Europäische UnionGeldeigentum und Geldpolitik
12.01.2014 · Die Europäische Zentralbank ist verpflichtet, die Geldwertstabilität zu sichern. Was tun, wenn sie dieser Aufgabe nicht nachkommt?
Von PROFESSOR DR. PAUL KIRCHHOF
Eines der Prinzipien unserer Staats- und Wirtschaftsordnung ist das privatnützige Eigentum. Der Unternehmer hat die Freiheit, sein Unternehmen für den eigenen Gewinn zu nutzen. Der Aktionär darf seine Anteile zur Erzielung von Dividenden oder Kursgewinnen einsetzen. Der Grundstückseigentümer ist berechtigt, seine Wohnungen ertragbringend zu vermieten. Würde der Staat durch eine Politik der „billigen Preise“ darauf hinwirken, dass dem Unternehmer keine Gewinne mehr verblieben, der Aktionär keine Dividende erzielen könnte, dem Vermieter aus den Mietzinsen kein Überschuss zuwüchse, wäre die Garantie des privatnützigen Eigentums verletzt. Wenn das Recht das Privateigentum schützt, gewinnt der Eigentümer die Freiheit, sein Eigentum zu seinem Vorteil zu nutzen.
Die in der Europäischen Union verbundene Staatengemeinschaft betreibt gegenwärtig eine Politik des „billigen Geldes“, die manchem Geldeigentümer die Freiheit nimmt, sein Geld ertragbringend zu nutzen. Er kann nur noch Zinsen erzielen, die geringer sind als die Inflationsrate und die den Zinsertrag belastende Steuer. Diese Einbuße an Eigentümerfreiheit geht auf geldpolitische Interventionen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten zurück, ist von diesen zu verantworten.
Zur Eigentümerfreiheit gehört auch die Entscheidung, wie das Eigentum angelegt werden soll. Der eine kauft ein Grundstück, der andere hält sein Geldvermögen für einen späteren Kauf bereit. Viele Menschen sparen Geld, um stets einen Grundstock für Sonderbedarf und Notfälle zur Verfügung zu haben. Andere wählen zwischen der Anlage in Aktien, Fonds, Staatsanleihen oder Geld und finden in ihrer Freiheit gute Gründe, auf das Geldkonto nicht zu verzichten. Treuhänder und Stiftungen legen ein ihnen anvertrautes Vermögen oft in Geld an. Wenn Großanleger darauf verweisen, der Geldeigentümer könne doch auch in Grundstücke oder Industriebeteiligungen investieren, um den Folgen der staatlichen Geldintervention auszuweichen, so sind diese Alternativen für Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen nicht real. Im Übrigen können sie einen Eingriff in die Anlegerfreiheit nicht rechtfertigen, der Sparer benachteiligt und Banken bevorzugt. Das durch Staatsintervention verbilligte Geld gibt Banken, Fonds, Staaten und Spekulanten preiswertes Geld, mit dem die Begünstigten ertragreich wirtschaften, nimmt dadurch aber Geldeigentümern das Recht, aus ihrem Eigentum Erträge zu erzielen.
Doch die Europäische Zentralbank ist verpflichtet, die Geldwertstabilität zu sichern. Diese Aufgabe ist angesichts des sensiblen Verhältnisses von Geld und Preisen, von Sparen und Investieren, von Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit, von Steuern und Staatskrediten, von offenen und verdeckten öffentlichen Schulden, von nationalen Märkten, Binnenmarkt und Weltmarkt, von Entgeltlichkeit in der Zeit und trotz der Zeit besonders anspruchsvoll. Für diese eine Aufgabe ist die Zentralbank mit richterähnlicher Unabhängigkeit ausgestattet und von parlamentarischer Verantwortlichkeit freigestellt. Ihre Geldstabilitätspolitik soll nicht in den Sog von Interessenten geraten. Bei anderen Aufgaben dürfte - das sagt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich - das Parlament nicht ferngehalten werden. Sollte die Zentralbank nicht den Geldwert, sondern Staaten oder Unternehmen stabilisieren, fehlte ihr dazu der Auftrag. Ihre Unabhängigkeit verlöre ihre Berechtigung.
Diese Stabilitätsmauer dient der individuellen Freiheit. Dieses Recht sichert zunächst Freiheit von Zwang durch den Staat oder einen Staatenverbund. Es garantiert sodann dem in seiner Existenz gefährdeten Menschen die Freiheit zu einem Existenzminimum. Ob es auch weitere materielle Voraussetzungen für selbstbestimmtes menschliches Handeln gewährleistet, den Zugang zu Bildung, zu Eigentum, zum Arbeitsleben erschließt, ist eine der strittigen Kernfragen der Wirtschaftsverfassung. Das demokratische Freiheitskonzept gibt hier dem Bürger in Wahlen und Abstimmungen eine Mitentscheidungskompetenz. Nur das von ihm gewählte Parlament darf über diese Fragen entscheiden. Es ist dabei an die Verfassung gebunden. Deren Geltung wird durch unabhängige Richter gesichert. In diesem System hat die Zentralbank die Aufgabe, den Geldwert gegen eine Schwächung durch hoheitliche Interventionen zu stabilisieren und durch eine eigene Stabilitätspolitik zu festigen. In dieser Sonderbefugnis genießt sie richterliche Unabhängigkeit.
Das Geld hat einen Wert, weil die Beteiligten darauf vertrauen, dass das im Geld bekundete Wertversprechen auch tatsächlich eingelöst wird. Der 100-Euro-Schein ist höchstens fünf Cent wert, verheißt aber, gegen einen Realwert von 100 Euro eingetauscht werden zu können. Moderne Formen des Geldes in Büchern und im digitalen Geldverkehr haben sich zu abstrakten Buchungs- und Transfervorgängen verselbständigt, die eine Wertidee nur noch andeuten. Doch mit diesem Geld bezahlen wir unsere Schulden, bewerten wir unsere Güter, bewahren wir Werte, erzielen wir Zinserträge. Geld ist geprägte Freiheit. Deshalb schützt das Grundrecht auf Eigentümerfreiheit auch das Geldvermögen.
Allerdings ist der Geldwert und damit das individuelle Geldeigentum in besonderer Weise gemeinschaftsbezogen und gemeinschaftsabhängig. Der Geldwert bildet sich im Rahmen der staatlichen oder europäischen Währungshoheit und Finanzpolitik wesentlich durch das Verhalten der Wirtschaftssubjekte selbst, die insbesondere über Preise, Löhne, Zinsen, wirtschaftliche Einschätzungen und Bewertungen den Geldwert bestimmen. Der Außenwert des Geldes folgt aus den Tauschbeziehungen des nationalen Geldes zu anderen Währungen, den Wechselkurssystemen und deren staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen. Bei diesen Entstehensbedingungen und Abhängigkeiten kann der Staat den Geldwert nicht grundrechtlich garantieren. Wie die Eigentumsgarantie beim Sacheigentum nur die Verfügungs- und Nutzungsfreiheit des anbietenden Eigentümers, nicht aber die Tauschbereitschaft des Nachfragers gewährleisten kann, so kann das Grundrecht des Eigentümers auch beim Geld nur die Freiheit zum Verfügen und Nutzen, nicht die konkrete Erwerbschance sichern.
Geld repräsentiert die ökonomischen Werte, die der Mensch braucht. Deswegen sollte das umlaufende Geld idealtypisch den Bedarf an Gütern und Dienstleistungen spiegeln. Doch der Geldwert und seine Entwicklung stehen nicht einem konstanten Bedarf gegenüber. Die Welt der Digitalisierung, der Mobilität, der technischen Begegnungsmöglichkeiten und der Energieversorgung zeigt, dass die Bedürfnisse und die Möglichkeiten der Bedarfsbefriedigung sich ständig verändern, auch durch mehr Geld angeregt und vermehrt werden. Vor allem aber hat sich eine konjunktursteuernde und wachstumsfördernde Haushaltspolitik entwickelt, die einem „magischen Viereck“ von vier Stabilitätszielen folgt, dort das Ziel der Geldwertstabilität relativiert und dem Staat bedeutsame Gestaltungsmächtigkeiten zuweist. Doch Magie im Recht war schon immer schlecht.
weiterlesen lohnt !!!!!
http://www.faz.net/aktuell/politik/die-gegenwart/europaeische-union-geldeigentum-und-geldpolitik-12748515.html?printPagedArticle=true
Den benne ich sodann als Zeugen...
AntwortenLöschenDa kann man sich auch einen Lolli für Kaufen!