere er die Wirtschaft, weil die nicht wettbewerbsfähigen Länder nicht abwerten können. Dem Norden, vor allem Deutschland, würden ungeheure Haftungsrisiken für die Milliarden-Kreditprogramme aufgebürdet. „Zu dieser Währungs- und Europa-Politik gebe es keine Alternative, sagen Regierung und Opposition, die bedauerlicherweise in dieser Frage eine einheitliche Politik machen. Doch, es gibt immer eine Alternative“, meint Lucke, nämlich die Auflösung des Euro und die Rückkehr zu nationalen Währungen oder kleineren Währungsverbünden.
Der Feuilletonjournalist Konrad Adam, Mitgründer der Partei, attackiert die angeblichen Alternativlosigkeit. „Wir halten Alternativlosigkeit für falsch und gefährlich, weil es uns als Wähler entmündigt.“ Und der ehemalige Leiter der hessischen Staatskanzlei, Alexander Gauland, der nach vielen Jahren wie Lucke die CDU verlassen hat, kritisiert: „Mit der Phrase der Euro-Schicksalsgemeinschaft wird versucht, eine nicht funktionierende Währung zu überhöhen.“
So jung und klein die Partei ist, Lucke gibt sich erstaunlich selbstbewusst. „Verträge sind einzuhalten, aber wir müssen ein Austrittsrecht in die EU-Verträge aufnehmen.“ Dies wolle er „mit den europäischen Partnern aushandeln“. Natürlich sei „unbestreitbar, dass es wirtschaftliche Verwerfungen geben wird, wenn der Euro aufgelöst wird, das kann teuer werden“. Man müsse über eine „solidarische Lastenverteilung zwischen den Partnern“ reden. Wenn Europas Spitzenpolitiker „engstirnig am Euro festhalten, dann wird es dazu führen, dass die Ungleichgewichte immer mehr zunehmen und der Euro ungeordnet auseinanderbricht“. Dann sei auch der Binnenmarkt gefährdet, wenn einige Länder wieder Zollschranken hochzögen. „Das ist weit schlimmer als ein geordneter Euro-Ausstieg“, meint Lucke. Er spricht ganz ruhig und mit hanseatischer Höflichkeit – obwohl er eigentlich unglaubliches formuliert.
Sein Professorenkollege Joachim Starbatty assistiert mit mehr Temperament. Der Euro-Austritt mache nur die Kosten der schon aufgelaufenen Verschuldung sichtbar. Es würden mit der Euro-Rettung keine Länder gerettet, sondern nur die Banken. Seit sechs Jahren liege Griechenland in der Rezession, seit drei Jahren Spanien und Italien. „Wir müssen weg von der Bankenrettung hin zur Länderrettung“. Und ein Euro-Ende mit Abwertung sei dafür der einzige Weg. Ob eine Aufwertung der deutschen Währung dann nicht dem Export schade, bohrt eine Journalistin vom „Wall Street Journal“ nach. Eine Aufwertung sei nicht weiter schlimm, findet Starbatty. „Deutschland war immer ein Aufwertungsland.“ Nach dem Krieg zahlte man für einen Dollar genau 4,2 Mark, zuletzt war der Kurs auf 1,3 Mark gesunken.
Der deutschen Volkswirtschaft hätten die wiederkehrenden starken Aufwertungen der Mark nicht schlecht bekommen, sie war zu Innovationen gezwungen. Für die Bevölkerung bedeute eine Währungsaufwertung einen Kaufkraftgewinn. „Der ehemalige Wirtschaftsminister Karl Schiller nannte das die soziale Dividende.“ Seit dem Jahr 2000 habe aber die Massenkaufkraft nicht mehr zugelegt, hingegen seien die Bezüge der Dax-Konzerne exorbitant gestiegen. Der Tübinger Ökonom will damit sagen, dass der Euro zwar der exportorientierten Industrie geholfen habe, doch den allgemeinen Wohlstand nicht gefördert habe. „Schauen Sie in die Schweiz, trotz einer scharfen Aufwertung boomt dort die Wirtschaft und die Arbeitslosenquote liegt bei 2,5 Prozent“, ruft Starbatty.
© DAPD
Auf dem Podium Mitglieder der "Alternative für Deutschland": Joachim Starbatty (v.l.), Beatrix von Storch, Konrad Adam und Alexander Gauland.
Zeitweilig klingt es auf der Pressekonferenz wie in einem währungstheoretischen Proseminar an der Universität. In der Politik ist Lucke noch völlig unerfahren, wie er selbst zugibt. Aber der Zuspruch der Bürger mache ihm Mut. „Wir sind eine Graswurzelbewegung“, meint er. Angefangen hat die Partei mit 55 Unterstützern, von denen mehr als die Hälfte einen Professorentitel trägt. Inzwischen seien es schon 2000 Mitglieder, nach nur einer Woche an der Öffentlichkeit.
Drei Kernpunkte habe das Programm der „Alternative für Deutschland“: Sie fordern einen „Stopp der Eurorettung“, zudem kritisieren sie „die ausufernde Bürokratie und das Demokratiedefizit in der EU“ und zuletzt wollen sie „die Degenerierung des Parlamentarismus und der demokratischen Kultur“ aufhalten. Denn die nationalen Parlamente seien im Zuge der Euro-Rettung völlig eingeschüchtert worden und zu Statisten verkommen. Als weiteren Programmpunkt nennt Lucke eine Vereinfachung des „hyperkomplizierten deutschen Steuerrechts“.
Aber es klingt auch Skepsis unter den Fragenden durch, ob die kleine neue Partei eine Chance habe, zur Bundestagswahl anzutreten. Wie Lucke es schaffen wolle, in zwei Monaten bis Mitte Juli in jedem Bundesland 2000 Unterstützerunterschriften zu sammeln, um zur Wahl zugelassen zu werden. „Wir schaffen das mit Ihrer Mitarbeit. Hier sind 1200 Leute, mit Ihnen bekommen wir die Unterschriften ohne weiteres zusammen.“
Das italienische Kamerateam beobachtet aufmerksam, welche Spannung sich hier zusammenbraut. Die Euro-Skepsis ist längst im Euro-Kernland angekommen.
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