16.05.2014, 15:40 Uhr
Helmut Schmidt wirft EU "Größenwahn" vor
Brüssel mische sich zu sehr in die Weltpolitik ein, "obwohl die meisten Kommissare davon kaum etwas verstehen". "Das jüngste Beispiel ist der Versuch der EU-Kommission, die Ukraine anzugliedern", sagte Schmidt der "Bild"-Zeitung. "Sie stellen die Ukraine vor die scheinbare Wahl, sich zwischen West und Ost entscheiden zu müssen."
Der Altkanzler verurteilte auch den Versuch, Georgien enger an die EU zu binden. "Zur Erinnerung: Georgien liegt außerhalb Europas. Das ist Größenwahnsinn, wir haben dort nichts zu suchen!"
Schmidt befürchtet Eskalation wie 1914
Schmidt verglich die Ukraine-Krise mit den Spannungen kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. "Die Gefahr, dass sich die Situation verschärft wie im August 1914, wächst von Tag zu Tag."
Auf die Frage, ob er Europa wie damals am Abgrund sehe, sagte er: "Die Situation scheint mir zunehmend vergleichbar. Europa, die Amerikaner, auch die Russen verhalten sich so, wie es der Autor Christopher Clark in seinem lesenswerten Buch über den Beginn des Ersten Weltkriegs beschrieben hat: wie 'Schlafwandler'."
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Helmut Schmidt: "Traue Putin nicht zu, dass er Krieg will"
Schmidt (SPD) fordert den Westen außerdem im Umgang mit Russland zu mehr Rücksichtnahme auf und warnt vor einem Sanktionswettlauf gegen das Land. In einem Interview mit der "Bild" sagte Schmidt: "Diese Sanktionen bringen nichts und führen bloß zur Forderung nach noch schärferen Sanktionen. Und wenn die nicht wirken, verlangt jemand verstärkte Rüstung. Und dann landen wir am Ende beim Krieg mit Waffen." Schmidt erklärte, er "traue Putin nicht zu, dass er Krieg will. Und Europa sollte alles daran setzen, Russland in dieser Haltung zu bestärken, statt, wie die Regierung in Kiew oder mancher im Umkreis von US-Präsident Obama, vom 3. Weltkrieg zu schwätzen."
Der Altbundeskanzler verlangte mehr Verständnis für die Lage von Russlands Präsident. "Putin ist ein vorausschauender Politiker, der zugleich ganz andere Probleme hat als die Krim oder die Ukraine. Er muss einen Vielvölkerstaat zusammen halten, in dem zum Beispiel der Anteil der Muslime weit stärker wächst als alle anderen Gruppen. Von wirtschaftlichen Problemen ganz zu schweigen. Aber Putins Sicht zur Ukraine zu berücksichtigen, ist notwendig", erklärte Schmidt.
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