DüsseldorfDas Jahr hat für EZB-Chef Mario Draghi mit einer schlechten Nachricht begonnen. Die neuesten Zahlen der Statistikbehörde Eurostat zeigen: Die jährliche Inflation im Euro-Raum ist im Dezember auf 0,9 Prozent gefallen. Die jährliche Kernrate, also der um besonders schwankungsanfällige Güter wie Nahrung und Energie bereinigte Wert, lag sogar nur bei 0,7 Prozent. So wird sich Draghi auf seiner heutigen Pressekonferenz nach der EZB-Sitzung viele Fragen dazu anhören müssen.
Doch dies ist längst nicht die einzige Sorge, die den neuen EZB-Chef im neuen Jahr umtreibt. Auch an anderen Fronten droht ihm Ärger. Die Kreditvergabe in der Euro-Zone schrumpft. Der Stresstest bei Europas Banken könnte neue Löcher in den Bankbilanzen zum Vorschein bringen. Und wenn es hart auf hart kommt, könnte die EZB sogar ihr wichtigstes geldpolitisches Instrument verlieren.
2014 – ein heikles Jahr für die Notenbank
Neue Bleibe
In gebührendem Abstand zu den Bankentürmen im Westend entsteht in Frankfurt das neue Hauptquartier der EZB. Wann genau die Notenbanker dort einziehen werden, ist noch nicht klar - geplant ist aber 2014. Die EZB bleibt aber auch im Frankfurter Euro-Tower. Hier werden die Bankenaufseher untergebracht. Geldpolitiker und Aufseher sollen also nach den Umzügen nicht unter einem Dach arbeiten - Interessenskonflikte sollen so auf ein Minimum reduziert werden.Neues Mitglied
Neue Offenheit
Neue Instrumente
Neue Banken
Neues Personal
Neue Krise?
Dieses ist das Anleiheprogramm OMT. Mit ihm kann die EZB im Notfall unbegrenzt Anleihen der Krisenländer kaufen, wenn die betroffenen Länder im Gegenzug Reformauflagen akzeptieren. Seit der Auflage des OMT-Programms im September 2012 hat sich die Euro-Krise deutlich abgeschwächt. Die Angst vor dem Zusammenbruch der Währungsunion ist gewichen. Umso schwerwiegender wäre ein Verbot durch das Bundesverfassungsgericht.
„Das größte Risiko für die EZB besteht 2014 im Karlsruher Urteil zum Anleiheprogramm OMT,“ sagt Christian Schulz von der Berenberg Bank. Zumindest kurzfristig würde dies erhebliche Unruhe schüren. „Wenn das Bundesverfassungsgericht der EZB ihr wichtigste Instrument aus der Hand schlagen sollte, hätte das gravierende Folgen,“ warnt Schulz.
Ironischerweise könnte gerade das dazu führen, dass die EZB zu noch umstritteneren Mitteln greift als bisher. Eine mögliche Alternative zum OMT-Programm wäre: Die EZB kauft ein repräsentatives Portfolio aller Staatsanleihen der Mitgliedstaaten oder auch private Anleihen. Das könnte unter Umständen eher verfassungskonform sein.
Es hieße aber: Die EZB würde deutsche oder französische Staatsanleihen kaufen oder sogar Unternehmensanleihen. Sie müsste dann noch mehr Geld in die Wirtschaft pumpen. „Die Alternativen zum OMT-Programm, wie etwa der Kauf eines gewichteten Portfolios von Staatsanleihen ohne Konditionalität, würde die Anreize zu nachhaltiger Haushaltspolitik und strukturellen Reformen für manche Regierung vielleicht reduzieren,“ sagt Christian Schulz.
Ein Verbot wäre die Ultima Ratio. Das Bundesverfassungsgericht könnte auch ein so genanntes „Ja, aber“- Urteil treffen – und der EZB Grenzen für ihre Anleihekäufe setzen. Dies ginge vermutlich zu Lasten der Wirksamkeit des OMT-Programms. Gerade die Bereitschaft zu unbegrenzten Anleihekäufen nimmt Spekulanten den Anreiz, gegen die EZB zu spekulieren. Wenn es hingegen ein definiertes Limit gäbe, würde die EZB berechenbar. Das könnten Spekulanten als Einladung verstehen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird frühestens im Februar erwartet.
Den Ausgang des Urteils kann Draghi nicht beeinflussen – er muss mit den Folgen klarkommen. Anders verhält es sich bei der Inflation. Auf die Entwicklung der Preise hat die EZB Einfluss. Ihr klassisches Instrument dafür ist der Leitzins. Doch der liegt bereits auf dem historischen Tiefstwert von 0,25 Prozent.
EZB-Anleihe-Programm zur Lösung der Euro-Krise
Mehr Transparenz
Die EZB hatte im Mai 2010 nach einem Wochenende hektischer Rettungsaktionen der Euro-Staaten für Griechenland spontan ein Anleihekaufprogramm beschlossen. Die Konditionen des „Securities Market Programme (SMP)“ blieben weitgehend im Dunkeln. Die EZB gab lediglich im Nachhinein wöchentlich bekannt, welche Summen an Staatspapieren aus dem Markt genommen wurden, ohne dabei die Länder zu nennen. Zu beobachten war im Handel aber, dass die Zentralbank zunächst Griechenland und dann Irland und Portugal stützte, die unter den Rettungsschirm EFSF geschlüpft waren. Im Sommer 2011 folgten Spanien und Italien. Das Interventionsvolumen von SMP beläuft sich auf 209 Milliarden Euro.Verzicht auf Limits
Niedrige Zinsen kommen nicht beim Verbraucher an
Keine Hilfe ohne Spar- und Reformprogramm
EZB verzichtet auf Privilegien
Inflationsbremse bleibt angezogen
Ob sie ihn noch einmal senkt, wird auch davon abhängen, wie sich die vorgesehene Straffung der Geldpolitik in den USA auf die Eurozone auswirkt. Die Fed will ihre monatlichen Anleihekäufe drosseln. Das könnte die Marktzinsen in den USA nach oben treiben. „Falls dadurch die Marktzinsen in der Euro-Zone signifikant steigen, könnte das die EZB unter Zugzwang bringen,“ sagt Johannes Gareis, Deutschland-Volkswirt der französischen Investmentbank Natixis. Viel Spielraum nach unten hat die EZB beim Leitzins aber nicht mehr.
Deshalb könnte sie zu anderen Mittel greifen und ihre so genannte forward guidance verstärken. Dahinter steht die Idee, den Märkten eine noch klarere Orientierung über die langfristige Strategie der EZB zu geben. Die US-Notenbank Federal Reserve etwa hat sich festgelegt, die Zinsen erst wieder zu erhöhen, wenn die Arbeitslosigkeit in den USA unter die Marke von 6,5 Prozent fällt. So deutlich war die EZB bisher nicht. Allerdings liegt ihr alleiniger Fokus auf Preisstabilität – die Fed verfolgt daneben außerdem das Ziel einer möglichst hohen Beschäftigung.
Seit Monaten wird auch über einen negativen Einlagenzins diskutiert. Banken, die ihr Geld bei der EZB parken, müssten dann eine Strafgebühr zahlen. Die Hoffnung dahinter ist: Die Banken sollen weniger Geld zur EZB tragen und es stattdessen anderweitig verleihen. Durch zwei langfristige Refinanzierungskredite (LTRO) hat die EZB den Banken im Euroraum Ende 2011 und Anfang 2012 über eine Billion Euro für drei Jahre geliehen.
Das Geld jedoch landete vor allem in Staatsanleihen. Zur Stimulierung der Wirtschaft hat es kaum beigetragen. Im Grunde haben die Banken mehr Geld als sie brauchen. Das Problem ist nur: Sie leiten es nicht an die Wirtschaft weiter. Die Kreditvergabe im Euro-Raum schrumpft. Das Geld, was die EZB den Banken gibt, kommt in der Wirtschaft nicht an. Dennoch rechnet Berenberg-Analyst Christian Schulz damit, dass die EZB 2014 einen weiteren langfristigen Refinanzierungskredit für die Banken auflegen wird, um die auslaufenden LTROs abzulösen.
Die größte Hoffnung für eine Entspannung bei der Kreditvergabe ist die Konjunktur. Wenn die Wirtschaft Tritt fasst, sinkt das Ausfallrisiko. Das Vertrauen der Banken untereinander könnte auch durch den geplanten Stresstest zunehmen. Als Vorstufe zur geplanten Bankenunion prüft die EZB Anfang des Jahres die Bilanzen der Banken im Euro-Raum. Danach folgt im Herbst der Stresstest.
Die wichtigsten Fragen zur Bankenunion
Warum ist die Bankenunion für Europa wichtig?
Seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 versucht die EU, die Finanzbranche sicherer zu machen. Der Grundgedanke dabei ist, dass Steuerzahler nicht mehr für die Fehler von Geldhäusern zahlen müssen. Zur Bankenunion gehört die bereits fest vereinbarte Aufsicht für große Banken der Eurozone - sie wird im November 2014 unter dem Dach der Europäischen Zentralbank starten. Der zweite Pfeiler ist das nun von den EU-Staaten beschlossene System zur Schließung oder Sanierung von Pleitebanken.Warum muss es schnell gehen?
Gibt es künftig eine neue Einrichtung für Pleitebanken?
Warum gibt es Einwände gegen den neuen Topf?
Die Staaten sind bei Bankenkrisen künftig ganz aus dem Schneider?
Wer entscheidet über die Schließung einer Pleitebank?
Überzeugt dieser Kompromiss alle?
Christian Schulz erwartet dabei keine großen Überraschungen. „In besonders kritischen Ländern wie Griechenland und Spanien sind die Banken bereits geprüft worden. Das waren dieselben Experten, die das jetzt tun,“ sagt er. Daher sei es unwahrscheinlich, dass die Ergebnisse deutlich anders ausfallen. Unsicherheit gebe es eher bei Banken aus Italien, Deutschland oder Frankreich.
Die Banken sollen durch den Stresstest untereinander wieder Vertrauen schöpfen. Gelingt das, könnte Europa 2014 bei der Bewältigung der Krise einen entscheidenden Schritt machen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen