Ukip siegt in Großbritannien„Das das wird ein Erdbeben“
Die nationalistische und EU-feindliche Partei Ukip hat in Großbritannien bei der Europawahl triumphiert. Parteichef Nigel Farage sprach von einem Erdbeben, doch auch Premierminister Cameron könnte profitieren. Eine Analyse.
26.05.2014, von JOCHEN BUCHSTEINER, LONDON
David Cameron, der britische Premierminister, wird bei der Kabinetts-Sondersitzung an diesem Montag einiges zu besprechen haben. Die britische Unabhängigkeitspartei Ukip hat nach den ersten Auszählungen die kühnsten Voraussagen übertroffen und die Europawahl im Vereinigten Königreich mit deutlichem Abstand gewonnen. Die Nacht über schwankten die Populisten um die dreißig Prozent, womit sie ihr schon erstaunliches Ergebnis von 2009 beinahe verdoppeln konnten.
Die Verluste der regierenden Konservativen sind eher glimpflich ausgefallen. Sie stehen in etwa gleichauf mit der Labour Party, die sich zuletzt bei knapp 24 Prozent einpendelte. Den erwarteten Niedergang erlebten die Liberaldemokraten – Camerons Koalitionspartner -, die sich nunmehr mit den in Großbritannien wenig prominenten Grünen um den vierten Platz streiten. Beide Parteien schwankten während der Auszählungen um sieben Prozent.
Der Triumph des Ukip-Vorsitzenden Nigel Farage ist nicht ohne weiteres auf die Unterhauswahlen im kommenden Frühjahr projizierbar. Zum einen kann eine dezidiert europafeindliche Partei bei Europawahlen naturgemäß zu höchster Form auflaufen, wahrend bei nationalen Wahlen auch andere Themen eine Rolle spielen. Zum anderen gilt bei den Wahlen zum Unterhaus das Mehrheitswahlrecht, das nicht etablierte Parteien nicht gerade begünstigt. Doch dürfte nun niemand mehr bezweifeln, dass die Ukip in der Lage ist, auch auf nationaler Ebene Wahlkreise zu gewinnen. Das könnte Farage in die Lage versetzen, im Falle eines “hung parliament” – also einem Unterhaus ohne die absolute Mehrheit einer Partei - über die nächste Regierung mitzuentscheiden.
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Auf dem rechten Flügel der Konservativen wird schon seit längerem gefordert, sich den Ukip-Positionen stärker zu nähern. Verlangt wird unter anderem, das für 2017 in Aussicht gestellte EU-Referendum vorzuziehen und die Armutseinwanderung – vor allem aus Rumänien und Bulgarien – einzudämmen. Die Einführung der Homoehe, die von der Ukip kritisiert wird, lässt sich wohl nicht mehr rückgängig machen, aber auch in der Gesellschaftspolitik will die Tory-Rechte wieder mehr konservative Ideen durchsetzen. Einige wünschen sich überdies, bei den Unterhauswahlen Kooperationen mit der Ukip einzugehen, was von der Parteiführung allerdings strikt abgelehnt wird.
Wenn Cameron sich einem Rechtsruck widersetzt, dann wird er dies – paradoxerweise – gerade mit Verweis auf das Wahlergebnis tun. Denn aus Sicht der Regierung birgt das Ergebnis auch einen Hoffnungsschimmer. Die Labour Party, nach wie vor der Hauptgegner, hat zwar dazugewonnen, ist aber weit hinter ihren Erwartungen geblieben. Das schwache Ergebnis wird den Druck auf ihren unglücklich operierenden Vorsitzenden Ed Miliband erhöhen. Wenn die Labour Party nicht einmal in Europawahlen - die traditionell dem Protest gegen die Regierung dienen - reüssieren kann, darf sich Cameron Hoffnungen auf eine Wiederwahl machen. Im kommenden Mai geht es um Großbritannien, und die erfreulichen Wirtschaftsdaten dürften die Hauptregierungspartei im Wahlendspurt eher beflügeln.
Für den Moment wird sich aber alles um die Ukip und deren Superstar Nigel Farage drehen. In dessen Triumph spiegelt sich nicht nur die verbreitete Abneigung der Briten gegenüber einer EU, die immer stärker in den politischen Alltag der Nation eingreift. Farage fliegen auch die Stimmen zu, weil er über viele Themen - allen voran die ungesteuerte Einwanderung - weniger seifig spricht.
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