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Samstag, 11. Januar 2014

Für Diskussionsstoff sorgte das Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 19.September 2013, in dem ausgerechnet ein deutscher Rentner in Österreich den Stein für die mögliche Ausweitung von Sozialleistungen ins Rollen brachte (Az.: C-140/12). Er hatte dagegen geklagt, dass er anders als österreichische Pensionäre keinen Anspruch auf eine Solidarrente hat, mit der dort kümmerliche Altersbezüge aufgestockt werden. In diesem Fall sah der EuGH ein Problem darin, dass diese Sozialleistung automatisch für alle „wirtschaftlich nicht aktiven“ Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist. Für mittellose Rentner könnte die Alpenrepublik also durchaus ein interessantes Auswanderungsland werden.


Sozialleistungen für ZuwandererHartz IV für EU-Bürger wäre erst der Anfang

  ·  Die Macht der Europarichter ist groß – und betrifft bei weitem nicht nur die Grundsicherung in Deutschland. Auch Österreichs Rentensystem muss sich öffnen.
© CARO / ECKELTVergrößernDeutschland: EU befeuert Streit um Sozialhilfe für Zuwanderer
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat schon so manches Mal für Aufregung, gar Empörung gesorgt, weil er mit dem Hinweis auf höherrangiges Europarecht deutsche Vorschriften kippte. In der anhaltenden Diskussion, ob EU-Bürger Anspruch auf Arbeitslosengeld II (HartzIV) haben, sorgt schon die Möglichkeit für Aufregung, dass er dies irgendwann einmal tun könnte. Da geraten selbst Stellungnahmen wie die der EU-Kommission zum Politikum.
Die Macht der Europarichter reicht weit in das deutsche Recht hinein. Schon so manches Mal haben sie deutsche Regeln kurzerhand für unanwendbar erklärt. Selbst wenn die Vorschriften noch im Gesetz stehen – Behörden, Richter und Anwälte müssen sie dann ignorieren. Das könnte auch in den beiden Verfahren passieren, die derzeit vor dem EuGH anhängig sind. Dies würde sich zunächst an die Jobcenter richten: Sie dürften dann nicht mehr auf Basis der deutschen Regelung die Zahlung von Arbeitslosengeld II (HartzIV) verweigern. EU-Ausländer hätten damit sofort Anspruch auf die staatlichen Leistungen.
Damit ist allerdings noch gar nicht ausgemacht, dass dies auch immer so bleiben muss. Denn der EuGH monierte bisher vor allem, dass die Verweigerung von Hartz IV nicht automatisch erfolgen könne. Vielmehr müssten die zuständigen nationalen Behörden die individuelle Situation des Antragstellers berücksichtigen und die möglichen Belastungen für das Sozialsystem, wenn plötzlich eine ganze Gruppe von Anspruchstellern hinzukommt. Ohnehin ist nach EU-Recht ein Ausschluss für die ersten drei Monate nach der Einreise ausdrücklich erlaubt. Der Gesetzgeber müsste die bestehenden Regeln dann allerdings nach diesen Vorgaben anpassen.

Die Besonderheiten des deutschen Hartz-IV-Systems

Derzeit sind mindestens zwei Verfahren vor dem EuGH anhängig, die die deutschen Ausnahmen für EU-Bürger auf den Prüfstand stellen. Das Sozialgericht Leipzig hat schon vor einem halben Jahr den Luxemburger Richtern ein Verfahren vorgelegt, in dem es um eine arbeitslose Rumänin geht, die mit ihrem Sohn seit 2010 in Deutschland lebt. Zu diesem Fall erging auch die Stellungnahme der Europäischen Kommission, die am Freitag für Aufregung sorgte. Das Bundessozialgericht hat dem EuGH im Dezember dagegen den Fall einer schwedischen Staatsangehörigen vorgelegt, die in Deutschland zusammen mit ihren drei Kindern lebt. Vor dem Luxemburger Gericht dürften auch die Besonderheiten des deutschen Hartz-IV-Systems eine Rolle spielen, das sei der Reform im Jahr 2005 mit der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe komplizierter geworden ist.
Die aktuelle Diskussion dreht sich derzeit fast ausschließlich um HartzIV in Deutschland, dabei geht es um wesentlich mehr. Eine Ausweitung von Sozialleistungen würde auch alle anderen EU-Staaten treffen. Für Diskussionsstoff sorgte das Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 19.September 2013, in dem ausgerechnet ein deutscher Rentner in Österreich den Stein für die mögliche Ausweitung von Sozialleistungen ins Rollen brachte (Az.: C-140/12). Er hatte dagegen geklagt, dass er anders als österreichische Pensionäre keinen Anspruch auf eine Solidarrente hat, mit der dort kümmerliche Altersbezüge aufgestockt werden. In diesem Fall sah der EuGH ein Problem darin, dass diese Sozialleistung automatisch für alle „wirtschaftlich nicht aktiven“ Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist. Für mittellose Rentner könnte die Alpenrepublik also durchaus ein interessantes Auswanderungsland werden. Umgekehrt könnte allerdings auch die von der großen Koalition geplante „Lebensleistungsrente“ eine völlig neue Dimension bekommen, wie der Europarechtler Daniel Thym von der Universität Konstanz betont. Nach dem derzeitigen Stand soll sie 850Euro im Monat betragen – und setzt damit durchaus Anreize.

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